Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 24. März 2022, Teil 8
Silvina Landsmann
Tel Aviv (Weltexpresso) - Nachdem ich meinen Film Hotline abgeschlossen hatte, reizte es mich, erneut eine zivile Gesellschaftsorganisation mit meiner Kamera zu begleiten. Für mich sind diese Organisationen ein einzigartiges Fenster, durch das soziale Probleme beobachtet werden können. Dieses Mal wollte ich mich auf die Besetzung palästinensischer Gebiete durch Israel oder, noch konkreter, auf den Kampf dagegen konzentrieren, wie ich bald feststellte.
Nachdem mir meine Tochter ein Video von Breaking the Silence auf Facebook gezeigt hatte, kontaktierte ich die Organisation. Ich erzählte ihnen, dass ich gerne ihre Arbeit im und außerhalb des Büros für ein paar Monate filmen würde. Ziemlich schnell bekam ich die Zusage, die Organisation mit meiner Kamera und meinem Tontechniker für einen Film begleiten zu dürfen. Aus technischen Gründen entschieden wir uns jedoch dafür, dass ich meinen Film erst in zwei Monaten beginnen würde.
Während dieser zwei Monate geschah etwas Unerwartetes: Plötzlich eskalierte die Bekämpfung gegen die Anti-Besetzungsorganisation. Es gab Berichte über versteckte Kameras, eingesetzt von rechten Aktivisten, mit dem Ziel der Glaubwürdigkeit der Bewegung zu schaden und sie als Landesverräter dastehen zu lassen. In der gesamten Geschichte des Widerstands gegen die Besetzung mag dies nur ein kleiner Vorfall gewesen sein, aber für mich hatte diese Entwicklung einen starken Einfluss auf den Dokumentationsprozess und schlussendlich auch auf den Film selbst. Am ersten Drehtag entdeckte ich den Unterschied zwischen dem Erhalten einer Drehgenehmigung und dem was es bedeutete, das Vertrauen derer zu bekommen, die ich filmte. Nachdem ich zwei Stunden gedreht hatte, wurde ich gebeten das Büro zu verlassen: Sie wollten ein Meeting ohne die Anwesenheit meiner Kamera abhalten. Vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse verstand ich ihren Wunsch sofort.
„Nicht zu Filmen" half bei der Vertrauensbildung und wurde Teil des Dokumentationsprozesses. Seitdem fasziniert mich dieses Paradox. Wie ich mich mit der Kamera positioniere, sowohl physisch als auch in zwischenmenschlichen Dynamiken, wurde ebenfalls Teil der Entstehungsgeschichte. In einer Welt, in der die Kamera der Feind ist, sei es eine versteckte oder eine der Massenmedien, und mit der man umzugehen wissen muss, wurde das dokumentarische Filmen eine ständige Selbstbefragung: Wonach suche ich? Aus welchem Grund und in welchem Namen filme ich? Wem gilt meine Loyalität? Wie können wir uns über die Konsequenzen unserer Taten sicher sein?
Was "drinnen" und was "draußen" bleibt, wurde die zentrale Frage des Drehs und auf eine gewisse Weise auch die Frage, die der Film stellt. Ich habe die Antwort immer und immer wieder in der schmerzhaften Realität der Besetzung gefunden, das große Monster, welches kein Widerstand bisher besiegen konnte. An diesem Ort fand ich als Dokumentarfilmerin die Essenz von Breaking the Silence: Schweigen dient der Besatzung. Breaking the Silence ist das kleine Einmaleins um gegen die Besatzung zu kämpfen.
Foto:
©viennale.at
Info:
SILENCE BREAKERS
von Silvina Landsmann, IL/F/D 2021, 88 Min.
Dokumentarfilm / Start: 24.03.2022