Redaktion
Paris (Weltexpresso) - Wie reagierten Sie, als Vanessa van Zuylen und Martin Bourboulon zu Ihnen nach London kamen, um Ihnen die Rolle der Adrienne anzubieten?
Das Angebot kam gerade im richtigen Moment und erschien mir wie ein großes Geschenk, denn ich bekam langsam immer mehr Lust in einem französischen Film mitzuspielen. Ich bin ja in Sablé- sur-Sarthe aufgewachsen, aber schon als Teenager wollte ich nach der Schule nach England, um dort die britische Seite meiner Herkunft zu erkunden. In England fing ich dann mit dem Theater an und hatte das Glück, auf einen Lehrer zu treffen, der mir sehr viel beibrachte und mich einer Schauspielagentur vorschlug. So kam ich nach einem Casting zur Rolle der Maeve Wiley in Sex Education. Dennoch hoffte ich, auch in Frankreich arbeiten zu können. Und plötzlich erhielt ich dieses Drehbuch, das sich im Laufe der Zeit dann weiterentwickelt hat. Aber schon nach der ersten Lektüre wollte ich das unbedingt machen, so sehr brachte mich diese Geschichte zum Träumen. Ich konnte mir kaum einen noch französischeren Film vorstellen als dieses romantische Epos über den Eiffelturm mit Romain Duris. Ich vertraute sofort dieser Geschichte und Martin, dem Regisseur. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Wie würden Sie Adrienne beschreiben?
In ihren Jugendjahren ist sie sehr neugierig und aufrichtig und versucht, das Leben zu genießen. Sie ist wie ein Wirbelwind. Sie möchte alles ausprobieren, von allem kosten, so groß ist ihr Lebenshunger. Sie ist laufend auf der Suche. Das finde ich sehr schön an dieser Figur, die zu Beginn eine so warmherzige und unbeschwerte junge Frau ist. Dann sieht man sie als Erwachsene und sie erscheint viel distanzierter, nachdem sie einige Schicksalsschläge hinnehmen musste. Aber je öfter sie sich mit Eiffel trifft, desto mehr wird sie wieder zu dieser jungen Frau, die nie ganz in ihr verschwunden ist. Das hängt mit ihrer Liebe zu diesem Mann und seiner Arbeit zusammen. Davon hat sie gezehrt und das macht die Rolle so aufregend zu spielen. Dies wird auch wunderbar auf die Leinwand übertragen mit den Flashbacks zwischen den beiden Zeitebenen.
Wie haben Sie die Figur der Adrienne für sich entwickelt?
Ich stellte mir einfach viele Dinge vor, die im Drehbuch nicht vorkommen. Vor allem aber sprach ich viel mit Martin Bourboulon, der eine ganz klare Vision hatte. Es sollte ein historischer Film werden, aber kein spießiger Kostümfilm. Von dem Moment an lag es an mir, wie sich Adrienne bewegen soll, wie unterschiedlich sie sich benimmt. Ein Schlüssel zu dieser Figur ist ihre Körperhaltung. Zunächst sieht man sie zwischen 1886 und 1889, und sie erscheint distanzierter als in ihrer Jugend. Dann ging es um Kleinigkeiten, wenn sie lockerer wird, als sie Gustave wiedersieht. Ich wollte auch durch meine Körpersprache die beiden Lebensphasen Adriennes klar unterscheiden, ohne dass man zu Hilfsmitteln wie Maske oder Prothesen greift. Es sollte organisch wirken. Aber ohne die klare Vision von Martin Bourboulon wäre das alles nicht möglich gewesen.
Macht es für Sie einen Unterschied, auf Französisch oder Englisch zu spielen?
Ich habe mir die Frage vor Drehbeginn selber gestellt. In meinem Leben habe ich mehr Französisch als Englisch geredet. Und doch hatte ich eine Befürchtung, die Martin Bourboulon auch sofort bemerkt hat. Ich fragte mich, ob ich noch perfekt Französisch sprechen kann, denn seit drei Jahren lebte ich in England und war von Engländern umgeben. In den ersten Drehtagen war ich schon etwas nervös, als müsste ich mir etwas beweisen und vor allem all diesen Leuten, die seit Jahren Kino machen. Vielleicht fragten die sich ja, was diese Netflix-Serienschauspielerin am Drehort zu suchen hat (lacht). Aber dieser Karrierepfad stresste mich nicht. Es war eine notwendige Reise, um mich mit einem Teil von mir wieder neu zu verbinden, den ich etwas vernachlässigt hatte. Rein technisch gesehen und von der Musikalität der beiden Sprachen her verändert es dein Spiel. Ich verfüge eigentlich über einen sehr schnellen Redefluss, aber im Französischen lasse ich mir mehr Zeit.
EIFFEL IN LOVE wurde in zwei Etappen gedreht und während der ersten Phase drehten Sie parallel auch Sex Education. Wie haben Sie das geschafft?
Auch wenn sich alles überschnitt, war es doch so belebend! Mir war klar, was für ein Glück ich habe, unter der Woche in England Sex Education zu drehen und dann den Ärmelkanal zu überqueren, um am Wochenende in Paris Adrienne zu sein, eine Figur, von der ich immer geträumt habe, umgeben von Leuten, die ich bewundere. Natürlich sagt dir der Körper irgendwann, dass du schlafen musst. Man muss eben sein Gleichgewicht finden. Aber es war einfach so ein Privileg, diese beiden Monate in vollen Zügen genießen zu dürfen.
Was gefiel Ihnen besonders an der Arbeit mit Martin Bourboulon?
Die Klarheit in der Kommunikation. Zuhören und diskutieren sind für Martin Bourboulon essenziell. Vorab gab es einige Drehbuchlesungen und viele Telefongespräche und Mails. Am Set ging es dann mit dem intensiven Austausch weiter. Martin ist niemals von seiner klaren und fröhlichen Haltung abgewichen, die mich von Beginn an so faszinierte. Es war eine wunderbare Gelegenheit, mit ihm als Regisseur meinen ersten französischen Film zu drehen.
Man spürt sofort, dass zwischen Ihnen und Romain Duris die Chemie stimmt. Wie kam es dazu?
Ich traf Romain das erste Mal im April 2019 beim Canneséries Festival. Ich war dort in der Jury, und er stellte die Serie Vernon Subutex vor. Martin Bourboulon reiste extra aus Paris an. Wir machten eine kurze Drehbuchlesung und ich spürte sofort, dass die Chemie zwischen uns stimmt. Das war gut so, denn so etwas kann man ja nicht erzwingen. Es passt oder es passt nicht. Romain ist ein großartiger Schauspieler. Er ist sehr erfahren, aber er gibt mit dieser Erfahrung nicht an und versucht nie, seine Partner*innen an die Wand zu spielen. Er ist sensibel und feinfühlig. Ich wusste nie, was genau sich in unseren gemeinsamen Szenen abspielen würde. Es ist wunderbar, dass sich Romain in Bezug auf seine Arbeit eine gewisse Unschuld bewahrt hat und dass man mit ihm Tag für Tag Dinge zusammen entdecken kann. Seine Großzügigkeit war für mich ein sehr wesentliches Element.
Der zweite Teil der Dreharbeiten war für den März 2020 vorgesehen und musste wegen COVID verschoben werden. Wie knüpft man nach einer so langen Pause wieder an seine Rolle an?
Zu Beginn ließ ich die Dinge einfach geschehen. Es hatte keinen Sinn, sich in so unsicheren Zeiten in etwas hineinzusteigern. Wir mussten respektieren, dass das Kino nicht über der Pandemie steht. Aber diese Verzögerung verschaffte uns auch mehr Zeit zum Arbeiten. Die erste Hälfte war ja fast komplett abgedreht und schon geschnitten. Die Hälfte des Puzzles war schon im Kasten. Das erwies sich als Luxus. Darauf konnte jeder für sich aufbauen. Und dann war es eine solche Freude, wieder an diesem Projekt zu arbeiten, das uns so sehr am Herzen lag. Erneut Adrienne zu werden, war wie einen neuen Film zu beginnen. Und am Set herrschte diese angenehme Stimmung, die perfekt zu dem passte, was ich spielen sollte: Die unbeschwerten Jugendjahre.
Gab es Szenen, die Ihnen vorab Sorgen machten?
Nicht wirklich. Falls ich besorgt war, sprach ich direkt mit Martin und Romain darüber. Die Kommunikation mit den beiden war sehr offen. Ich verfüge noch nicht über viel Erfahrung, also erlebe ich jeden Drehtag als einen Lernprozess. Spontan fallen mir vor allem die aufregenden Drehtage wieder ein, wie die Unterwasserszenen in einem für die Dreharbeiten gebauten Pool, bei denen wir den Atem anhalten mussten. In diesem Pool hatten wir vorher Apnoe-Training erhalten. Aufregend war auch, den Eiffelturm zu entdecken, der vom Team der Requisite gebaut wurde. Das war erstaunlich! Meine Unschuld war vermutlich mein größter Trumpf während des gesamten Abenteuers. Das hat mir sehr geholfen, mich nie behindert.
Kommt der Film dem nah, was Sie sich vorgestellt haben?
Der Film fesselte mich regelrecht. Ich verfolgte einfach nur die Geschichte, ohne darüber nachzudenken, was ich hätte besser machen können. Ganz zu schweigen davon, dass ich beim Sichten des Films Episoden der Geschichte entdeckte, in denen meine Figur nicht vorkommt. Das große Abenteuer und die romantische Liebesgeschichte, die Martin erschaffen wollte, kommt auf der großen Leinwand wirklich hervor. Ich finde den Film extrem unterhaltsam und gleichzeitig sehr bewegend. Was ich als Zuschauerin empfunden habe, entspricht ziemlich genau meinen Gefühlen während der Dreharbeiten.
Foto:
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Info:
Eiffel in Love (Frankreich 2021)
Originaltitel: Eiffel
Regie: Martin Bourboulon
Drehbuch: Caroline Bongrand, Thomas Bidegain, Martin Bourboulon, Natalie Carter, Martin Brossollet
Darsteller: Romain Duris, Emma Mackey, Pierre Deladonchamps, Alexandre Steiger, Armande Boulanger, Andranic Manet, Bruno Raffaelli u.a.