Serie: Die angelaufenen Filme in deutschen Kinos vom 2. Januar 2014, Teil 3
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Zugegeben, das wird sehr menschlich erzählt, wenn nach der Vermittlung von Wissen, wie das mit dem Chlorophyll und dem Wunder der Fotosynthese ist, dann das zügellose Streben der noch jungen Pflanzen nach der Sonne verantwortlich gemacht wird dafür, daß diese Pflanze zu wenig Aufmerksamkeit auf die Schädlinge richtet, die mit ihren Attacken das entstandene Grün vernichten.
Aber wie will man das alles erzählen, will man nicht Gottvater bemühen oder die Magna Mater oder abstrakt die Natur, wenn vermittelt werden soll, daß aus strategisch-taktischen Gründen Bäume Tiere zum eigenen Überleben zu Hilfe rufen, wie die Ameisen durch den Ameisenbaum.
Überhaupt die Ameise, über die schweigen wir jetzt, weil sie einen eigenen Film wert ist und ihr Anteil an der Entstehung und Aufrechterhaltung des Waldes gar nicht hoch genug gewertet werden kann. Später hören wir noch, daß das Gewicht aller Ameisen in den Regenwäldern dem Gewicht aller anderen dort vorkommenden Tiere gleicht, worunter ja auch die Elefanten, die Affen etc. sind. Das muß man perplex glauben, aber wäre es anders, hätten die nächsten Biologen sicher schon protestiert.
Ziemlich komplex und als Widerspruch erscheinend, wie die Raupe beispielsweise die Blätter voller Löcher frißt, die auch absterben, aber der Baum nun die Kraft gewinnt, nach oben neu auszuschlagen und sich sozusagen auf diese erste, dann zweite , dann dritte Etage konzentriert und alles Untere abstößt, also auffressen läßt. Eine höhere Weisheit sozusagen. Doch, da geht einem die Metaphysik im Kopf herum, wenn man die Natur als kleine Ewigkeit wahrnimmt.
Fünfhundert Jahre? Na, wenn schon, am Beispiel der Passionsblume wird vorgeführt, wie sich diese den Gegebenheiten ihres Standortes anpaßt. Wird sie von einer Raupensorte erledigt, wappnen sich ihre Sprößlinge und entwickeln einen Stoff, der für diese Raupenart giftig ist, sie gedeihen daraufhin prächtig, bis wieder eine neue, und gegen diesen Stoff immune Raupenart herangewachsen ist, die der Pflanze schadet, weshalb sie wiederum mutiert und ...tatsächlich gibt es mehr als 150 Arten der Passionsblume... ja, so kann es auf natürliche Weise immer weitergehen, es sei denn der Mensch mischt sich sein.
Dieselben Anpassungs- und Widerstandsleistungen werden an der Liane vorgeführt, die per se als Schmarotzer ein Eigenleben hat, das bis zum bitteren Ende für den Wirt führt, dann nämlich, wenn die Lianen durch Überwachsen den Baum erstickt haben, aber an seinem Stamm und seinen Ästen klebend, die Form des nun toten Baumes mit frischem Grün wiedergeben. Darin entwickelt vor allem die Würgefeige eine Meisterschaft, die gegen Schluß ihren großen Auftritt hat.
Im letzten Drittel des 78 Minuten langen Films sind es die Tiere, die eine Rolle spielen, indem sie durch den Duft oder die Farbe von Blüten angelockt, für die Verbreitung des Samens sorgen: da sehen wir nun den trampelnden Elefanten, der sich den Teufel schert, was er niederdrückt, mampfend und vergnügt auch die im Wasser liegenden Früchte vernaschend, damit ganz woanders sich sein Kot mit neuer Erde mischt und neue – alte – Pflanzen hervorbringt. Der Schluß ist dann dem Regenwaldregen vorbehalten, der in einer Art Naturgewalt herabströmt und die Pflanzen und Bäume buchstäblich im Regen stehen läßt. Nein, dann wundert man sich nicht mehr, daß Naturvölker diese jahrhundertealten Bäume als Götter verehrten und in Eintracht mit ihren Bäumen lebten.
Übrig bleibt die Erkenntnis, daß es siebenhundert Jahre dauert, bis ein abgeholzter Regenwald – die Aufnahmen sind aus Peru und Gabun – wieder zu einem primären Wald wird. Daß 700 000 Quadratkilometer des 1,3 Millionen Quadratkilometer großen südamerikanischen Landes Peru mit Wald bedeckt sind, wußten wir genauso wenig, wie, daß Peru hinsichtliche der Biodiversität den fünftreichsten Primärwald der Welt besitzt. Es heißt, Peru verfügt über eine reiche Artenvielfalt, unter andere 2 937 verschiedene Amphibien, Vögel und Reptilien. Darunter welche, die hier einzig sind, weil sie an keinem anderen Ort der Welt überlebt haben. Ein einziger Hektar Regenwald im Nationalpark Manú beherbergt mehr als 220 verschiedene Baumarten. Riesenotter, Schwarzer Kaiman, Jaguar und Tapir sind typisch für den Nationalpark.
Andere Teile des Films wurden im Ivindo Nationalpark im Osten Gabuns – das im gewaltigen Kongobecken liegt - und im Loango Park an der Küste gedreht. Dort scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Elefanten, Flußpferde und Krokodile streifen friedlich umher. Achtzig Prozehnt des Staatgebietes von Gabun sind mit Wald bedeckt und hier geht es noch um den echten Urwald, wo „hunderte Pflanzenarten...übereinander geschichtet“ sind und „so den Äquatorialwald“ formen der den Westen, Norden und Süden des Landes bedeckt. Hier ist der Lebensraum für mehr als 70 Meter hohe Baumriesen, deren Baumstämme mehrere Meter Durchmesser besitzen. Zu ihnen gehört auch der im Fim gezeigte Moabi-Baum, der 600 Jahre braucht, bis er seine volle Höhe erreicht hat!
Daß also der Moabi-Baum eine Besonderheit ist, kommt im Film auch noch unter. Der durch den Wald stapfende und auf Bäume kletternde und die Blätter und Pflanzen zeichnende und uns auch alles noch erzählende Francis Hallé hatte dessen Baumstrukturen gezeichnet. Die französische Firma VEJA hat diese Strukturen nun auf ihre nur in einigen hundert Exemplaren hergestellten Sneaker Modell Esplar Moabi draufgedruckt, die aus Bio-Baumwolle und fair gehandeltem Kautschuk in Brasilien produziert wurden. Das Unternehmen setzt sich für den Erhalt des Regenwaldes ein und führt Gewinne dahin zurück. Auch das muß man glauben. Leider haben wir solche Sneaker nicht.