Michael Höfner
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wie sind Sie zum Thema Ihres Films gekommen?
Das war im Sommer 2015. Auf Facebook sah ich Bilder vom Goetheturm, die ein Freund und späterer Co-Autor des Films hochgeladen hatte. Unter einem der Bilder fiel mir ein Kommentar auf, in dem es um den Selbstmord eines 19jährigen ging. Ich fragte, ob der Grund für dessen Selbstmord bekannt war. So wurde ich auf die Frankfurter Homosexuellenprozesse aufmerksam gemacht und wunderte mich, warum darüber noch keine Doku oder Reportage gemacht wurde, weil ich das Thema wahnsinnig interessant fand – die Ereignisse sogar mit der Hexenverfolgung von Salem verglich, die ebenfalls durch Aussagen Jugendlicher ausgelöst wurde und sehr schnell eskalierte.
Wie konnten Sie das Vertrauen Ihres Zeitzeugen gewinnen?
Ich habe ihm einfach zugehört. Herr Lauinger war eine liebenswerte Person. Aber aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, dass er auch sehr einsam war. Er war schon 97, als ich ihn interviewte. War sehr schnell aus der Puste, sodass wir zwischendurch immer wieder Pausen einlegen mussten. Bei einer diese Pausen zeigte er mir in einer Abstellkammer ein paar alte chinesische Bücher und verriet, dass er schon immer eine Faszination für die asiatische Kultur hatte.
Wie lange haben Sie an dem Projekt gearbeitet?
Seit dem Sommer 2015. Im Februar 2020 war die Postproduktion abgeschlossen. Gedreht haben wir von 2015 bis 2019.
Lernen wir wirklich aus der Geschichte? Oder agieren wir wie Puppen, die an Fäden gezogen werden?
Geschichte wiederholt sich, leider auch die Fehler. Wer über ein gewisses Maß an Intelligenz verfügt, kann dazu beitragen, dass wir aus dieser Endlos-Schleife ausbrechen. Aber ich habe schon lange aufgehört an den Verstand des Menschen zu glauben. Während meiner beruflichen Laufbahn habe ich gemerkt, dass es viele Dumme, Narzißten, Ignoranten und Unbelehrbare auf der Welt gibt, von denen die meisten einflussreiche Positionen innehaben. Aber ich lasse mich gerne auch eines Besseren belehren. Insgeheim wünsche ich mir sogar, daß es uns gelingt, den Kurs zu ändern und auf ein Ziel hinzusteuern, wo am Ende jeder glücklich ist.
Wie kam es zu der Idee, mit Spielszenen das Geschehen damals nachzustellen?
Ich hatte schon von Anfang an Bilder von dem 19jährigen im Kopf, der damals den Goetheturm hochstieg und in den Tod sprang. Die Szene wollte ich unbedingt verfilmen. Je mehr ich recherchierte und von den Schicksalen der Opfer erfuhr, desto mehr Bilder entzündeten sich in meinem Kopf. Bei der Gedankenkombination Frankfurt der 1950er Jahre und Prostitution denkt man sofort an Nitribitt.
Ihr Film behandelt aber Filme fast zehn Jahre vor „Nitribitt“. Schaut man sich die Presse von damals an, hat die Sache ziemlichen Wirbel ausgelöst. Warum gibt es dennoch keine gesamtgesellschaftliche Erinnerung an die „Homoprozesse“?
Dieselbe Frage habe ich mich auch gestellt. Nur leider weiß ich bis heute keine Antwort. Vielleicht kann mir jemand sie irgendwann geben.
Ihr Zeitzeuge ist entschädigungslos verarmt gestorben...
Ich hätte ihm ein Happy End gegönnt. Zumindest eines der Opfer hätte Gerechtigkeit erfahren, wenn man ihm die Entschädigung bewilligt hätte.
Wie waren die Produktionsbedingungen?
Bei einem so wichtigen Thema wie „Bewältigung der jüngeren Geschichte“ müßten Ihnen ja die Türen aller Förderinstitutionen weit aufgestanden haben? Die Produktionsbedingungen waren eine Herausforderung. Einen Großteil der Kosten habe ich selbst getragen. Leider schwimme ich nicht gerade im Geld. Ich muß auch jeden Tag hart für meine Miete arbeiten und jeden Cent zwei Mal umdrehen, um durch die Runden zu kommen. Etwas Unterstützung kam von der Hessische Filmförderung und einer Handvoll Vereine und Stiftungen. Ansonsten habe ich meistens Absagen von den Förderinstitutionen und TV-Sendern erhalten. Eine Redakteurin hatte mir sogar nahegelegt, eine Dokumentation über die Heimat meiner Eltern zu drehen. „Vietnam habe schließlich schöne Reisfelder“. Das tat schon weh. Aber am Ende habe ich mir gedacht, dass ich irgendwann die Gelegenheit haben werde, ihr den Stinkefinger zu zeigen. Denn in gewisser Weise glaube ich an Karma.
Foto:
©Verleih
Info:
DAS ENDE DES SCHWEIGENS
Bundesrepublik Deutschland2020
Produzent/Regie Van-Tien Hoang
Buch Van-Tien Hoang, Holger Heckmann
Kamera Tim Lota
Mitwirkende: Christian Setzepfandt, Markus Velke, Gottfried Lorenz, Horst Tim Riethausen, Wolfgang Lauinger, Conrad Bach, Wolf Marian Gerhardt, Yvo Heinen, Eric Lenke, Marco Linguri, Bernd Lottermann, Thorsten Schmitt, Pierre Siart, Christoph Gérard Stein, Horst Winkelewski
Laufzeit 75 min.
FSK-Freigabeab 12 Jahren
Kinostart02. Dezember 2021
Kinovertriebbarnsteiner-film
Bücher zum Thema:
Ron Steinkamp: „Eine kurze Geschichte des § 175 in der BRD“
Erwin In het Panhuis: „Eine beispiellose Hetzjagd gegen Schwule in der jungen BRD“
Lernen wir wirklich aus der Geschichte? Oder agieren wir wie Puppen, die an Fäden gezogen werden?
Geschichte wiederholt sich, leider auch die Fehler. Wer über ein gewisses Maß an Intelligenz verfügt, kann dazu beitragen, dass wir aus dieser Endlos-Schleife ausbrechen. Aber ich habe schon lange aufgehört an den Verstand des Menschen zu glauben. Während meiner beruflichen Laufbahn habe ich gemerkt, dass es viele Dumme, Narzißten, Ignoranten und Unbelehrbare auf der Welt gibt, von denen die meisten einflussreiche Positionen innehaben. Aber ich lasse mich gerne auch eines Besseren belehren. Insgeheim wünsche ich mir sogar, daß es uns gelingt, den Kurs zu ändern und auf ein Ziel hinzusteuern, wo am Ende jeder glücklich ist.
Wie kam es zu der Idee, mit Spielszenen das Geschehen damals nachzustellen?
Ich hatte schon von Anfang an Bilder von dem 19jährigen im Kopf, der damals den Goetheturm hochstieg und in den Tod sprang. Die Szene wollte ich unbedingt verfilmen. Je mehr ich recherchierte und von den Schicksalen der Opfer erfuhr, desto mehr Bilder entzündeten sich in meinem Kopf. Bei der Gedankenkombination Frankfurt der 1950er Jahre und Prostitution denkt man sofort an Nitribitt.
Ihr Film behandelt aber Filme fast zehn Jahre vor „Nitribitt“. Schaut man sich die Presse von damals an, hat die Sache ziemlichen Wirbel ausgelöst. Warum gibt es dennoch keine gesamtgesellschaftliche Erinnerung an die „Homoprozesse“?
Dieselbe Frage habe ich mich auch gestellt. Nur leider weiß ich bis heute keine Antwort. Vielleicht kann mir jemand sie irgendwann geben.
Ihr Zeitzeuge ist entschädigungslos verarmt gestorben...
Ich hätte ihm ein Happy End gegönnt. Zumindest eines der Opfer hätte Gerechtigkeit erfahren, wenn man ihm die Entschädigung bewilligt hätte.
Wie waren die Produktionsbedingungen?
Bei einem so wichtigen Thema wie „Bewältigung der jüngeren Geschichte“ müßten Ihnen ja die Türen aller Förderinstitutionen weit aufgestanden haben? Die Produktionsbedingungen waren eine Herausforderung. Einen Großteil der Kosten habe ich selbst getragen. Leider schwimme ich nicht gerade im Geld. Ich muß auch jeden Tag hart für meine Miete arbeiten und jeden Cent zwei Mal umdrehen, um durch die Runden zu kommen. Etwas Unterstützung kam von der Hessische Filmförderung und einer Handvoll Vereine und Stiftungen. Ansonsten habe ich meistens Absagen von den Förderinstitutionen und TV-Sendern erhalten. Eine Redakteurin hatte mir sogar nahegelegt, eine Dokumentation über die Heimat meiner Eltern zu drehen. „Vietnam habe schließlich schöne Reisfelder“. Das tat schon weh. Aber am Ende habe ich mir gedacht, dass ich irgendwann die Gelegenheit haben werde, ihr den Stinkefinger zu zeigen. Denn in gewisser Weise glaube ich an Karma.
Foto:
©Verleih
Info:
DAS ENDE DES SCHWEIGENS
Bundesrepublik Deutschland2020
Produzent/Regie Van-Tien Hoang
Buch Van-Tien Hoang, Holger Heckmann
Kamera Tim Lota
Mitwirkende: Christian Setzepfandt, Markus Velke, Gottfried Lorenz, Horst Tim Riethausen, Wolfgang Lauinger, Conrad Bach, Wolf Marian Gerhardt, Yvo Heinen, Eric Lenke, Marco Linguri, Bernd Lottermann, Thorsten Schmitt, Pierre Siart, Christoph Gérard Stein, Horst Winkelewski
Laufzeit 75 min.
FSK-Freigabeab 12 Jahren
Kinostart02. Dezember 2021
Kinovertriebbarnsteiner-film
Bücher zum Thema:
Ron Steinkamp: „Eine kurze Geschichte des § 175 in der BRD“
Erwin In het Panhuis: „Eine beispiellose Hetzjagd gegen Schwule in der jungen BRD“