schrader1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 3. März 2022, Teil 4

Redaktion

Hollywood (Weltexpresso) - Paul Schrader plante gerade einen anderen Film, einen Western mit Willem Dafoe und Ethan Hawke in den Hauptrollen, als ihm die Idee zu THE CARD COUNTER kam. Sie basierte auf den in seinen Werken immer wiederkehrenden Themen Schuld, Buße und moralische Vergeltung. „Nicht die allgemeine Schuld, wie die christliche Schuld, sondern eine spezifischere Art von Schuld“, erklärt Schrader. „Was wäre, wenn jemand etwas getan hätte, das er sich nicht verzeihen kann? Er war im Gefängnis, und während die Gesellschaft ihm vielleicht verziehen hat, hat er sich selbst keinesfalls vergeben. Er hat etwas Schreckliches getan und jetzt lebt er in einer Art Fegefeuer. Wie kommt er damit zurecht?“

Wie viele der Figuren, die Schrader kreiert hat – ob der Taxifahrer Travis Bickle in TAXI DRIVER oder der ehemalige Militärpriester Reverend Ernst Toller in FIRST REFORMED – lässt William Tell die Zeit vorbeiziehen und wartet, dass etwas geschieht. „Für THE CARD COUNTER musste ich mir einen Beruf für jemanden ausdenken, der in Wartestellung ist und eine Art Nichtexistenz lebt“, sagt Schrader. „Das Glücksspiel schien mir das perfekte Milieu zu sein.“ Schrader schaute sich Pokersendungen im Fernsehen an und dachte über die psychologischen Beweggründe von Menschen nach, die an Spielautomaten sitzen. So begann er, sich das alltägliche Leben von Glücksspielern vorzustellen: eine monotone Nichtexistenz, in der Stunden vergehen können, ohne dass viel passiert.

„Das ist es, was Tell tut. Er existiert in dieser Schwebe, reist von Casino zu Casino, spielt Karten und wartet“, sagt Schrader. „Beim Poker kann man tagelang spielen, bevor das magische Blatt kommt. Alle paar Wochen oder so kann etwas Gutes passieren, aber meistens ist es ein Abwarten.“ Später entwickelte Schrader eine umfangreiche Hintergrundgeschichte für Tell, die eine dunkle und turbulente Vergangenheit als Soldat im Irakkrieg beschreibt. „Ich habe mich gefragt, was er in seinem Leben getan haben könnte, das so ungeheuerlich ist, dass er nicht über seine Verbrechen hinwegkommt“, erklärt Schrader. „Selbst Serienmörder können sich verzeihen, aber was wäre, wenn er etwas getan hätte, das sein eigenes Land stigmatisiert. Da begann ich über die Foltertaten im Gefängnis Abu Ghraib nahe Bagdad nachzudenken – eine Art von Fehlverhalten, das nicht nur die arabischen Gefangenen und ihre amerikanischen Folterknechte verletzt hat, sondern eine ganze Nation und die Militärkultur, die das ermöglicht hat.“

Oscar Issac beschreibt seinen Charakter so: „Er befindet sich in einer Art Kreislauf der Buße, weil er etwas Fürchterliches getan hat. Er hat sich selbst und anderen Schaden zugefügt, ganz zu schweigen von seinem eigenen Land. Die rechtlichen Folgen seiner Taten und die Gefängnisstrafe, die er für seine Verbrechen verbüßt hat, reichen ihm nicht aus. Er hat das Gefühl, nicht genug bestraft worden zu sein. Er wählt ein Leben, das trostlos, rastlos und repetitiv ist. Hier finden wir ihn zu Beginn von THE CARD COUNTER.“

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©Verleih

Info:
THE CARD COUNTER
von Paul Schrader, USA 2021, 112 Min.
mit Oscar Isaac, Tiffany Haddish, Tye Sheridan, Willem Dafoe, Alexander Babara, Bobby C. King
Rachethriller

Abdruck aus dem Presseheft