Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 25. November 2021, Teil 13
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Man sollte diese Besprechung zusammen mit dem Bericht über die Premiere lesen, denn die Fragen, für welches Publikum ein Museumsfilm gemacht wird, für wen konkret dieser Film über das weltberühmte jahrhundertealte Museum aus Florenz gefertigt wurde, die Uffizien, entstanden aus den Büros der Medici, in denen seit 1581 deren herrliche Kunstsammlungen seit der Renaissance als Grundstock hängt, eines der Weltmuseen der Kunst.
Für wen also? Diese Frage beantwortet der Film eindeutig. Aber die Antwort geht auch aus den Ausführungen der Regisseure zum Film hervor, wenn sie formulieren: „Es geht uns um die Anstrengung aller. Ihnen, den Mitarbeitern der Uffizien und ihrem Direktor ist unser Film gewidmet. Wir folgen Eike Schmidt, den Architekten, den Führerinnen, der Assistentin, dem Hausmeister, dem Bibliothekar, der Restauratorin, den Malermeistern oder der Saalaufsicht bei ihren täglichen Aufgaben und behalten dabei immer auch die Bilder im Blick. Und so mischen wir uns wie der Flaneur der Großstadt , ist damit die Struktur des Film wiedergegeben.
Es gibt also Handlungsstränge, die mit dem deutschen Direktor Eike Schmidt und den amerikanischen Förderern – nicht Sponsoren, finanztechnisches Problem – beginnen. Da kommen die wohlgesitteten, gut gekleideten, hauptsächlich weiblichen Freunde, also Freundinnen der Uffizien aus den USA und werden vom Direktor erst zu den Räumen geleitet, die dank ihrer Geldspenden wieder strahlend sind. Aber natürlich nimmt er sie dann auch in die Museumssäle mit, wo die Wände abblättern, der Boden kaputt ist, und eine Generalsanierung ansteht, die wünschenswerterweise amerikanische Unterstützung brauchen könnte.
Den ganzen Film über agiert Eike Schmidt in einem Mischung aus Hausmeister und Kommunikator. Das ist auch interessanter darzustellen, als seine nächtlichen Schreibtischarbeiten, die es eben auch gibt, von Katalogbeiträgen und weiterer kunsthistorischer Arbeit abgesehen. Der Direktor zeigt hier die antreibende und koordinierende Tätigkeit, die nötig ist, solch ein großes Haus sicher durch den Museumsdschungel zu geleiten, denn der Ruf des Hauses bleibt nur, wenn die Besucher zufrieden, die Ausstellungen erfolgreich und der Museumsbetrieb reibungslos läuft. Daß rund 2, 2 Millionen Menschen jährlich die Uffizien besuchen und über vier Millionen die drei größten Museen der Stadt, ließ Schmidt nur nebenbei einfließen.
Zum Vergleich, der von uns ist: das meistbesuchte Museum Deutschlands ist das Deutsche Museum, ein Technikmuseum in München mit 1.445.888 Besuchern (2018). Erstaunlicherweise sind die Häuser, die über eine Million Besucher haben, die historischen Museen in Berlin, Topographie des Terrors und Gedenkstätte Berliner Mauer, das Pergamonmuseum hat als archäologisches Museum mit 800 000 Besuchern den achten Rang, es folgen weit abgeschlagen die kunsthistorischen Museen, das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg (435 581) und die Kunsthalle Schirn in Frankfurt am Main (401 514), gefolgt von denen, deren Marke über 300 000 Besuchern liegen, wieder Frankfurt mit dem Städel in Frankfurt (390 532) und das Senckenberg Naturmuseum (388 143) vorne.
Ein weiterer Strang, der sich durch den Film zieht: wenn der englische Bildhauer Antony Gormley in den Uffizien erstmals eintrifft, der Direktor ihn begrüßt (beide ihm Bild rechts) , ihm den Raum zeigt, in dem seine Skulptur stehen sollen und wir den Film über immer wieder die Diskussionen über den Standort einer speziellen Figur und Veränderungen im Raum hören und der Künstler schließlich den sinnvollen Kompromißvorschlag des Direktors akzeptiert. Wir sehen dann eine einsame Gestalt vor den Fenstern der Uffizien, an der die Besucher völlig unbeeindruckt vorbeigehen. Viel Lärm um nichts, wäre gemein, aber viel Lärm um zu wenig, schon angemessen. Schade, daß die deutschen Filmemacher den Engländer nicht auf Deutsch ansprachen. Wäre interessant gewesen, ob er darauf antworten könnte, denn Gormleys Mutter ist Deutsche und er hatte hierzulande nicht nur Ausstellungen, sondern auch Käufer.
Eingerahmt sind die jeweiligen Erzählstränge durch das Spazierengehen über bestimmt, auch öfter auftauchende Inkunabeln der Sammlung. Daß Andreas Commodis ‚Engelssturz‘ (rechts) dazugehört, ist eher neu, denn es befand sich im Depot und wird nun in aller Pracht und Wandgröße, was auf der Kinoleinwand füllend ist, gezeigt. Dieser in Florenz geborene italienische Maler des Frühbarock (1560-1638) hat schmerzlich zum Ausdruck gebracht, was Hybris anrichtet, klar, daß einem dabei Corona in den Sinn kommt und auch, welche Glück alle Beteiligten und wir auch haben, daß die Dreharbeiten direkt zum Aufkommen der Pandemie abgeschlossen waren.
Ein weiterer Strang, der den Film durchläuft, ist das Neuaufhängung der „Venus von Urbino“ (Titelbild), eines der tollen Tiziangemälde, 1538, der in meinen Augen sowieso der bester Maler der Welt ist (!). Da wird endlich auch kunsthistorisch diskutiert, denn das Werk ist eine Auftragsarbeit zu einer Hochzeit und längst nicht vollständig gedeutet. Die Dame ist nackt und schön auch. Das Gemälde mit den Maßen 119,0 x 165,0 Zentimetern bekommt einen neuen Hintergrund, wie andere Bilder auch. Ein gewisses Grün, das an Stoff erinnern soll. Nach zwölfmaligen Auftrag ist der Direktor noch nicht ganz zufrieden. Diese neue Aufhängung ist Ausfluß einer Neuordnung von Sälen, die renoviert werden mußten, was man nutzt.
Spannend und bewegend auch, die Ausführungen einer Führerin (links:Donatella Chiari) zur Schulklasse, die sich nicht scheut, sich auf den Boden zu legen und die Schüler dazu auffordert, da nur dann die Deckengemälde überhaupt richtig angeschaut werden können. Auch ihre anderen Ausführungen sind so anregend, daß man gleich aus dem Kinosessel aufstehen und in die Uffizien eilen möchte. Na und dann erst die Ausführungen des Meisters der Vergangenheit, des Leiters der Bibliothek, der über das Haus so viel weiß, wie wohl keiner sonst. Wir sehen und hören aber auch von den verbrecherischen Absichten der Nazis, die sich auch diese italienische Hochkunst unter den Nagel reißen und nach Deutschland verschleppen wollten. Aber auch von den im Krieg leergeräumten Uffizien und den Bombardierungen. Aber auch Karl V. kommt vor, der deutsche Kaiser hatte erfolgreich Oberitalien belagert und den angreifenden Feind, den französischen König Franz I., mit dem einige italienischen Stadtstaaten verbündet waren, besiegt. Florenz war auf der Verlierereite.
Man müßte noch auf so vieles eingehen. Erst beim Niederschreiben merkt man, wie vielfältig der Film tatsächlich die verschiedenen Funktionen und Arbeitsweisen eines Spitzenmuseums deutlich macht und damit auch ein Abbild der Normalität zeigt. Kein geschöntes Bild, auch kein hinterfragendes, sondern ein dokumentierendes! Das Schockierendste sind eigentlich die Besucher, die nicht mit den Augen, sondern mit dem Handy durch die Uffizien laufen und deren Befriedigung in den Klicks liegt, wie es irrsinnig vor allem die Aufnahmen vor Caravaggios ‚Medusa‘ zeigen. Natürlich sind die wunderbaren Gemälde das Eigentliche. Aber über die gezeigten und die nicht gezeigten wollen wir nicht sprechen, denn die muß man mit eigenen Augen ansehen. In diesem Sinne ist der Film auch eine erhellende Werbung für den nächsten Italienaufenthalt in Florenz: in den Uffizien, wenn Corona vorbei ist.
Foto:
©Verleih
Info:
Ein Film von CORINNA BELZ und ENRIQUE SÁNCHEZ LANSCH
Mit EIKE SCHMIDT – Direktor Uffizien
ALBERICA BARBOLANI DA MONTAUTO – Referentin der Direktiom
CLAUDIO DI BENEDETTO – Leiter der Bibliothek
ANTONIO GODOLI – Leitender Architekt
NICOLA SANTINI – Architekt
ANTONY GORMLEY – Bildhauer, Turner-Preis 1994
OCEAN MIMS – Assistent von Antony Gormley
DEMETRIO SORACE – Verantwortlich für das Depot der Uffizien u.a.
96 Minuten
Anlaufen am 25. 11. 21