Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Zugegeben, der Schauspieler Albrecht Schuch kann mir alles verkaufen. Spätestens seit dem Film BERLIN ALEXANDERPLATZ von 2020, wo Schuch den Schluri, den undurchsichtige, doch eher verbrecherischen Reinhold spielt, ist er mir mit seinem Körperspiel unheimlich geworden. Buchstäblich schlingt er sich um einen herum. Es gibt wirklich keinen deutschen Schauspieler – einen ausländischen auch nicht – der derart körperlich in seine Rollen hineinschlüpft und sich von Rolle zu Rolle extrem wandeln kann – und nun spielt er Thomas Brasch, ein Junggenie, das immer nur Jung blieb und nicht zum Genie werden konnte, immer Geist und Seele atmet, dichtet, aber kaum Körper hat. Nur äußerlich.
Und auch diese Rolle füllt Albrecht Schuch aus. Er kann also auch ganz anders. Ob das dann noch Thomas Brasch ist, liegt weniger an seinem Spiel, als an der Konzeption des Regisseurs, der aufbauend auf dem wirklichen Brasch und dessen äußerlichem Lebensablauf mitsamt der Personen um ihn herum, seine Fiktion walten läßt, wie man sich wohl so fühlt als Brasch, der sich selbst in den Westen abgeschoben hat, auch wenn West-Berlin immer noch mehr Osten bedeutet, als Westdeutschland.
Wer diese Zeit nicht erlebt hat, und das heißt auch nicht die Atmosphäre in der damalige DDR und der damalige Bundesrepublik, der kann kaum verstehen, was Menschen wie Wolf Biermann oder auch Thomas Brasch verloren ging, als der eine ausgesperrt wurde und der andere freiwillig „rübermachte“. Das liegt an den Hoffnungen, die damals noch bestanden, daß sich ein sozialistisches Deutschland zu einem freiheitlichen Staat mausern könne, in dem nicht das Kapital, sondern die Menschen herrschten und menschengemäße Zustände wirklich machten. Aber es ist nicht nur die Zukunftshoffnung, die verband. Es gab in der DDR gerade bei denen, die durchblickten, auch eine Zuneigung, eine Wärme zueinander, aber auch zu denen, die noch die falsche Politik machten und von denen man hoffte, daß sie einsehen könnten. Mit solchen Flausen war es im Herbst 1976 vorbei – Biermann wurde ausgesperrt und bei aller persönlichen Freiheit und Anerkennung im Westen, wurde er nie wieder diese zentrale Figur, die er in der DDR war; Thomas Brasch ging zur selben Zeit nach West-Berlin mit seiner Frau Katarina Thalbach, wo er viele äußere Erfolge hatte, aber nie wieder dieses Zugehörigkeitsgefühl wie im unsozialistischen Osten. Tragisch.
Im Fall von Thomas Brasch kam der Vaterkonflikt hinzu, den Biermann nicht zu bestehen hatte, da Vater Dagobert in Auschwitz ermordet worden war. Am Vater von Thomas Brasch, einem so linientreuen, sogar stellvertretenden DDR- Kultusminister, wie von den Oberen geschurigelter Abservierter, kann man das persönliche Drama von Menschen sehen, die durch die Nationalsozialisten zermürbt, in der DDR ihren sozialistischen Traum verwirklicht sahen, der nur noch Kinderkrankheiten abschütteln müsse, bis er zur wahren Größe käme. Eine tragische Figur, die seinen eigenen Sohn an die Stasi verriet. Aus erzieherischen Gründen für diesen, aber auch als Anpassung ans System für sich selbst, sozusagen auf Belohnung hoffend.
Es kommt für die Generation von Thomas Brasch noch etwas hinzu. Der Geniekult dieser Zeit, der ganz bestimmten Männern galt, männlichen Männern, von denen noch viel zu erwarten war. Biermann ist zehn Jahre älter, aber Thomas Brasch der selbe Jahrgang 1945 wie Rainer Maria Fassbinder, Jörg Fauser ein Jahr älter und man würde noch mehr dieser Junggenies finden, die schon vor ihrem natürlichen Ende starben.
Das mußte gesagt werden, weil der Film auf diesem Hintergrund Szenen im Leben von Thomas Brasch herausfiltert, die Regisseur Kleinert für die wesentlichen hält. Und unter der Einschränkung, daß dies seine Sicht ist, ist der Film besser als ihn manche herunterwerten wollen.Thomas ist der älteste Sohn der aus England zurückgekehrten Horst (Jörg Schüttauf) und Gerda Brasch(Anja Schneider), die noch zwei weitere Söhne und eine Tochter bekommen. Nur Marion Brasch überlebt die Familie und es paßt gut, anläßlich dieses Films auf weitere Filme zu verweisen, u.a. aufgrund des Buches von Marion Brasch: AB JETZT IST RUHE, wo sie über ihre drei genialen Brüder schreibt, von denen zwei, Klaus (1980) und Peter (2001) Selbstmord verübten, im selben Jahr 2001 starb mit 56 Jahren an Herzversagen Thomas Brasch. Man sieht sich schon an antike Tragödien erinnert, was in dieser Familie passierte. Der Film DIE FAMILIE BRASCH gibt eine gute Übersicht, aber derzeit ist auch der interessante Dokumentarfilm von 2012 „brasch - das wünschen und das fürchten“ in der Mediathek von ARTE zu sehen.
So interessant dieser Film über Thomas Brasch ist, schlüssig auch das konsequente Schwarz-Weiß, erschließt sich doch erst bei Kenntnisnahme der ganzen Familie auch die Grundproblematik von Thomas Brasch, dem so begabten kreativen Menschen in Wort, Schrift und Film. „Fürwahr, ich weiß nicht, was mich traurig macht“, heißt‘s im KAUFMANN VON VENEDIG. Aber nein, ich weiß schon, was mich traurig macht.
Foto:
©Verleih
Info:
BESETZUNG
Thomas ALBRECHT SCHUCH
Katarina JELLA HAASE
Thomas, älter PETER KREMER
Thomas, Kind CLAUDIO MAGNO
Vater JÖRG SCHÜTTAUF
Mutter. ANJA SCHNEIDER
Klaus / Gladow JOEL BASMAN
Sanda IOANA IACOB
Sylvia EMMA BADING
Gerit LUISA-CÉLINE GAFFRON
Erich Honecker JÖRG SCHÜTTAUF
Regisseur MATTHIAS BUNDSCHUH
Bettina PAULA HANS
Jean ZOË VALKS
Vladimir ADRIAN JULIUS TILLMANNAXAA
Stab
Regie ANDREAS KLEINERT
Drehbuch THOMAS WENDRICH
©Verleih
Info:
BESETZUNG
Thomas ALBRECHT SCHUCH
Katarina JELLA HAASE
Thomas, älter PETER KREMER
Thomas, Kind CLAUDIO MAGNO
Vater JÖRG SCHÜTTAUF
Mutter. ANJA SCHNEIDER
Klaus / Gladow JOEL BASMAN
Sanda IOANA IACOB
Sylvia EMMA BADING
Gerit LUISA-CÉLINE GAFFRON
Erich Honecker JÖRG SCHÜTTAUF
Regisseur MATTHIAS BUNDSCHUH
Bettina PAULA HANS
Jean ZOË VALKS
Vladimir ADRIAN JULIUS TILLMANNAXAA
Stab
Regie ANDREAS KLEINERT
Drehbuch THOMAS WENDRICH