eiffel3Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 18. November 2021, Teil 5

Redaktion

Paris (Weltexpresso) - Seit wann sind Sie an EIFFEL IN LOVE beteiligt und wie kam es dazu?

Die lange Produktionsgeschichte von EIFFEL IN LOVE begann vor 20 Jahren. Das Originaldrehbuch und die Idee stammen von Caroline Bongrand. Im Laufe der Jahre entstanden verschiedene Drehbuchfassungen. Ich bin seit 2017 mit dabei, als mich die Produzentin Vanessa van Zuylen kontaktierte. Mir gefiel sofort die Ambition dieses Filmprojekts: Eine epische, romantische Liebesgeschichte mit dem Bau des Eiffelturms als Kulisse. Wir haben dann zusammen mit Caroline Bongrand und Thomas Bidegain weiter am Drehbuch gearbeitet. Später kamen dann auch Tatiana de Rosnay (von ihr stammt die Idee für die Flashbacks) und Natalie Carter hinzu.


Was wollten Sie mit Ihren Co-Autoren erreichen?

Wir wollten den Zuschauern eine epische Liebesgeschichte bieten, die gleichzeitig auch ein Abenteuerfilm ist und beides um den Bau eines der weltweit bekanntesten Monumente ergänzen. Die ganze Arbeit am Drehbuch, bei der Regie und im Schnitt bestand darin, darauf zu achten, dass sich beide Handlungsstränge befruchten. Dabei galt es auch, die Wahrhaftigkeit des historischen Kontextes zu wahren. Genau darin liegt die Stärke des Kinos: In seiner Fähigkeit, Lücken zu füllen, die die Geschichte offengelassen hat, und eine fiktionale Hypothese zu entwickeln, die die Grundlage des Films ist: Eiffel, der das Projekt zunächst ablehnte, beschließt aus Liebe zu Adrienne, den Turm zu bauen. Wir wollten alle einen spektakulären Film produzieren, der von einem mächtigen emotionalen Motor angetrieben wird.


Fand parallel zur Entwicklung des Drehbuchs auch das Casting statt?

Im Fall von Romain Duris geschah das sogar noch früher! Er war der Einzige, den ich mir als Gustave Eiffel vorstellen konnte und dem ich das Drehbuch zu lesen gab. Er verkörpert die Modernität, die mir für diesen Film vorschwebte. Romain verfügt über diese besondere Ambivalenz: Er ist modern und Rock‘n’Roll in seiner Art und Weise, sich im Raum zu bewegen, aber ihm stehen historische Kostüme wie angegossen. Romain hat etwas sehr Romantisches, das ich mir für diese Liebesgeschichte wünschte. Und er kann alles spielen! Damit erfüllte er alle meine Bedingungen.


Wie kamen Sie auf die Idee, Emma Mackey als Adrienne zu besetzen?

Vanessa van Zuylen kam auf die Idee, als sie Emma in der ersten Staffel von Sex Education sah. Durch die Dominanz von Netflix und dieser Serie kennt man Emma weltweit ... Aber abseits von Sex Education war sie für die meisten Franzosen und Französinnen noch ein unbeschriebenes Blatt. Etwas Besseres konnten wir uns für die geheimnisvolle Figur der Adrienne kaum wünschen. Emma ist sehr talentiert und hat ein instinktives Gespür für das Spiel und die Situation, in der sie sich befindet. Durch ihre Präsenz wurde diese Idee der Modernität, die mir vorschwebte, immer realer.


Was war Ihnen beim Casting der weiteren Rollen wichtig?

Ich schätze an Pierre Deladonchamps seine Fähigkeit, ebenso charmante wie gefährliche Männer spielen zu können und dabei so viel einzig und allein mit seinem Blick auszudrücken. Er ist großartig in dieser bedrohlichen Empathie. Neben diesem Trio wollte ich aber keinen Laufsteg für bekannte Gesichter, die nur kurz auftauchen. Ich bin meinen Produzent*innen sehr dankbar, dass sie mich bei dieser Entscheidung unterstützt haben. Und so wählte ich Schauspieler*innen, die ich sehr schätze, die einem breiteren Publikum jedoch noch nicht so geläufig sind: Alexandre Steiger, Bruno Raffaelli, Armande Boulanger, Andranic Manet...


Haben Sie vorher mit den Schauspielern geprobt?

Nein. Das ist von mir auch so gewollt, weil mir Proben nicht liegt. Ich mache immer Drehbuchlesungen, ohne dass die Schauspieler*innen da schon spielen sollen. Ich möchte nur sehen, wie ihnen der Text liegt, ob man bei einigen Dialogen oder Sätzen noch etwas anpassen muss. Ich vertraue den Darsteller*innen und bevorzuge die Regiearbeit mit ihnen in den magischen Moment am Set, wenn die Kameras laufen.


Der Film heißt EIFFEL IN LOVE. Aber ist Adriennes Figur nicht genauso wichtig wie die von Gustave?

Ja, weil die Modernität des Films stark auf der Figur der Adrienne beruht. Uns war es wichtig, eine starke Frauenfigur zu erschaffen. Das war bereits im Originaldrehbuch so angelegt. Adrienne lehnt sich gegen ihr bürgerliches Milieu auf und interessiert sich für einen Mann, der nicht unbedingt für sie vorgesehen ist. Ohne zu viel über die Dramaturgie der Handlung zu verraten, besteht die Fallhöhe der Geschichte zum größten Teil darin, wie Adrienne reagiert. Ihre Entscheidungen, ebenso wie einige ihrer Handlungen, treiben die Story voran. Hinter Adrienne steht der Turm und umgekehrt. Emma Mackey verkörpert mit ihrer Anmut und ihrer Energie diese Figur perfekt.


Hatten Sie filmische Vorbilder für EIFFEL IN LOVE?

Ich lasse mich nicht bewusst von filmischen Vorbildern leiten, bevor ich mit den Dreharbeiten beginne. Aber an einen Film musste ich immer wieder denken: An First Man von Damien Chazelle. Ich mag es, wie uns der Regisseur eine Figur persönlich näherbringt, die vor einer Aufgabe steht, die so viel größer ist als sie selbst – der Mondlandung. Er verbindet es meisterhaft, einen fast intimen Film mit Handkamera zu drehen und ein spektakuläres Weltraumabenteuer. Genau das versuchte ich mit EIFFEL IN LOVE zu erreichen. Ich wollte nah an den Charakteren bleiben und gleichzeitig vom großen Abenteuer des Turmbaus erzählen.


Wie haben Sie die visuelle Welt des Films zusammen entwickelt?

Matias Boucard sprach sofort von Vilmos Zsigmond und seiner Arbeit an Michael Ciminos Heaven ́s Gate, sowie von Robert Elswit in There Will Be Blood für Paul Thomas Anderson. Das sind sehr körnige, strukturierte Bilder, die klarmachen, dass es sich um historische Filme handelt, aber ohne es zu übertreiben. Nicht um jeden Preis historisch akkurate Ebenbilder der Epoche liefern, sondern Bilder, die immer glaubwürdig und lebendig wirken. Wir haben uns auch ein paar Freiheiten genommen, ohne das Publikum gleich vor den Kopf zu stoßen. So sind die Kostüme zwar authentisch, aber die Art und Weise, wie sie im Film getragen werden, entspricht nicht immer der Epoche. So war es mir wichtig, dass Eiffel, wenn er sich den Massen stellt, mit offenem Hemd und hohem Kragen agiert. Das stand ihm besser, sah heldenhafter und auch sexier aus. Zur damaligen Zeit trug Gustave Eiffel seinen Anzug sicher deutlich konservativer...


Warum wollten Sie Matias Boucard als Kamera- mann für EIFFEL IN LOVE?

Mir gefiel seine Arbeit bei L’affaire SK1, diese fast chaotischen Aufnahmen auf 16mm. In Jacques – Entdecker der Ozeane wirken die Bilder in ihrer Dimension dann größer. Dazu kommen seine Werbefilme und vielfältigen Dreherfahrungen. Mich beeindruckt vor allem seine Fähigkeit, die Lichtdramaturgie immer dem Thema des Films anzupassen, immer den richtigen Lichtton zu treffen.


Worin bestand Ihre Vision für die Darstellung des Eiffelturms?

Wir hatten von Anfang an eine Mission für diesen Film: Der Eiffelturm muss hinreichend auf der Leinwand präsent sein, um dem Publikum etwas visuell wirklich Spektakuläres zu liefern. Wir wussten aber auch, dass es aufregender sein würde, bei den verschiedenen Bauphasen dabei zu sein, als den fertigen Turm zu zeigen, wie man ihn kennt. Ich wollte die Special Effects im Hintergrund halten, um den Fokus auf den Figuren zu lassen. Die Zuschauer sollten in die Schauplätze eintauchen können, ohne von den technischen Tricks abgelenkt zu werden. Das gelang durch meinen Bühnenbildner Stéphane Taillasson, der das Paris des 19. Jahrhunderts wunderbar rekonstruiert hat. Bei den digitalen Special Effects verließ ich mich auf Olivier Cauwet, der schon an Blade Runner 2049 mitgearbeitet hatte. Wir fragten uns zunächst: In welcher Situation befinden wir uns, um was geht es in dieser Szene? Erst danach ging es darum, die Special Effects dementsprechend zu integrieren. Olivier Cauwet hat sich dabei mit all seinem Fachwissen und Talent eingebracht.


Wie fühlen Sie sich am Tag vor Drehbeginn?

Da bin ich einfach nur froh, dass der Film gedreht wird. Das Schwierigste sind immer die Monate davor, die Recherche, die Finanzierung, das Casting und andere Herausforderungen beim Planen der Dreharbeiten. Am Tag vor Drehbeginn atmet man dann paradoxerweise erleichtert auf: Es ist endlich soweit...


Gab es Szenen, auf die Sie sich besonders gefreut haben?

Ich war froh, mich an etwas für mich ganz Neues heranzuwagen: Intime, emotionale Szenen. Mehr als auf sehr technische, komplexe Motive freute ich mich auf die Szene, in der Eiffel völlig überwältigt ist, nur, weil er ein Foto sieht. Ich komme ja von der Komödie und daher bestand für mich in dieser Szene die große Herausforderung darin, den Zuschauer*innen diese Emotion näher zu bringen, ohne dass Eiffel auch nur einen Ton sagt.


Inwiefern halfen Ihnen Ihre Erfahrungen an einer Komödie wie Mama gegen Papa bei EIFFEL IN LOVE?

Die zentrale Absicht bestand darin, dass meine Figuren immer in Bewegung sind. Dabei half es mir durchaus, dass ich von der Komödie komme, denn dort geht es ja vor allem um Rhythmus. Wie schon in Mama gegen Papa wollte ich, dass die Figuren die Aufmerksamkeit der Kamera auf sich ziehen und so eine gewisse Energie und Bewegung entsteht, die ich mit meiner Art Regie zu führen verstärke. Der Rhythmus ergibt sich so schon während der Dreharbeiten und nicht erst im Schnitt. In den Anfangsminuten des Films spürt man, wie energisch Gustave Eiffel ist. Er redet schnell, läuft schnell, hat keine Zeit zu verlieren. Die Kamera ist ihm dabei ständig auf den Fersen. Dann taucht Adrienne auf und die Regie verändert sich parallel zur neuen Charakterisierung der Figur. Eiffel ist berührt, verharrt fast im Stillstand. Die Plansequenzen machen plötzlich Fixeinstellungen Platz, wie um zu unterstreichen, dass die Zeit stehen geblieben ist... Diese abrupten Anpassungen der filmischen Mittel ermöglichen es, einen Rhythmus zu schaffen und so immer ganz nah an den Figuren und ihrem Innenleben zu bleiben.


Wie arbeiten Sie am Set mit den Schauspielern?

Steven Spielberg sagte einmal, die Arbeit am Set mit den Schauspieler*innen beginnt schon beim Casting. Wenn gut gecastet wurde, hat man einen Großteil der Arbeit schon hinter sich. Am Set herrschte dann schon ein gewisses Level an Vertrauen zwischen uns. Ich sage Darstellern niemals schon beim ersten Take, was ich von ihnen erwarte, damit ich ihre Arbeit nicht einschränke oder auf einen guten Einfall verzichten muss, den ich selber nicht gehabt hätte. Meine Arbeit mit Schauspielern  besteht eher darin, sie neu zu orientieren oder etwas am Spiel zu korrigieren, und weniger darin, sie in eine bestimmte Richtung zu führen. Ich habe Romain Duris oft vorgeschlagen, das Gegenteil von dem zu spielen, was seine Figur sagt, um so auszudrücken, was Eiffel wirklich denkt. Zum Beispiel in der Szene, in der Eiffel zu Adrienne sagt: „Ich hoffte, Sie niemals wiederzusehen.“, bat ich ihn, so zu spielen, als würde er sagen: „Es bewegt mich, Sie wiederzusehen.“ Damit wollte ich seine Gefühle durch sein Spiel und seine Körpersprache übermitteln und nicht nur durch seine Dialoge. Romain macht das ganz hervorragend, indem er über die Art und Weise, wie er seine Handschuhe berührt, zeigt, was tief in Eiffel vor sich geht: Er steht komplett unter Schock, als er Adrienne wiedersieht.


Sie waren 36 Wochen im Schnitt. Was machte es so kompliziert?

Es war eine Herausforderung, ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Zeitebenen der Liebesgeschichte und dem Turmbau zu finden. Dabei muss man dann das Drehbuch auch mal vergessen können, um eine neue Erzählstruktur zu erfinden. Wir hatten schöne Bilder, großartige Darstellern, sehr gelungene Szenen und doch funktionierte die Geschichte noch nicht und der Zauber der Gefühle war noch nicht präsent genug. So kam es zu einer sehr langen, aber sehr kooperativen Zusammenarbeit mit der Cutterin Valérie Dessine. Vanessa van Zuylen, Ardavan Safaee und Marie De Cénival nahmen sich in dieser Phase viel Zeit und brachten sich bei den verschiedenen Schnittfassungen mit ein. Ihr frischer und aufmerksamer Blick half uns, die optimale Schnittfassung zu finden, auf die wir nun alle sehr stolz sind.


Entstand in dieser Zeit auch die Musik?

Ja. Alexandre Desplat arbeitete parallel und bereicherte uns mit seinen Entwürfen. Seine Vorschläge und Sicht der Dinge ermöglichten mir, einige Szenen des Films ganz neu zu entdecken. Mit Hilfe der Musik sah ich das Spiel der Schauspieler*innen und die Einstellungen mit ganz anderen Augen. Schon sehr schnell bot er uns ein facettenreiches Musikthema an. Er fand den richtigen Ton zwischen der epischen und der intimen Dimension der Geschichte.

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Info:
Eiffel in Love (Frankreich 2021)
Originaltitel: Eiffel
Regie: Martin Bourboulon
Drehbuch: Caroline Bongrand, Thomas Bidegain, Martin Bourboulon, Natalie Carter, Martin Brossollet
Darsteller: Romain Duris, Emma Mackey, Pierre Deladonchamps, Alexandre Steiger, Armande Boulanger, Andranic Manet, Bruno Raffaelli u.a.