Stefan Jäger
Tessin (Weltexpresso) - Inszenierungskonzept: Die Emotionen, die diese Geschichte ausmachen, standen bei der Inszenierung im Vordergrund: Keine pathetische Tonalität, sondern eine feine und unmittelbare Stimmung wollten wir suchen – um den Zuschauer den historischen Kontext vergessen zu lassen. Dazu haben wir uns in einem Probenprozess auf die Dreharbeiten vorbereitet. Wir haben den Rhythmus ausprobiert, die Dialoge auf ein Minimum reduziert, um in den Gesichtern zu lesen und wir sind auf diese Zeitreise gegangen im Wissen um die Gegenwart.
Wir haben in vielen Szenen mit zwei Kameras gearbeitet, um den Schauspieler*innen Freiräume zu geben und sich nicht in vielfach wiederholten Takes verausgaben zu müssen. Insofern war uns wichtig, die Rhythmen der zentralen Szenen zu erforschen, um dann in der Auflösung mit längeren Einstellungen arbeiten zu können, in denen die Spannung auf das Spiel der Darsteller*innen gelenkt werden sollte. So war möglich, die Drehtage konzentriert anzugehen – im Wissen um die rhythmischen Bögen in den jeweiligen Szenen und mit einem klaren visuellen Konzept. Meine jahrelange Erfahrung mit verschiedensten Formen der Inszenierung für Film und Theater, meine Zusammenarbeit mit zahlreichen Schauspielerinnen und Schauspielern, meine Spielaber auch meine Dokumentarfilmerfahrung haben mich gelehrt, demütig zu sein und den Moment entstehen zu lassen, in dem Kino wahrhaftig wird.
Visuelles Konzept
Seit langem schon wollte ich mit der österreichischen Kamerafrau Daniela Knapp (POLL, KATHARINA LUTHER, UND MORGEN DIE GANZE WELT, DIE FETTEN JAHRE SIND VORBEI u.a.) zusammenarbeiten, mit der ich Ende der 90er Jahre das Studium an der Filmakademie Baden-Württemberg abgeschlossen habe. Dass es nun soweit war, hat viel mit dem Inhalt der Geschichte zu tun, die wir erzählen wollten und unserem künstlerischen Ansatz. Gemeinsam haben wir bei mehreren Motivbegehungen ein visuelles Konzept erarbeitet.
Wir haben dazu zahlreiche historische Filmbeispiele visioniert, auch Serien, die in der damaligen Zeit spielen, um einen Look zu bestimmen, welcher unserer Geschichte und der Erzählperspektive gerecht wird. Uns ist dabei aufgefallen, dass in historischen Filmen das Setting oft ein Übergewicht bekommt und dass Schauspielerinnen und Schauspieler kaum Luft bekommen, ihr Spiel zu entfalten.
Wir wollten diesem Aspekt in MONTE VERITÀ Rechnung tragen, da uns ein Kino vorschwebte, das die Charaktere in den Mittelpunkt stellt. Wir wollten stark über ihre Gesichter erzählen, aber auch über ihre Haltungen und über ihre Körperlichkeit. Die Charaktere sollten unmittelbar und durchlässig agieren. Ihr Spiel sollte die Bewegungen der Kamera bestimmen, wir wollten, dass ihre Offenheit schmerzt, uns aber auch berührt.
Unsere Geschichte beginnt in Wien. Durch die aufkommende Industrialisierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Natur massiv zurückgedrängt. Dem wollten wir Rechnung tragen, indem wir der Natur erst mit der Ankunft Hannas auf dem Monte Verità Platz geben. Wir wollten die Bewegungen der Natur einfangen, sei es durch den Wind, sei es durch die Veränderungen im Tageslicht oder die Komposition in den Einstellungen. Auch das sollte in unserem visuellen Konzept konsequent zur Geltung kommen, da der Monte Verità für die Gründer ein „Paradies auf Erden“ war und die unberührte Natur sie fasziniert hat. In der Herleitung der Photographien wollten wir den Blick Hannas je länger je mehr fokussieren, sprich: wir wollten erlebbar machen, wie sie den Bildausschnitt wählt, wie sie die Langzeitbelichtungen gestaltet und wie sie die Momente „bannt“. Knut Schmitz, der die 2nd unit als DoP verantwortete, war für die Photographien Hanna Leitners zuständig. Wir haben dabei mit leichten Tempoveränderungen in der Speedrate gearbeitet, mit sich verschwimmenden Bewegungen, die sichtbar gemacht wurden und mit einer Begrenzung des Bildformats, das aber nur in diesen Momenten zum Einsatz kommt.
Die Inspiration dazu haben wir in den Bildern von Photographinnen des frühen 20. Jahrhunderts gefunden, wie z.B. Berenice Abbott, Claude Cahun oder Imogen Cunningham. Zu Beginn und bis zu Hannas «richtiger» Ankunft auf dem Monte Verità haben wir in den Aussenaufnahmen in Ascona auf weite Totalen verzichtet, um so das Erleben und die besonderen Blicke von Hanna in den Fokus zu rücken. Ihre Wahrnehmung bestimmt den Verlauf der Geschichte, ihr Blick auf die Männer aber auch die Frauen, denen sie begegnet, wird sich nach und nach öffnen. So wie sie diese Menschen kennenlernt, so nimmt sie sie auch je länger je mehr in ihrer Ganzheit wahr.
Ich bin drei Jahre lang mehrfach im Tessin gewesen, um die Motive zu suchen. Wir hatten auch bereits die Auflösung erarbeitet, in enger Kooperation mit den verschiedenen Abteilungen und mit der 2nd Unit. Dank der Hilfe der Tessiner Film Commission haben wir Motive gefunden, die perfekt sind, um den ursprünglichen Berg zu erzählen. Dabei sind wir auf eine Wiese gestoßen, die im Maggia-Tal liegt und eine Unberührtheit ausstrahlt, welche die Gründer gespürt haben müssen, als sie das erste Mal den Hügelzug oberhalb Asconas entdeckten. Mit der Kostümbildnerin Veronika Albert (DIE LEBENDEN, WESTERN, LICHT u.a.) hatten wir einen Rollenauszug besprochen, die historischen Kostüme studiert aber auch Kostüme aus der Hippiezeit. Es gibt erstaunlich viele Parallelen, und wir wollten im Szenen- und Kostümbild nicht die 100% historische Präzision herausarbeiten, sondern suchten eine Umsetzung der sinnlichen Tonalität, die den Ort ausgemacht hat.
Genauso sind wir maskentechnisch vorgegangen. Die in historischen Filmen versierte und mehrfach ausgezeichnete Maskenbildernin Helene Lang (DAS FINSTERE TAL, NARZISS UND GOLDMUND, HINTERLAND u.a.) hat mir zahlreiche Photographien der damaligen Zeit vorgelegt, aber auch Bilder von Sängerinnen der 68er, um einen Look zu kreieren, der die modernen Anklänge zeigt. In der Ausstattung konnten wir mit Katharina Wöppermann (FINSTERWORLD, LITTLE JOE, LICHT u.a.) und mit Nina Mader (DYNASTIE KNIE u.a.) zusammenarbeiten. Wichtig war uns in jeder Phase die Kollaboration und das gegenseitige Vertrauen, um immer wieder Bilder und Materialien zu diskutieren, die für alle Departments wichtig waren.
Akustisches Konzept & Musik
Auch im akustischen Konzept war die Natur ein entscheidendes Element. Die Geräusche der Natur, die Wahrnehmung von Hanna, die aus der Stadt in diesen damals noch unberührten Flecken Natur kommt, sollten die Geschichte verdichten und ihre Empfindungen unterstreichen. Nicht auf einer plakativen Ebene, sondern auf einer, die im Unterbewussten abläuft und die mit wiederkehrenden Geräuschen arbeitet, wie z.B. dem Geräusch des Wassers, des Windes oder der Schritte auf den verschiedenen Untergründen, über die sie geht, sobald sie das Waldstück betritt, das den Monte Verità umgeben hat. Zusätzlich wollten wir Hannas Blicke akustisch fokussieren.
Konkret hiess das, dass wir – wo sich ihr Blick auf ein Detail konzentriert – auch den Ton auf diese Ebene „dimmen“ wollten, so dass die Umgebungsgeräusche in den Hintergrund rücken. Das durfte nicht zu offensichtlich sein, doch half es uns bei ihrer Arbeit als Photographin in ihren Kopf einzutauchen, um spürbar zu machen, wie sie ihre Bilder gestaltet und wie ihr Fokus entsteht. Für die Musik konnte ich mit Volker Bertelmann aka Hauschka (LION, HOTEL MUMBAI, PATRICK MELROSE u.a.) arbeiten, der schon früh in den Schnittprozess involviert war und in engem Austausch mit der Sound Designerin und Mischtonmeisterin Gina Keller (BLUE MY MIND, SCHWESTERLEIN u.a.) stand, da die Musik und die Naturgeräusche oft Hand in Hand gehen. Unsere Cutterin Noemi Preiswerk (BLUE MY MIND, THE SERVANT, SOUL OF A BEAST u.a.) war schon in den Drehbuchprozesse involviert.
Wir haben dazu zahlreiche historische Filmbeispiele visioniert, auch Serien, die in der damaligen Zeit spielen, um einen Look zu bestimmen, welcher unserer Geschichte und der Erzählperspektive gerecht wird. Uns ist dabei aufgefallen, dass in historischen Filmen das Setting oft ein Übergewicht bekommt und dass Schauspielerinnen und Schauspieler kaum Luft bekommen, ihr Spiel zu entfalten.
Wir wollten diesem Aspekt in MONTE VERITÀ Rechnung tragen, da uns ein Kino vorschwebte, das die Charaktere in den Mittelpunkt stellt. Wir wollten stark über ihre Gesichter erzählen, aber auch über ihre Haltungen und über ihre Körperlichkeit. Die Charaktere sollten unmittelbar und durchlässig agieren. Ihr Spiel sollte die Bewegungen der Kamera bestimmen, wir wollten, dass ihre Offenheit schmerzt, uns aber auch berührt.
Unsere Geschichte beginnt in Wien. Durch die aufkommende Industrialisierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Natur massiv zurückgedrängt. Dem wollten wir Rechnung tragen, indem wir der Natur erst mit der Ankunft Hannas auf dem Monte Verità Platz geben. Wir wollten die Bewegungen der Natur einfangen, sei es durch den Wind, sei es durch die Veränderungen im Tageslicht oder die Komposition in den Einstellungen. Auch das sollte in unserem visuellen Konzept konsequent zur Geltung kommen, da der Monte Verità für die Gründer ein „Paradies auf Erden“ war und die unberührte Natur sie fasziniert hat. In der Herleitung der Photographien wollten wir den Blick Hannas je länger je mehr fokussieren, sprich: wir wollten erlebbar machen, wie sie den Bildausschnitt wählt, wie sie die Langzeitbelichtungen gestaltet und wie sie die Momente „bannt“. Knut Schmitz, der die 2nd unit als DoP verantwortete, war für die Photographien Hanna Leitners zuständig. Wir haben dabei mit leichten Tempoveränderungen in der Speedrate gearbeitet, mit sich verschwimmenden Bewegungen, die sichtbar gemacht wurden und mit einer Begrenzung des Bildformats, das aber nur in diesen Momenten zum Einsatz kommt.
Die Inspiration dazu haben wir in den Bildern von Photographinnen des frühen 20. Jahrhunderts gefunden, wie z.B. Berenice Abbott, Claude Cahun oder Imogen Cunningham. Zu Beginn und bis zu Hannas «richtiger» Ankunft auf dem Monte Verità haben wir in den Aussenaufnahmen in Ascona auf weite Totalen verzichtet, um so das Erleben und die besonderen Blicke von Hanna in den Fokus zu rücken. Ihre Wahrnehmung bestimmt den Verlauf der Geschichte, ihr Blick auf die Männer aber auch die Frauen, denen sie begegnet, wird sich nach und nach öffnen. So wie sie diese Menschen kennenlernt, so nimmt sie sie auch je länger je mehr in ihrer Ganzheit wahr.
Ich bin drei Jahre lang mehrfach im Tessin gewesen, um die Motive zu suchen. Wir hatten auch bereits die Auflösung erarbeitet, in enger Kooperation mit den verschiedenen Abteilungen und mit der 2nd Unit. Dank der Hilfe der Tessiner Film Commission haben wir Motive gefunden, die perfekt sind, um den ursprünglichen Berg zu erzählen. Dabei sind wir auf eine Wiese gestoßen, die im Maggia-Tal liegt und eine Unberührtheit ausstrahlt, welche die Gründer gespürt haben müssen, als sie das erste Mal den Hügelzug oberhalb Asconas entdeckten. Mit der Kostümbildnerin Veronika Albert (DIE LEBENDEN, WESTERN, LICHT u.a.) hatten wir einen Rollenauszug besprochen, die historischen Kostüme studiert aber auch Kostüme aus der Hippiezeit. Es gibt erstaunlich viele Parallelen, und wir wollten im Szenen- und Kostümbild nicht die 100% historische Präzision herausarbeiten, sondern suchten eine Umsetzung der sinnlichen Tonalität, die den Ort ausgemacht hat.
Genauso sind wir maskentechnisch vorgegangen. Die in historischen Filmen versierte und mehrfach ausgezeichnete Maskenbildernin Helene Lang (DAS FINSTERE TAL, NARZISS UND GOLDMUND, HINTERLAND u.a.) hat mir zahlreiche Photographien der damaligen Zeit vorgelegt, aber auch Bilder von Sängerinnen der 68er, um einen Look zu kreieren, der die modernen Anklänge zeigt. In der Ausstattung konnten wir mit Katharina Wöppermann (FINSTERWORLD, LITTLE JOE, LICHT u.a.) und mit Nina Mader (DYNASTIE KNIE u.a.) zusammenarbeiten. Wichtig war uns in jeder Phase die Kollaboration und das gegenseitige Vertrauen, um immer wieder Bilder und Materialien zu diskutieren, die für alle Departments wichtig waren.
Akustisches Konzept & Musik
Auch im akustischen Konzept war die Natur ein entscheidendes Element. Die Geräusche der Natur, die Wahrnehmung von Hanna, die aus der Stadt in diesen damals noch unberührten Flecken Natur kommt, sollten die Geschichte verdichten und ihre Empfindungen unterstreichen. Nicht auf einer plakativen Ebene, sondern auf einer, die im Unterbewussten abläuft und die mit wiederkehrenden Geräuschen arbeitet, wie z.B. dem Geräusch des Wassers, des Windes oder der Schritte auf den verschiedenen Untergründen, über die sie geht, sobald sie das Waldstück betritt, das den Monte Verità umgeben hat. Zusätzlich wollten wir Hannas Blicke akustisch fokussieren.
Konkret hiess das, dass wir – wo sich ihr Blick auf ein Detail konzentriert – auch den Ton auf diese Ebene „dimmen“ wollten, so dass die Umgebungsgeräusche in den Hintergrund rücken. Das durfte nicht zu offensichtlich sein, doch half es uns bei ihrer Arbeit als Photographin in ihren Kopf einzutauchen, um spürbar zu machen, wie sie ihre Bilder gestaltet und wie ihr Fokus entsteht. Für die Musik konnte ich mit Volker Bertelmann aka Hauschka (LION, HOTEL MUMBAI, PATRICK MELROSE u.a.) arbeiten, der schon früh in den Schnittprozess involviert war und in engem Austausch mit der Sound Designerin und Mischtonmeisterin Gina Keller (BLUE MY MIND, SCHWESTERLEIN u.a.) stand, da die Musik und die Naturgeräusche oft Hand in Hand gehen. Unsere Cutterin Noemi Preiswerk (BLUE MY MIND, THE SERVANT, SOUL OF A BEAST u.a.) war schon in den Drehbuchprozesse involviert.