Bildschirmfoto 2022 03 25 um 20.09.36Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 24. März 2022, Teil 9

Claus Wecker

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Bei dem Dok Fest Leipzig feierte der Film seine Premiere. Es ist ein Bericht über die Nicht-Regierungs-Organisation Breaking the Silence (BtS), die in Israel die Bevölkerung über unhaltbare Zustände in den besetzten Gebieten aufzuklären versucht. Mit Informationen über das aggressive Vorgehen der israelischen Streitkräfte in den besetzten Gebieten.

Wie so viele derartige Organisationen ist auch BtS im eigenen Land höchst umstritten. Ein Teil der Israelis sieht in den Aktivisten Nestbeschmutzer oder gar Propagandisten des Feindes, der andere schätzt deren Arbeit und erhofft sich eine Besserung im Zusammenleben mit den Palästinensern.

Wir deutsche Zuschauer fühlen uns hingegen wie auf einem Minenfeld. Denn aufgrund unserer Geschichte gerät jede stärkere Kritik an der israelischen Politik und den Zuständen im Land schnell unter Antisemitismusverdacht.

Es bietet sich also an, den gut argumentierenden Film losgelöst von der komplexen Geschichte zu sehen. Einfach als eine Auseinandersetzung über die Frage, wie ein demokratisches Land, als das man Israel ohne Zweifel ansehen muss, mit einem besetzten Gebiet umgeht, und wie es umgehen sollte, auch angesichts der Bedrohung, die von bewaffneten Gegnern dort ausgeht.

Aus dieser Sicht stellt Silvinas Dokumentarfilm Israel ein miserables Zeugnis aus. Selbst wenn man nicht alle Zeugenaussagen für bare Münze nimmt, entsteht ein bestürzendes Bild der Zustände, zum Beispiel in Hebron, die im Film bei einer angemeldeten Führung durch die Stadt deutlich werden.

Aus dem einst belebten Zentrum ist ein Sperrgebiet unter militärischer Kontrolle geworden. Die Israelis, die in den ehemaligen Palästinenser-Häusern wohnen, beschimpfen den Fremdenführer von BtS und versuchen seine Erläuterungen akustisch zu stören. Bei einem Abstecher in den arabischen Teil heißt es aber auch, es bestehe die Gefahr, von Scharfschützen aufs Korn genommen zu werden.

Es herrscht also eine Art Waffenruhe mit der Bedrohung auf beiden Seiten. Besonders schwerwiegend sind die Berichte von ehemaligen Soldaten und Soldatinnen. Eine von ihnen erzählt, wie man mit Gefangenen umgegangen ist. Sie wurden geschlagen, getreten, geknebelt und gefesselt, behandelt wie Tiere. »Als würde ich eine Schafherde oder Kuhherde anführen«, sagt sie im Interview. »Mit der Zeit wurde ich brutaler. Ich habe ihnen schreckliche Dinge angetan. Es fällt schwer, darüber zu sprechen.«

Da verwundert es nicht, dass sich Reservisten, auch solche mit höherem Dienstrang, BtS angeschlossen haben. Wir sehen sie im Film beim Flugblattverteilen und in heftigen Diskussionen mit Passanten. Es beteiligen sich gerade diejenigen, die in den besetzten Gebieten Dienst getan haben. Eine Aktivistin verteidigt sie in einer Diskussionsrunde im Fernsehen: »Sie dürfen sterben, aber nicht die Wahrheit sagen. Was schadet Israel mehr? Ihre Berichte oder die 50-jährige Besatzung?»

Beispielsweise Berichte über die Methoden der Vertreibung von Palästinensern aus ihren Häusern, damit die Armee dort Stützpunkte einrichten kann. Bei solchen Räumungen wurden angeblich  vom Geheimdienst Shin Bet Familien ausgesucht, die keine Kontakte zu palästinensischen Kampfgruppen hatten, bei denen also nicht die Gefahr blutiger Auseinandersetzungen drohte. So kann man sich neue Feinde machen.

Als es zuletzt um Landesverrat geht und um die Weitergabe von Informationen, die die Sicherheit Israels gefährden könnten, entscheidet ein Gericht zu Gunsten von Breaking the Silence. Und da muss man dem Land wiederum ein gutes Zeugnis ausstellen. Die demokratischen Institutionen funktionieren immerhin.

Doch für einen dauerhaften Frieden wäre gegenseitiges Verständnis nötig – zwischen Israelis und Palästinensern und auch zwischen den kompromissbereiten und den nationalistischen Israelis, die von den Vorwürfen der Veteranen nichts wissen wollen. Und auf dieser psychologischen Ebene sieht es leider sehr trübe aus.

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Info:
SILENCE BREAKERS
von Silvina Landsmann, IL/F/D 2021, 88 Min.
Dokumentarfilm / Start: 24.03.2022