gucci 5Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 2. Dezember 2021, Teil 7

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ein prächtiges, blutrünstiges Stück Kino, das zeigt, daß genug Talmi um den Hals geschlungen, ein zu tiefer Ausschnitt verbunden mit zu kurzem Rock, eine Zeitlang auch die Frauen dazugehören dürfen, die qua Geburt doch eigentlich niederer Klasse sind, so lange zumindest, wie sie jung und attraktiv bleiben. Also Geschichten wie aus der Bildzeitung sowie dem Blätterwald, der davon lebt, den bunten Blättern, Geschichten wie aus dem englischen Königshaus und ganz besonders, wenn es um Filme geht, solchen Serien wie DALLAS (1978-1991). Hauptsache steile Frauen gehören dazu, möglichst fiese zumal.

Das soll sagen, es geht in diesem Film überhaupt nicht um Aufklärung, um Wahrheitsfindung, wie es wirklich war, sondern offen wird zugegeben, daß sich Film und die zugrundeliegende Handlung nur an der Guccifamilie orientiert. Also wäre jegliches Suchen nach dem echten Leben unecht, weshalb wir das aufgeben und einfach kommentieren, was sich auf der Leinwand begibt. Da fangen wir mit der Familienübersicht an und zwar deshalb, weil Sie in den Filmrezensionen allen möglichen Unsinn finden: da gibt es in der jüngeren Linie einmal drei Brüder, dann zwei, alles falsch. Keine Brüder. Das Geschäft mit dem Luxus ruft Gründer Guccio Gucci (* 26. März 1881 in Florenz; † 2. Januar 1953 in Mailand) 1921 ins Leben. Sein älterer Sohn Aldo (Al Pacino) führt bis 1986 die Geschäfte. Sein jüngerer Sohn Rodolfo (Jeremy Irons) lebt in seinem Luxus old style zurückgezogen.

Beide haben je einen Sohn: Paolo (Jared Leto), der wie der Vater im Gucci-Geschäft tätig ist, aber gerne als Designer glänzen möchte, und Maurizio (Adam Driver), der Jura studiert. Genau diesen hat sich Patrizia Reggiani (Lady Gaga) ausgesucht, als sie ihm 1970 zufällig begegnet. Sie selbst, von Anfang an aufgebretzelt, immer wieder an der Grenze von gutem Geschmack, also potentiell ordinär und vulgär, gerne die Komplimente als neue Liz Taylor goutierend, ist die tüchtige Tochter eines LKW-Transportunternehmers, dem sie als Sekretärin zur Hand geht. Noch tüchtiger ist sie in der Familien- und Guccigeschäftsplanung. In Patricia gehen Gefühl und Geschäftssinn Hand in Hand. Das gilt am Anfang, als sie sich in Maurizio verliebt, das gilt am Schluß, als er sich entliebt, eine Neue hat und in ihrem Auftrag erschossen wird. Warum sie nur 29/26 Jahre Gefängnis erhält und sogar nach 18 Jahren entlassen wird, ist nicht mehr Thema des Films und auch nicht, daß in Italien – anders als in Deutschland – das Erbrecht nicht automatisch erlischt, wenn man an das Erbe durch Mord gelangte. Sie hat als Gucci-Witwe heute viel davon. Wundern darf einen das schon.

Aber schon wieder sind wir in der Wirklichkeit, an die sich der Film doch nur anlehnt. In dieser Seifenoper, die sich alle anschauen sollten, die so was lieben und die anderen besser gleich sein lassen sollten, ist von allem zuviel: zuviel der geschäftlichen und der familiären Intrigen, die dazuführen, daß heute Gucci nicht mehr der gleichnamigen Familie, sondern das Label Gucci dem weltgrößten Luxuskonzern gehört, dessen bisheriger Geschäftsführer Bernard Arnault (jetzt der Sohn) ausgerechnet mit der Frau verheiratet ist, die als Pina Auriemma (Salma Hayek) langjährige wahrsagende Vertraute von Patrizia, das Mordkomplott befeuert und durchführen läßt. Also haut schon wieder die Wirklichkeit die gewollte Fiktion um. Von gutem Geschmack zeugt das nicht. Aber wer den erwartet, wäre im Film sowieso falsch. Er ist eine Ode an die Geschmacklosigkeit, dieser Film, der so perfekt Talmi und Tand vorführt und dessen Hohepriesterin Lady Gaga wird.

Sie macht das wirklich hervorragend. Der Film bleibt in ihrem Gefühlsleben, sieht die Geschichte aus ihrer Sicht. Wie sie diesem langen, schlaksigen, unsicheren Kerl Maurizio erst mal Leben einhaucht, wie sie dessen väterliche Villa sowie den Vater Rodolfo selbst mit einem Blick als gestrig einschätzt, aber auch als betucht. Und dann sind wir selber dran, denn wenn sie mit Blick auf ein Gemälde von Gustav Klimt zum Hausherrn ‚Ah, ein Picasso‘ sagt und es damit mit Rodolfo für immer verdorben hat, während das gebildete Kinopublikum aufstöhnt oder lacht. Denn natürlich sind wir so, daß wir für eine solche Person, die einen Klimt nicht erkennt und – noch schlimmer – für einen Picasso hält, nur Verachtung übrig haben. Bildungsbürgerliche Verachtung. Allerdings wäre es der Anfang vom Ende, wenn man danach diese Menschen nicht mehr anschaut. Aber so handelt der Vater und so handeln wir alle auch! In der Regel. Nur meint der Film dies gar nicht selbstreferentiell, wir sollen uns nicht an die eigene Nase fassen, sondern die Klassenunterschiede zur Kenntnis nehmen, um um so mehr zu bewundern, wie Patrizia sich diesen Kerl als Ehemann krallt und dann viel Mühe hat, ihn in die Puschen zu bringen, einen echten Geschäftsmann aus ihm zu machen, womit, wenn ihr das gelingt, sie ihn eben auch nicht mehr in der Hand hat.

Der familiären Intrigen, die dann mit auswärtigen Teilhabern fortgesetzt werden, sind so viele, daß man sie nicht im Detail aufführen muß. Hauptrollen spielen Onkel Aldo und Cousin Paolo, die mit Hilfe der angeleierten Steuerfahndung hinter Gittern gelangen. Schauplatz ist schon längst nicht mehr Mailand, hauptsächlich sind wir in New York, aber das ist egal, denn die Wohnung, die Paläste, sehen überall gleich aus, geschmacklos mit all den Luxusdingen ausgestattet, die die Guccis und andere reich gemacht haben, auf Partys bevölkert mit Leuten, die immer noch nicht gelernt haben, mit Alkohol oder gar Drogen oder sogar mit sich selbst umzugehen.

Eine Geschichte in der Geschichte sind die Wahrsagerin und Patrizia. Sie kommt früh als Kundin und glaubt ihr schon deshalb, weil aus dem Gesagten ja immer wieder Wirklichkeit wurde. Nur, diesmal, längst sind sie Freundinnen, da ist die Wahrsagerin verzweifelt, weil die Zukunft von Patrizia rabenschwarz aussieht. Also handeln sie gemeinsam, damit diese besser wird. Für den Mord sitzt die echte Pina Auriemma noch im Gefängnis, deren Schauspielerin wird sich nach den Dreharbeiten in ihrem privaten Reichtum hoffentlich wohl fühlen.

Übrigens, so sehr in meinen Augen Lady Gaga als perfekte Interpretin einer sozialen Aufsteigerin und Bestimmerin glänzt, so sehr verliert im Laufe der Geschichte Adam Driver seinen Glanz. In meinen Augen. Er ist am Anfang ein hinreißender schüchterner, ja geradezu gehemmter junger Mann. Aber die späteren Veränderungen in seinem Selbstbild bekommt der Zuschauer nur an seinen Taten – sich Patrizia widersetzen, sie für eine andere verlassen, obwohl ja eine Tochter da ist – mit. Das ist zu wenig und kann man nur dadurch entschuldigen, daß dies nicht ein Film über das HAUS GUCCI ist, sondern ein Film über PATRIZIA REGGIANI, die sich lieber als Frau Gucci anreden läßt, aber die Italiener, auch die Spanier waren dabei immer schon weiter, daß sie den Frauen ihren Geburtsnamen ließen, auch wenn gerade dies dieser Patrizia nicht gefällt. Das alte Sprichwort: Schuster bleib bei deinen Leisten, feiert fröhliche Urständ.

Was der Film wirklich will? Keine Ahnung. Amüsieren Sie sich, wenn Sie können. Warum dem Film allerdings das Prädikat "Besonders wertvoll" verliehen wurde, kann ich mir nur damit erklären, daß hier die Guccifalle zuschlug: Glitzernder Tand wurde für Gold genommen.

Foto:
©Verleih

Info:
HOUSE OF GUCCI
5.1, 7.1, Atmos, DolbyVision Scope 2D
GV, OV & OmU
Regie        RIDLEY SCOTT
Drehbuch.     BECKY JOHNSTON ROBERTO BENTIVEGNA
Nach einer Geschichte von BECKY JOHNSTON
Basierend auf dem Buch von SARA GAY FORDEN
Laufzeit:158 Minuten 29 Sekunden
FSK: ab 12 Jahren
Barrierefrei: ja, AD + HoH
Prädikat: Besonders wertvoll

BESETZUNG             Rolle

LADY GAGA             Patrizia Reggiani.
ADAM DRIVER.        Maurizio Gucci
AL PACINO               Aldo Gucci
JARED LETO.           Paolo Gucci
JEREMY IRONS        Rodolfo Gucci
JACK HUSTON         Domenico De Sole
SALMA HAYEK          Pina Auriemma
YOUSSEF KERKOUR        Nemir Kirdar
CAMILLE COTIN           Paola Franchi
REEVE CARNEY         Tom Ford