hexeVERSO SUD 21 im Frankfurter Deutschen Filminstitut & Filmmuseum (DFF), Teil 8

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Zwei Fliegen mit einer Vorstellung geschlagen! So sieht es am Sonntag um 15 Uhr im Kino des Filmmuseums aus, als, von vielen kleinen Kindern besucht, auf der Leinwand die Hexe mit ihrem Besen zu fliegen anfängt. Hoch in die Luft. Zuerst aber mußten viele der Kleinen erst einmal ein sehr dicken Kissen unter den Po bekommen, damit sie die Leinwand über den Sitz des Vorsessels überhaupt sehen konnten. Wirklich einfühlsam und zügig zugleich, wie das von Pramila Chenchanna für das Filmmuseum abgewickelt wurde.

lehrerin bef_–Als wahrscheinlich einzige Erwachsene, die ohne Kinder anwesend war, hätte ich dem Film gar nicht kritisch folgen müssen, sondern nur die Jubelschreie, das Lachen, das ängstliche ‚Nein‘ vieler Kinder als Aussagekriterium für eine Filmkritik nehmen können. Der Film gefiel und zufriedene Kinder gingen nach Hause in einen naßkalten November, der bald in den Dezember übergeht. Darum liegt die WEIHNACHTSHEXE auch auf der Hand, aber was das mit den Fliegen zu tun hat, ist leicht erklärt. Der Film gilt doppelt. Er gehört hinein ins Festival des italienischen Films VERSO SUD und die WEIHNACHTSHEXE ist gleichzeitig Teil des Kinder- und Jugendlichenprogramms, das, ich gebe es zu, ich bisher überhaupt nicht so richtig als eigenständige Reihe zur Kenntnis genommen hatte.  Der Fehler passiert mir nie wieder, denn in dem kleinen übersichtlichen Faltblatt für die letzten drei Jahresmonate sticht der November mit vier Filmen heraus, zu denen also auch die WEIHNACHTSHEXE gehört, die allerdings auch schon am Freitag, 26. November aufgeführt wurde – so viel zu den zwei Fliegen, die allerdings anders gemeint waren.

Das Schöne an der Geschichte von der so menschlichen Hexe, ist die Gradlinigkeit, mit der man ihr folgen kann, wenn man weiß und fest daran glauben kann, daß die Welt unerklärlich ist. Für Naturwissenschaftler und andere, einfach zu erwachsene Leute, wäre sie nicht angebracht. Aber wir konnten allem folgen, wenn wir erst einmal den Zusammenbruch des Hexenwesens erleben, wo der Besen, denn die besonders langnasige Hexe Befana durch die Lüfte führt, seinen Geist aufgibt, nicht mehr funktioniert und sie mit lautem Platsch unsanft auf die Erde fliegt. (Interessant, wir sprechen vom Fliegen, wenn sie auf dem Besen in der Luft reitet, aber auch vom Fliegen, wenn sie am Boden landet, was ja eigentlich das Gegenteil vom Fliegen ist!)

Die Grundgeschichte ist einer alten italienischen Legende geschuldet und spielt in den Tagen vor dem 6. Januar, dem Dreikönigstag, der in allen katholischen Ländern ein großer Feiertag ist. Nicht nur in Italien wurden traditionell dann die Kindergeschenke gebracht, eben von der Hexe Befana, was durchaus Bezug zu den Geschenke der Heiligen aus dem Morgenland für das neugeborene Kind hat, von dem sie als Weltenherrscher eine Veränderung dieser Welt erwarteten. Übrigens, Befana bringt nur braven Kindern Geschenke. Schließlich gehört so was ja zum Teufelszeug bürgerlicher Moralerziehung. Und wenn einer keine Geschenke bekam,  wird das hier noch Auswirkungen haben.

Aber darauf kommt es im Moment nicht an, denn die entscheidende Figur, die mit der Hauptrolle, ist Paola, die nur in der Nacht zur ziemlich häßlichen, aber witzigen Hexe Befana wird, am Tag jedoch die äußerst hübsche und ach so beliebte Grundschullehrerin ist, die von ihren Schülern gemocht wird. Und wie!

Warum Mr. Johnny tatsächlich Befana, kurz vor ihrer Geschenktour durch die Lüfte, entführt, das versteht nur, wer weiter zuguckt und zuhört, denn dann entpuppt sich der Unhold als in Kindheit Befanageschädigter , ja, so ist es auch. Ob er deshalb Spielzeugfabrikant wurde, ist nicht wichtig. Wichtig ist es, Paola zu befreien. Und das nehmen sich die sechs Schüler vor, die die Entführung miterleben.

Jetzt geht die Post ab. Denn Kinder sind schlau.

Das ist ein hübscher Film, der elegant die Kurve kratzt zwischen alter Legende, modernen Fantasyfilmen und einer Glaubwürdigkeit, die einfach da sein muß, denn es gibt kaum kritischere Zuschauer als Kinder, wenn man ihnen ein X für ein U vormachen will. Aber diese Mischung aus Gegenwart, also Realität und wünschenswerter Phantastik ist einfach unwiderstehlich.

Für den Erwachsenen sind noch andere Dinge interessant. Denn natürlich hängt eine Befana, die am 6. Januar Geschenke verteilt, mit der weiteren Bezeichnung für diesen Tag zusammen, der Epiphanie, auf Italienisch Epifanía, der Tag der Sichtbarwerdung Gottes, was durch die Heiligen Drei Könige und ihre Gratulation zur Geburt Jesu evoziert wurde. Sie kommt immer zu spät, hat manches verbaselt und ist deshalb vom 5. auf den 6. nachts unterwegs, damit am Dreikönigstag/Tag der Epiphanie die Geschenke für brave Kinder bereit liegen. Ach, so gute Hexen könnte man auch im Alltag brauchen. 

Foto:
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Info:
La Befana vien di Notte, Unsere Lehrerin, die Weihnachtshexe
Regie:
Michele Soavi

Darsteller:
Paola     Paola Cortelessi
Johnny  Stefano Fresi
viele italienische Kinder als sie selber

Italien 2018
Im Festival am 26. und 28. November aufgeführt.

ACHTUNG! Da manche Vorstellungen von VERSO SUD ausverkauft waren, gibt es Zusatzvorstellungen :
Mittwoch, 1. Dezember, 18:00 Uhr. ROMA Fellinis Roma.  +  Auf alles, was uns glücklich macht, 20.30 Ihr
Donnerstag, 2. Dezember. 18.00 DIE RAUBTIERE
Freitag, 3. Dezember, 20 Uhr LA DOLCE VITA