land meines vaters2Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 18. November 2021, Teil 1

Redaktion

Paris (Weltexpresso) - DAS LAND MEINES VATERS basiert auf Ihrer eigenen Geschichte. Guillaume Canet spielt darin die Hauptfigur Pierre – inspiriert von Ihrem Vater, der selbst Landwirt war.

Der Film basiert auf meinen eigenen Erfahrungen. Ich stamme aus einer Bauernfamilie mit langer Tradition, bin Sohn und Enkel von Bauern, sowohl mütterlicherseits als auch väterlicherseits. Christian Bergeon, mein Vater, hat sich 1979 mit Lust und Leidenschaft als Landwirt selbstständig gemacht. Zusammen mit meiner Mutter hat er hart gearbeitet, damit meine Schwester und ich eine glückliche Kindheit auf dem Bauernhof verbringen konnten.

DAS LAND MEINES VATERS ist eine Familiensaga, die eine menschliche Perspektive auf die Entwicklung der Landwirtschaft der letzten 40 Jahren bietet.


Sie haben bei zahlreichen Reportagen und Dokumentationen fürs Fernsehen Regie geführt. Was hat Sie dazu veranlasst, einen fiktionalen Langfilm zu drehen?

Die Idee wäre mir nicht gekommen, wenn ich nicht Christophe Rossignon, den Produzenten des Films, getroffen hätte. Im Jahr 2012 sah er „Les fils de la terre“, einen 90-minütigen Dokumentarfilm, in dem ich den Landwirt Sébastien begleitete, dessen Lebensweg mich an den meines Vaters erinnerte. Christophe, selbst Sohn und Bruder eines Bauern, war von dem Film sehr bewegt und wollte mich treffen. Sein älterer Bruder, der den Familienbetrieb von seinem Vater übernommen hatte, musste sich mit einer landwirtschaftlichen Realität auseinandersetzen, die auch sein Leben aus den Fugen hätte bringen können.

Das Projekt eines Spielfilms, inspiriert von meiner Familiengeschichte, entwickelte sich aus unserem ersten Gespräch. Christophe und ich haben viel gemeinsam, wir sind beide Söhne vom Land, der Funke ist sofort übergesprungen.


Eine Fiktion schreibt man anders als einen Dokumentarfilm. Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Mein Produzent wollte mich nicht hetzen. Er erwähnte die Idee, „Les Fils de la Terre“ mit einem Doku-Drama zu erweitern. Er brachte mich dazu, die Lebenswege der Bauern in meinen Dokumentarfilmen zu vergessen und mich auf meine eigenen Erinnerungen zu konzentrieren. Und auch dazu, da es nicht viele Aufzeichnungen meines Vaters gab, Erinnerungen zu reproduzieren. Die Franzosen sind das nicht gewohnt, aber in den angelsächsischen Ländern ist es eine sehr gängige Praxis. Ich sagte sofort zu, wandte aber ein, dass ich noch nie Fiktion gemacht hatte und niemanden kannte. Aber Christophe hatte kein Problem damit.

Da ich nicht wusste, wie man ein Drehbuch schreibt, arbeitete ich mit zwei CoAutoren zusammen – zuerst Bruno Ulmer, dann Emmanuel Courcol – und begann mit einem leeren Blatt Papier. Ich lieferte die Sequenzen, sie formten sie und gaben ihnen den ganzen erzählerischen Spielraum. Erst ganz am Ende habe ich angefangen, selbst einige Szenen zu schreiben.


Die Familie spielt in diesem Film eine übergeordnete Rolle: Alle Ereignisse werden durch ihre Augen gesehen.

Der Film beleuchtet das Thema anders als „Les Fils de la Terre“ oder das, was Elise Noiraud in dem gleichnamigen Theaterstück daraus gemacht hat. Ich wollte die Liebe zeigen, die die vier Mitglieder dieser Familie miteinander verbindet. DAS LAND MEINES VATERS ist in erster Linie eine Familiengeschichte, in der sich jeder wiedererkennen kann, egal ob er oder sie vom Land kommt oder nicht.


Während der gesamten ersten Stunde spüren wir das Glück dieser Menschen, die zwar hart arbeiten, aber durch ein unglaubliches Band verbunden sind, bei dem sich Zärtlichkeit mit einem gewissen Lebensgefühl verbindet.

Claire, die Mutter, und Pierre, der Vater, arbeiten die ganze Zeit, aber auch Thomas, ihr Sohn, hilft auf dem Hof, wann immer er kann. Emma, die kleine Schwester, hockt zur Erntezeit auf dem Weizenwagen. Sie bauen jedes Jahr ein Heubad aus Strohballen, sie fahren mit dem Fahrrad zu Freunden auf umliegenden Bauernhöfen. Man sieht sich die Tour de France und Fußballspiele im Fernsehen an; beliebte Zeitvertreibe, die sowohl zum kollektiven Bewusstsein als auch zum französischen Erbe gehören. Das sind die einfachen Freuden, die ich zeigen wollte, jenseits der überwältigenden Aufgabe, einen Hof zu führen.


Siebzehn Jahre später, die Globalisierung ist vorbeigezogen und Pierre, der bereits verschuldet ist, hat keine andere Wahl, als seine Bank um einen neuen Kredit zu bitten. Er kommt mit einem weiteren Darlehen aus der Besprechung, um seine Produktion mit dem Aufbau einer Geflügel-Mast zu diversifizieren.

Das ist die Perversität des Systems! Pierre ist nicht größenwahnsinnig. Aber die Bank weigert sich einerseits, ihm ein wenig Geld zu geben, ist aber anderseits bereit, geradezu pharaonische Projekte zu unterstützen und ihn sogar dazu zu drängen, weil die Landwirtschaftskammer und die Genossenschaft dahinterstehen.


Die Aufzucht wird „schlüsselfertig“ geliefert, sogar das Futter für die Hähnchen wird gestellt. Und Medhi (Samir Guesmi), der Arbeiter auf Pierres Hof, versäumt es nicht zu bemerken: „Aber warum geben wir ihnen nicht unseren Weizen?“

So ist der Vertrag mit den Agrarunternehmen: Es nennt sich „Integration“. Sie unterschreiben einen Vertrag, und das Unternehmen, egal ob es sich um Kälber, Schweine oder Geflügel handelt, bringt ihnen die Jungtiere mit dem Futter und nimmt sie zu dem selbst festgelegten Verkaufspreis zum Schlachthof wieder mit. Der Landwirt hat kein Mitspracherecht bei diesem Preis.

Mit der industriellen Geflügelzucht verdiente mein Vater einen Franc pro Huhn. Das heißt, fast nichts! Um den auf dem Hof angebauten Weizen optimal nutzen zu können und nicht von der Versorgung durch die Genossenschaft abhängig zu sein, entschied er sich schon bald, parallel dazu Freilandhühner zu züchten. Natürlich war das Fleisch von besserer Qualität und damit teurer für die Verbraucher, aber für meinen Vater, als Landwirt, war die Arbeit vor allem viel erfüllender.


Eine Aussage eines Freundes und Nachbarn von Thomas (Anthony Bajon), Pierres Sohn, verdeutlicht die Missgunst der Nachbarschaft gegenüber dem neuen Gebäude.

Es war wichtig, diese Rivalität zu vermitteln, die sich zwischen Bauern abspielt. „Ah, ihr erweitert euren Hof ...“, sagt Rémy zu Thomas und wir erkennen sofort die fehlende Solidarität unter den Bauern. Es gibt eine Menge Eifersucht. Es geht darum, wer den modernsten Betrieb hat oder wer den anderen auffrisst. Benachbarte Landwirte streben danach, das Land des einen oder anderen zu übernehmen, eben um mehr und mehr zu besitzen. Landwirte können sich gegenseitig schlimme Dinge antun ... Ganz zu schweigen von den böswilligen Gerüchten, die von eben diesen Nachbarn in die Welt gesetzt werden.


Die Reaktion von Pierres Vater Jacques, gespielt von Rufus, als er das neue Gebäude besichtigt, ist alles andere als ermutigend. Die gleiche Einstellung findet sich auch beim Vater von Sébastien, dem portraitierten Bauern in „Les Fils de la Terre“.

Dies ist ein Teil der Hofübergabe. Die meisten Patriarchen, die ich kennengelernt habe, sind wie er. Trotz allem gibt es viel Liebe zwischen Pierre und seinem Vater. Er ist rührend, Jacques ist sogar manchmal lustig. Aber, wie alle alten Männer seiner Generation, hat er keine Ahnung von Psychologie und kann sich nicht zurückhalten, seinem Sohn einen auf den Deckel zu geben. Das Problem ist, dass beide nicht wissen, wie sie miteinander reden sollen, geschweige denn „Ich liebe dich“ sagen.


Ist Jacques‘ Problem nicht auch, dass er Schwierigkeiten hat, seinen Hof loszulassen?

Wir beschäftigen uns immer noch mit der Frage der Übergabe. Einige Zuschauer sind sogar überrascht, dass er ihm den Hof verkauft. Er verkauft an seinen Sohn? Zum vollen Preis? Aber ja! Warum sollte er in der Landwirtschaft sein Arbeitsgerät verschenken? Wie rechtfertigt man das gegenüber den anderen Kindern? Diese Bauern haben gearbeitet, sie haben ihre Rente aufgebaut, sie haben Kapital angehäuft und verkaufen es, genau wie Handwerker und Ladenbesitzer.


Der alte Mann scheint die Probleme, mit denen sein Sohn zu kämpfen hat, nicht verstehen zu wollen. An seiner Stelle, sagt er, würde es ihm gut gehen, und kassiert weiterhin die Pacht für das Land.

Die Landwirte dieser Generation hatten viel Erfolg. Trotz der Maul- und Klauenseuche im Jahr 1952 und trotz der Dürren, wie Pierres Vater sagt. Und vor allem: Sie haben im Krieg gekämpft. Sie verstehen nicht, dass ihre Kinder zu Medikamenten greifen, um Depressionen zu bekämpfen. Sie haben nur ein Credo: Die Arbeit heilt.


Es gibt viel Zärtlichkeit in der Szene, in der Pierre, als er am Boden ist, seinen Vater zum Mittagessen besucht.

„Worum wolltest du mich bitten?“, möchte sein Vater wissen. „Nichts“, antwortet der Sohn. Er hat sich herausgeputzt, seine Frau Claire hat ihn gebeten, dorthin zu gehen. Er sieht das Porträt seiner verstorbenen Mutter, die bis dahin ein Puffer zwischen ihnen war, und er ist erschüttert. Es ist nicht das Geld, das er braucht, sondern Liebe. Und der Vater kann seine Bedürfnisse nicht erfüllen, sondern sagt einfach: „Es ist nicht so, dass du nicht arbeitest, es ist nur so, dass du falsch arbeitest.“ Das ist eine meiner Lieblingsszenen.

Auch mein Vater ging sehr oft zu seinem Vater. Aber mein Großvater, ein stolzer Mann, der in einem dreiteiligen Anzug und mit dem Hut auf dem Kopf zum Markt ging, war heftiger. Er sagte seinem Sohn, dass dieser ein Taugenichts und er selbst der Beste sei.


Pierres Abstieg in die Hölle ist schrecklich. Sein Hof wird von einem Feuer verwüstet, er selbst wird mit Antidepressiva außer Gefecht gesetzt ...

Der Hausarzt legt ihm sofort eine chemische Zwangsjacke an. Vor zwanzig Jahren hat man sich noch nicht mit alternativen Therapien beschäftigt. Wie Pierre war auch mein Vater stark medikamentös eingestellt.


Beim Gericht, das ihnen eine zwölfjährige Zwangsverwaltung auferlegt, sind Pierre und seine Frau von anderen Bauern umgeben, die sich in der gleichen Situation befinden wie sie. Es ist, als gäbe es für die Landwirtschaft nur noch zwei Lösungen – Zwangsverwaltung oder Selbstmord.

Oder beides. Die MSA (Landwirtschaftliche Sozialversicherung) schätzt, dass in Frankreich alle zwei Tage ein Landwirt Selbstmord begeht. Es sind wahrscheinlich mehr. Seit „Les Fils de la Terre“ erhalte ich regelmäßig E-Mails von Familien, die den Tod eines Angehörigen beklagen. Außerdem wissen wir heute, dass in Frankreich jedes Jahr zehntausend Bauernhöfe verschwinden.


Frauen leisten in diesem Zusammenhang Außerordentliches. Sie üben nebenbei einen Job aus, um alles am Laufen zu halten, kümmern sich um die Kinder, führen die Buchhaltung und sind auch für die Unterstützung ihrer Ehepartner da. Dennoch sind sie immer wieder Zielscheibe von Kritik seitens der Älteren. Wenn etwas schief geht, ist es ihre Schuld.

Für meinen Großvater konnte eine Frau einen Bauernhof nicht bewirtschaften. Er hat meine Mutter nie akzeptiert. Die Frauen auf dem Land haben eine sehr wichtige Rolle: Sie fungieren als Puffer zwischen Generationen, die sich nicht verstehen, die nicht die gleiche Vorstellung vom Beruf haben, zwischen Mann und Sohn. Sie sind Macherinnen. Als Pierres Leben im Film aus den Fugen gerät, braucht es viel Kraft, um mit den Kindern zu einem Psychiater zu gehen und zu beschließen, den eigenen Ehemann einweisen zu lassen. Veerle Baetens, die Pierres Frau Claire spielt, fängt dies wunderbar ein.

Foto:
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Info:
DAS LAND MEINES VATERS (Au nom de la terre)
von Edouard Bergeon, F/B 2019, 103 Min.
mit Guillaume Canet, Veerle Baetens, Rufus, Anthony Bajon
Drama / Start: 18.11.2021