IMG 4676Frankfurter Frauen Film Tage vom 23. bis 28. November, Teil 4

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Mal gleich vorneweg: eine so gute Organisation hat man selten. Die Coronavorsorge, die Akkreditierung, die Karten, das Material, alles klappte wie am Schnürchen und auch das grundlegende Programmbuch war beizeiten gekommen. Die Frauen – überwiegend kamen Frauen – brachten auch noch Herz und Verstand mit, so daß die Stimmung im Studierendenhaus einfach gut war, wo mit der Pupille das Kino residiert, daß seit 1953 in Studentenhand, für solche mittelgroßen Filmfestivals hervorragend geeignet ist.

Mit dem Trailer – könnten wir dafür nicht ein deutsches Wort finden oder erfinden? - ging es los, der auch vor den Filmen in kurzen Szenen die Themen der FRAUEN FILM TAGE festhält. Und dann kam Gaby Babić (Titelfoto), und eigentlich würden wir gerne, statt in unseren Worten ihre Eröffnungsansprache zusammenzufassen, sie lieber per Video selbst sprechen lassen, denn es gibt selten, aber doch immer wieder mal, Situationen, wo nicht nur wohlgesetzte Worte eine Veranstaltung eröffnen, sondern, wo ein Mensch spricht. Das war so ein Moment. Daß uns derzeit, verschärft durch Corona die Welt, die Zukunft, die Natur entgleitet und die Pandemie zum Symptom für die aufzehrende Krankheit Kapitalismus wird, ist keine steile These, sondern Wahrheit, genauso wie Sklaverei, Kolonialisierung und Kapitalismus die Welt zerstören und die Menschen auch, indem Begehrlichkeit geweckt wird nach Dingen, die wir eigentlich nicht brauchen. Das alles war sehr pessimistisch, aber leider auch sehr angemessen.

die vier kuratorinnenDamit hatte Gaby Babić den ersten Punkt gesetzt, die Ausgangslage nämlich, in der wir uns befinden. Der zweite wurde dann das Programm, wo als zentrales Thema Frauenarbeit fungiert, die schon einmal in den Bemühungen der 2. Frauenbewegung der 70er Jahre, hinsichtlich zweier Stränge angegangen wurde. Das ist zum einen die Beschränkung, die Frauenarbeitsplätze hinsichtlich ihrer Sinnhaftigkeit und Aufstiegschancen haben, wie auch die der Bezahlung, die noch immer überdeutlich Männern hinterherhinkt und man sich schon fragt, warum eine vierte und fünfte Frauenbewegung zwar die Sprache gendern will, aber an den sozialen Verhältnissen kaum anknüpft, was natürlich auch daran liegen kann, daß gut ausgebildete Frauen ihre Geschlechtsgenossinnen in abgehängten sozialen Schichten wenig wahrnehmen. Das sagte nicht Gaby Babić, das ist meine Vermutung.

Gaby Bobic sagte etwas anderes, etwas Persönliches und das waren die stärksten Worte an diesem Abend. Sie bezeichnete sich, die als Kind zweier Gastarbeiter aus dem ehemaligen Jugoslawien hier geboren wurde, als diejenige, die durch das damalige deutsche (präsizer müßte man sagen: das hessische) Bildungssystem gefördert wurde, das eben auch Klassenaufstieg zuließ. Und auch das Folgende sagte sie nicht, gehört aber meiner Meinung nach hinzu, daß nach dem Anschluß der DDR an die BRD oder auch der Übernahme der DDR durch die BRD, es mit den Bildungschancen hierzulande erst mal den Bach runterging. Denn im Osten wollte man nichts lieber als das bayerische Gymnasium auferstehen lassen, was die Gesamtschulen Hessens zu Bildungsverlierern machte, wo doch das Ziel, Kinder aller sozialen Schichten zusammen groß werden zu lassen und jeden individuell zu fördern, auch, wenn das von zu Hause aus nicht geschah, die einzige demokratische und menschliche Alternative wäre.

Was allerdings sozialer Aufstieg bedeutet und wie er in den Knochen steckt, dazu sagte die Leiterin des Festivals dann doch etwas und sehr Eindrückliches zur Unsichtbarkeit von Frauenarbeit, von Frauen, deren berufliche Tätigkeit sich auch heute zwischen sichtbar und unsichtbar bewege. Sie drückte ihre Verbundenheit und Solidarität aus mit den Putzkolonnen und stellte fest, daß diese Menschen heute Abend nicht im Publikum sitzen, daß sie sowieso kaum ins Kino gehen. Auf jeden Fall will REMAKE die harte Arbeit von Frauen, die im Hintergrund stattfindet, ans Licht auf die Leinwand bringen. In der destruktiven Arbeitsgesellschaft müßte jede jegliche menschliche Arbeit eine Sorge um das Leben und die Natur sein. „ES LEBE DAS KINO“, schloß sie.


besserMitkuratorin Karola Gramann ( dritte von links) konnte für sich und Heide Schlüpmann (vierte von links) , die die Asta Nielsen Kinothek aufgebaut hatten, sagen: „Wir Alten sind froh, daß das Gaby das jetzt macht.“ Und sie konnte hinzufügen, daß nach der Arbeit oder auch als Protest gegen die Arbeit auch das Vergnügen komme, was mit dem Festivalschwerpunkt: UNGENIERTE UNTERHALTUNG angedeutet ist, den Heide Schlümann vorstellte. Den Verweis auf die gewissermaßen Gala der Frauen Film Tage hatte Karola Gramann für den Donnerstagabend vorgenommen, wo im Schauspielhaus Frankfurt ein CineConcert stattfindet: Stummfilm und Welturaufführung neuer Filmmusik zu SHOES, dem 1916 von der US-Amerikanerin Lois Weber gedrehten 57 Minuten langen Film, einem Stummfilm über ein Ladenmädchen, zu dem Maud Nelissen eine Komposition aus Klavier, Sopran- und Altsaxophon sowie Cello geschrieben hat, die uraufgeführt wird.



hessenfilkmIhr folgte als Rednerin Anna Schoeppe (rechts), die seit Mitte 2020 die neue Geschäftsführerin von HessenFilm und Medien ist. Sicher hätte sie bei einer anderen Veranstaltung nicht damit begonnen, was es bedeutet, als berufstätige Mutter zweier kleiner Kinder in der Pandemie seinen, besser: ihren Beruf auszuüben. Aber hier ist eben Raum für das Wesentliche. Sie verwies bei allen Schwierigkeiten, die Corona in ihrem persönlichen und beruflichen Umfeld mit sich bringe aber darauf, daß ihr bewußt sei, daß sie dies in einer privilegierten Lage äußere. Es sei nämlich äußerst wichtig, von wo aus man auf den Bereich Frauen, Arbeit, Film gucke. Unter dem Festivalzitat : „weil nur zählt, was Geld einbringt": Frauen, Arbeit und Film, habe es, seit Corona wüte, für Frauen massive Rückschritte gegeben. Auch das weibliche Filmschaffen geht zurück.


Das war das rechte Stichwort für Linda Karrenbauer, die als Vertreterin von Gabriele Wenner für das Frauenreferat der Stadt Frankfurt am Main sprach und absolut gut drauf war in ihrer direkten Ansprache, mit der sie gemeinsames solidarisches Handeln einforderte. Was feministische Kulturarbeit ist, wissen die Frankfurter Frauen, die am Donnerstag, 25. November auch den Tag der Gewalt gegen Frauen ausrichten. Es gehe immer um das Ringen der Definitionsmacht, welche Perspektiven gesehen werden und welche gehört. Für sie ist das Kino der Raum der Widerständigkeit und sie wiederholte die Zahlen, die nicht nur den Gehaltsunterschied zu Männern aufdecken, sondern auch im Filmgewerbe:

 -daß nur jeder fünfte Film von einer Frau gedreht wird
- daß bei Produktionen ab 5 Millionen sich das halbiere un dnur noch zehn Prozent Regisseurinnen dabei sind
- diesen Zahlen steht gegenüber, daß der Anteil der Filmhochschulabsolventinnen bei über 40 Prozent liegt.

Und im Fernsehen könne man beobachten, daß die hochgeschätzten „Experten“, die befragt werden, überwiegend Männer sind. „Schafft Räume für Widerständigkeit“, war ihr Wunsch.

Zum Abschluß sprach Nadia Ermakova für das Kollektiv der ada_kantine. Das ist eine Einrichtung in der Mertonstraße 30, die auf ehrenamtlicher Arbeit beruht und vegane und vegetarische Gerichte anbietet, ganze Menüs, die auf der Basis von Spenden verzehrt werden. 200 Frauen und Männer sind auf diese Weise tätig und nach anfänglich 40 Gästen, konnten 178 Gäste versorgt werden.

Fotos:
©Redaktion

Info: