wunderSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 3. Februar 2022, Teil 4

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – In diesen fünf Frauen, die die Hauptrollen spielen und im vorausgegangen Artikel FIGUREN beschrieben sind, können sich Millionen wiederfinden, denn das ist mal eine deutsche Komödie, die Wirklichkeit beschreibt, natürlich zugespitzt und zwischen Drama und Komik, die unterhaltsam ist und nicht peinlich wird. Denn das ist oft die Crux, hier aber werden sich viele wiederfinden: Männer und Frauen.

Kinder weniger, denn die werden ja gerade geboren oder auch nicht, und die jungen Eltern, die natürlich auch Kinder ihrer Eltern sind, zeigen dann schon, daß man auch in erwachsenem Alter bei persönlichen Problemen, sei es als Ehefrau, im Fehlschlagen der Berufstätigkeit etc. schnell bei den Eltern wieder zum Kind mutiert, auf jeden Fall schneller, als einem eigentlich lieb ist.

Hier sind wir nicht in Arbeiterverhältnissen und schon gar nicht bei Hartz 4 Familien zu Hause. Das wären andere Frauen und andere Probleme. Es ist schon eine gutsituierte Familie, die im Mittelpunkt steht, wo die Eltern, Frauke (Martina Gedeck) und Wolfi (Joachim Król) zwar miteinander ein gut ausgestattetes Haus bewohne, aber sich wenig zu sagen habe. Er bekommt nicht mit, daß sie altert und darin die Ursache sieht, daß er sie kaum mehr anschaut und schon gar nicht anfaßt. Er findet, daß sie doch wissen müßte, daß es für ihn nur sie gibt. Tochter Julie (Emilia Schüle) ist mit 25 Jahren für die Modelagentur, die sie vermittelt, schon fast zu alt und trotz schlanker Figur zu dick, wir erleben, wie eine junge schöne Frau sich an oktroyierten Körperdidakturen abarbeitet. Sohn Milan (Friedrich Mücke ) hat es geschafft, gerade ist er befördert worden und seine Frau Sonja (Karoline Herfurth, die auch die Regie führt und am Drehbuch nutschrieb) übernimmt die Erziehungsarbeit für das Baby. Ohne ihre Freundin, die kesse Lehrerin Vicky (Nora Tschirner) wäre sie aufgeschmissen, denn die baut sie regelmäßig auf, wenn sie durchhängt, weil das Mutterdasein ihr zu schaffen macht und erst recht, wenn sie auf ihren noch immer ziemlich schlaffen Körper blickt. Sie fühlt sich unattraktiv und je stärker, je mehr sie mitbekommt, daß ihr Mann bei attraktiven Frauen sehr gut ankommt. Da hilft auch nicht, daß der es weder darauf anlegt, noch so recht das alles mitbekommt. Der Mann ist mit dem Beruf und dem Vatersein schon jetzt überfordert oder doch an seiner Grenze angekommen, verlangt aber klar von seiner Frau, daß die seine berufliche Anforderung respektiert und noch mehr Kind und Haushalt übernimmt.

Wir bekommen also zwei wesentliche Sorgen heutiger Frauen deutlich mit: die Geschlechterproblematik einerseits, die immer noch a la Schiller behauptet: „ Der Mann muß hinaus ins feindliche Leben“, während Frauen still im Hause wirken, und andererseits die Sucht nach dem perfekten Körper, die dann absolut absurd wird, wenn eine Frau gerade ein Kind geboren hat oder weit über 50 Jahre alt geworden ist. Und auch ein junges dickliches Mädchen wie Leyla (Dilara Aylin Ziem ) wird am Schlankheitszwang gemessen, gerade auch von ihrer Mutter, Gabo ( Melika Foroutan), die der Modellagentur vorsteht, die auch Julie vermarktet und sie gerade abwickelt.

Dagegen hat Vicky solche Probleme überhaupt nicht. Sie schert sich weder um Körperoptimierung, noch um Geschlechterrollen und denkt, sie habe alles im Griff, was allerdings nur so lange gilt, bis sie ihre ernsthaften Gefühle für Franz (Maximilian Brückner) wahrnimmt. Da ist sie mit ihrem Latein, mit einem mann nur einmal zu schlafen, am Ende.

Das also ist die vielgestaltige personelle Ausgangslage, in der nun episodenartig all die Geschichten ‚wia dem richtigen Leben‘ flott erzählt werden, die man hier gar nicht wiedergeben muß, weil jeder sie kennt. Was man im Film schätzen lernt, sind die vielen feinsinnigen filmischen Anmerkungen, die immer wieder verhindern, daß die Darstellungen zu schablonenhaft ausgehen, Daß anderseits Klischees nicht ganz vermieden werden können, liegt in der Natur der Sache, weil eben die Grundkonflikte banal und schwer lösbar sind. Aber gerade weil dies so ist, genießt man ein intelligentes Umgehen damit.

Die Einführung einer so schrägen Figur wie Vicky macht Spaß, weil sie als Lehrerin in der Weiterführung von ‚Herr Bachmann‘ durchaus unkonventionell ihre Schüler zum Lernen motiviert – was übrigens gute Lehrer immer schon gemacht haben – und andererseits nicht damit zurecht kommt, ihren Gefühlen zu leben, sondern sich durch selbstauferlegte Lebensregeln vom Lieben abhält. Da hilft ihr dann Herr Franz.

Sicher tragen auch die Vielzahl guter Schauspieler zum Gelingen bei. Bei Martina Gedeck wäre mir ganz egal, welche Rolle sie spielt, sie adelt jeden Film. Allerdings wird sie diesmal von ihrem Filmehepartner in Stich gelassen. Als Schauspieler. Schon bei seinem ersten Auftritt, der ersten heftigen Äußerung am Ehebett, trifft Joachim Król den falschen Ton, der eher in Richtung Schmierenkomödie geht, zu derb, zu primitiv, was für ein anderes Milieu, für einen anderen Film vielleicht passen könnte, ist hier auffällig daneben.

Foto:
©Verleih

Info:
Darsteller
Karoline Herfurth,      Ensemble-Hauptrolle Sonja
Nora Tschirner,           Vicky
Martina Gedeck,        Frauke
Emilia Schüle,            Julie
Dilara Aylin Ziem,      Leyla
Joachim Król,            Wolfi
Friedrich Mücke,       Milan
Maximilian Brückner, Franz
Ben Litwinschuh,       Leon
Luna Arwen Krüger,  Toni

Stab
Karoline Herfurth, Regie, Drehbuch
Daniel Gottschalk, Bildgestaltung
Christian M. Goldbeck, Szenenbild