das ende des schweigSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 2. Dezember 2021, Teil 8

Redaktion

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Von 1872 bis 1994 stellte Paragraf 175 sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe. Mit der Verschärfung durch die Nazis im Jahre 1935 konnte schon ein „begehrlicher Blick“ jemanden ins Gefängnis bringen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ruhte der Paragraf. Es folgte ein Wiederaufleben schwuler Subkulturen, bis im Sommer 1950 eine Verhaftungswelle die Frankfurter Homosexuellen erschütterte. Mehr als 200 Männer fielen ihr zum Opfer. Ein Großteil von ihnen schwieg ein Leben lang darüber, wie Polizei und Justiz mit ihnen umging. Heute sind diese Ereignisse fast vollständig in Vergessenheit geraten.

Christian Setzepfandt, Historiker, Aktivist und einer der Interviewpartner, kam nach jahrelanger Recherche zu dem Schluss, dass die sogenannten Frankfurter Homosexuellenprozesse eine gezielte Aktion gegen die Schwulen waren. Obwohl kein Geheimnis, dass viele im gehobenen Dienst damals auch nach Ende des Krieges weiterhin in der NS-Ideologie verhaftet waren, können weder Herr Setzepfandt noch die anderen Interviewpartner, darunter Gottfried Lorenz, selbst Opfer des Paragrafen 175, ein erschütterndes Detail nicht widerlegen: Die Verhaftungen beruhten auf geltendem Recht.

Mit einer Mischung aus Interviews und nachgestellten Szenen setzt das Dokudrama DAS ENDE DES SCHWEIGENS den damaligen Opfern der Frankfurter Homosexellenprozesse ein filmisches Denkmal. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Strichjunge Otto Blankenstein. Dieser trug mit seinen Aussagen maßgeblich zu der Verhaftungswelle bei, die für viele Männer fatal endete. Einer seiner Bekanntschaften, die er ans Messer lieferte, ist Wolfgang Lauinger.

Acht Monate mußte Wolfgang Lauinger im Untersuchungsgefängnis ausharren. Als es endlich zum Prozess kam, konnte er Otto Blankenstein, der gegen ihn aussagen sollte, zur Rede stellen. Für Wolfgang Lauinger ging die Geschichte noch glimpflich aus, nicht aber für Otto Blankenstein. Diesem traf später die volle Härte des Gesetzes. Nachdem er als Kronzeuge ausgedient hatte, wurde er zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Was danach mit ihm geschah, weiß niemand.

Hinter dem Film steht van-Tien Hoang. Von den Frankfurter Homosexuellenprozesse erfuhr er erstmals im Jahre 2015. Ein Freund, der später mit ihm das Drehbuch entwickelte, hatte damals auf Facebook Bilder vom Goetheturm veröffentlicht. Unter einem der Bilder wies ein Kommentar auf den Selbstmord von Theodor hin. Aus reiner Neugier stellte van-Tien Hoang Nachforschungen an. So kam er auf Wolfgang Lauinger, dessen Interview ihn zu dem Dokudrama inspirierte.

Foto:
©Verleih

Info:
DAS ENDE DES SCHWEIGENS
Bundesrepublik Deutschland2020
Produzent/Regie Van-Tien Hoang
Buch Van-Tien Hoang, Holger Heckmann
KameraTim Lota
Mitwirkende: Christian Setzepfandt, Markus Velke, Gottfried Lorenz, Horst Tim Riethausen, Wolfgang Lauinger, Conrad Bach, Wolf Marian Gerhardt, Yvo Heinen, Eric Lenke, Marco Linguri, Bernd Lottermann, Thorsten Schmitt, Pierre Siart, Christoph Gérard Stein, Horst Winkelewski
Laufzeit 75 min.
FSK-Freigabeab 12 Jahren
Kinostart 02. Dezember 2021
Kinovertrieb barnsteiner-film

Bücher zum Thema:
Ron Steinkamp: „Eine kurze Geschichte des § 175 in der BRD“
Erwin In het Panhuis: „Eine beispiellose Hetzjagd gegen Schwule in der jungen BRD“