Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 25. November 2021, Teil 9
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Man kann und darf zu diesem Film jede Meinung haben, aber zwei Einschätzungen drängen sich vor: Wenn man Aretha Louise Franklin (25. März 1942 – 16. August 2018) als Mensch und als Sängerin richtig kennenlernen will, taugt der Film wenig. Aber wenn man am Beispiel der Aretha Franklin das schwierige Leben einer schwarzen Frau in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den USA, die um ihr Leben singt, erfahren möchte, sind Sie genau richtig.
Doch, lassen Sie sich nicht irre machen von denen, die der schauspielerischen Verkörperung der Aretha vorwerfen, daß sie nicht wie diese singe! Auch Jennifer Hudson singt so, daß sie die über zwei Stunden als reine Musik empfinden, wozu hinzukommt, daß Aretha Franklin noch zu ihren Lebzeiten sich Jennifer Hudson als Darstellerin von sich selbst wünschte. Das ist das stärkste Plus für diesen Film, der nicht die strahlende Sängerin in ihrer Hochform zeigt, sondern erst ein kleines schwarzes Mädchen, das schon in einer rigiden religiösen Umgebung um ihr Leben singt und dann den Aufstieg einer schwarzen Stimme sowohl sozial wie musikalisch vollzieht, wobei der Film keine Unklarheit läßt, wie schwierig ein solches Leben und mit welchen Opfern ein solcher Aufstieg einhergeht. Der Film umfängt also Kindheit und aufkommenden Ruhm Aretha Franklins über rund 20 Jahre von 1952 bis 1972. Das ist die Zeit der Rassenunruhen, die Zeit des Wirkens von Martin Luther King und seiner Ermordung, die sowohl als Spielfilm wie auch mit Dokumentaraufnahmen die Zeit wiedergeben. Wirklich heiße Zeiten also und gleichzeitig das Aufkommen einer ganzen Generation von schwarzen Sängerinnen mit ans Herz gehender Stimme und einem Repertoire, das sich wie bei Aretha Franklin mehr und mehr religiös begründet und sie zur Königin des SOUL macht. Daß sie diejenige Sängerin war, die bei der Amtsübergabe an den neuen, den ersten schwarzen Präsidenten der USA 2009 vor den jubelnden Massen sang, sagt genug über ihre gesellschaftliche Bedeutung aus.
Sie hat sich nicht aus der Gosse nach oben gesungen. Fast ein wenig zu aufdringlich dokumentiert der Film das gehobene, mehr als gutbürgerliche Leben im recht luxuriösen Haus ihres Vaters, eines Baptistenpredigers (Forest Whitaker), wo im übrigen bei den abendlichen Partys – ja so war das in den 60er und 70er Jahren! - sehr viele Weiße sich unter die grundsätzlich schwarzen Gäste mischen. Bei diesen Abendgesellschaften hört Aretha (( Skye Dakota Turner ) hinter der Tür zu und hat ihre ersten Auftritte am Klavier. Sie singt auch im Chor des Vaters, Reverend Franklin, in der Kirche mit. Sie kommt sofort gut an, aber ihre, vom Vater, von der Familie getrennt lebende Mutter, ist diejenige, die als Sängerin und Pianistin der Tochter eine richtige Ausbildung zukommen läßt, aber früh stirbt und das Mädchen mit ihrem sehr dominanten Vater alleine läßt. Man ist sich bei dem Nußknackergesicht, das Whitaker mit grinsenden Zähnen zeigt, nie sicher, ob das wirklich ein Lächeln ist, oder die Nuß gleich geknackt wird. Die Rolle bleibt bis zum Schluß undurchsichtig und verstärkt ein Unbehagen, ob man der Situation, in der sich das kleine Mädchen befindet, nicht doch schlimmer bewerten müßte. Das sind alles sehr interessante Szenen, wie sich das Kind in das Leben der Erwachsenen durch Singen integrieren will. Aber dann gibt es Bilder, bei denen einem der Atem stockt, alles nur Andeutungen, aber was für welche! Da ist ein netter junger schwarzer Mann, der sich, als sie nach ihrem abendlichen Auftritt ins Bett geschickt wird, die Türe zu ihrem Zimmer aufmacht. Schnitt.
Später, viel später sieht man in einer kurzen Einblendung das Mädchen mit dem Bauch einer Schwangeren??? Es kommen noch weitere Szenen mit Übergriffen. Aber so dezent kann man das bei einer so berühmten Sängerin einfach nicht machen, das ist unter den Teppich gekehrt und es ist doch albern, daß man nach dem Film dann noch recherchieren muß und entsetzt wahrnimmt, daß dieses Mädchen mit doch so stark regulierendem Vater mit 12 Jahren eine Schwangerschaft austragen mußte und mit 14 Jahren erneut ein Kind gebar. Da kann man ja von Kindheit und Jugend überhaupt nicht mehr sprechen und die tiefe Trauer, die die ab 18 Jahren von Jennifer Hudson gespielte Aretha Franklin umgibt, ist mehr als verständlich. Und die Rolle des doch durch Kontrollsucht auffallenden Vaters wird noch undurchsichtiger.
Der Film konzentriert sich auf Arethas Karriere, wogegen wir ja nichts haben, wenn die Grauzonen gleichzeitig nicht so grau blieben. Es sind immer wieder Männer nötig, die sie an potentielle Produzenten bringen, denn das Gesungene aufzunehmen und als Platten in die Welt zu tragen, ist das Ziel aller jungen Musiker. In einer Band mit weißen Musikern hat sie in Alabama dann ihren ersten großen Erfolg. Und alle diese Szenen sind es, was die Stärke dieses Films ausmacht. Man kann eigentlich die über zwei Stunden (!) hindurch die Augen zumachen und nur zuhören, und hat was davon!
Sehr gut und gar nicht nachgemacht, kommen auch alle die Proben rüber, in denen sich das musikalische Geschehen in diesem Moment durch das Aufeinandereingehen der verschiedenen Musiker ergibt. Ach so, stimmt, da ist es schon besser, die Augen aufzubehalten, weil man verfolgen kann, welcher Ton oder welches Instrument gerade einen anderen zum Variieren oder Brillieren bringt. Ein richtig guter Musikfilm. Aber doch ein sehr verwaschener persönlicher Film über das Leben der Franklin, das, was man albern Biopic nennt. So wird zwar ausführlich dargestellt, wie Aretha ihren ersten Ehemann gegen den Willen ihres Vaters heiratet und ihr dann das widerfährt, was Allerweltsschicksal in solchen Filmen von schwarzen Frauen ist: es ist der Falsche, was sich zeigt, als sie erfolgreich wird, denn er bleibt die kleine Nummer, will sich aber jetzt auf ihre Kosten zur großen stilisieren: Alkohol, Schlagen, Scheidung.
Was einen verwundert, ist, daß dieser Film so schnell auf den wirklich berührenden Dokumentarfilm AMAZING GRACE von 2018 folgt, der auch auf der Berlinale einen großen Erfolg hatte und nur ein Konzert in zwei Teilen in der Kirche wiedergibt, in der die immer sehr der Religion verhafteten Aretha Franklin auftrat. Dort hört man sie ununterbrochen selber, das ist schon noch einmal etwas anderes. Aber noch mal, musikalisch ist auch dieser Film keine Konserve, sondern lebendig und zeigt die Sängerin so, wie es ihr Ehrentitel QUEEN OF SOUL ausdrückt.
P.S.
Regisseurin ist die südafrikanische-Us-amerikanische Liesl Tommy, die, so dachte ich es mir, immerhin die mehrfache Vergewaltigung eines Kindes kurz ins Bild bringt, aber keinen Raum hat oder sich nimmt, ernsthaft darüber die Zuschauer zu informieren und mitzuüberlegen, welche Folgen das für einen jungen Menschen haben muß.
Was mir auch unverständlich blieb, warum man das soziale und politische Engagement der Künstlerin so unter den Teppich kehrt, bzw. dort liegen läßt. Einmal taucht der Name Angela Davies auf, der doch auch in Deutschland in und nach der Studentenbewegung die Gemüter, den Verstand und die Herzen bewegte, wie diese junge amerikanische Frau Wahrheiten aussprach. Einmal also verteidigt sie im Film Angela Davis. Das war's. So kann man mit einem Leben und einem politischen Engagement nicht umgehen. So unverbindlich.
Foto:
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Info:
Respect
Regie:
LIESL TOMMY
Drehbuch:
TRACEY SCOTT WILSON
Schauspieler
Aretha Franklin JENNIFER HUDSON
Reverend Cl. Franklin FOREST WHITAKER
Ted White. MARLON WAYANS
Jerry Wexler MARC MARON
Aretha (jung) SKYE DAKOTA TURNER
Erma Franklin SAYCON SENGBLOH
Carolyn Franklin HAILEY KILGORE
Ken Cunningham ALBERT JONES
Mama Franklin KIMBERLY SCOTT
Reverend James Cleveland TITUSS BURGESS
Barbara Franklin AUDRA MCDONALD
Dinah Washington. MARY J. BLIGE
Martin Luther King. GILBERT GLENN BROWN
Rick Hall MYK WATFORD
Länge: 147 Minuten
Verleih: Universal