Neu auf DVD und Blu-ray ab dem 7. April 2022, Teil 3
Margarete Ohly-Wüst
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die 20jährige Bex (Svenja Jung) sitzt im Gefängnis, weil sie einen Autounfall verursacht hat, bei dem sie selbst und der Unfallgegner in der Spree gelandet sind. Ihre Verteidigerin Dr. Goldberg (Katja Riemann) eröffnet ihr, dass sie verpflichtet ist, an einem der Resozialisierungsprogramme des Gefängnisses teilzunehmen.
Die Programme werden von der Gefängnispädagogin Sara (Nicolette Krebitz) koordiniert. Allerdings hat sie gerade Pech mit ihrer Idee, den jungen Leuten mit Hilfe des Tanzlehrers Grzibowski (Andreas Pietschmann) Standarttänze beizubringen. Sara erinnert sich an ihre alte Freundin Ava (Jasmin Tabatabai), die zurzeit als Taxifahrerin arbeitet. Ava war früher eine bekannte Hip-Hop Tänzerin, die nach einem schrecklichen Unfall mit dem Tanzen aufgehören musste.
Nach einigem Nachdenken stimmt Ava zu und versucht, die jungen Strafgefangenen um Jay Winter (Ben Wichert), Fahid (Majid Kessab) oder Happy (Sebi Jaeger), die alle gerne tanzen, nicht nur mit ihrer eigenen Leidenschaft für Hip-Hop anzustecken, sondern sie möchte die bisherigen Einzelkämpfer zu einer Gruppe und damit zu einem Tanzensemble formen.
Bex sieht sich auch als Einzelkämpferin und hat selbst keine Lust, an dem Programm teilzunehmen. Sie hat nachts immer wieder Albträume, in denen ihre Zelle vom Wasser überflutet wird. Doch langsam findet sie Interesse an den Bewegungen, auch weil den Teilnehmern Vergünstigungen im Gefängnis und beim Freigang gewährt werden. Durch das Tanzen beginnt Bex sich langsam in die Gemeinschaft einzufügen. Daneben kommt sie vor allem auch Jay näher, der schon vorher ihr Interesse geweckt hat.
Der verantwortliche Mitarbeiter des Berliner Senats Herr Hartmann (Aleksandar Jovanovic) möchte das Projekt gerne beenden. Ava versucht ihre Schützlinge für ein Dance-Battle mit einer ihr bekannten Tanz-Gruppe fit zu machen, um Hartmann von dem Tanz-Projekt zu überzeugen.
Eigentlich geht es um ein viel größeres Projekt, das Ava vor vielen Jahren aufgegeben hat und das sie jetzt gerne zusammen mit ihren Schützlingen wieder aufnehmen würde. Doch nicht nur Bex wird von ihrer traumatischen Vergangenheit eingeholt, auch Jay, Fahid und besonders Ava müssen sich nicht nur der Vergangenheit stellen, sondern die Tänzer müssen auch entscheiden, was sie mit ihrem weiteren Leben anfangen wollen und ob sie wirklich in der Lage sind, ihr kriminelles Umfeld zu verlassen und ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen...
"Fly" ist nach "Into the Beat - Dein Herz tanzt" (2020) innerhalb kurzer Zeit der zweite deutsche Tanzfilm, ein Genre, das vor allem bei jungen Leuten sehr beliebt ist.
Regisseurin ist Katja von Garnier, die nach den drei ersten "Ostwind"-Pferdefilmen (2013, 2015, 2017) sich jetzt der Resozialisierung durch ein Tanz Projekt widmet. Für das Drehbuch zeichnen Katja von Garnier, Paula Romy und Daphne Ferraro verantwortlich. Das Thema Gefängnis und Musik wurde von der Regisseurin ja bereits 1997 in ihrem Film "Bandits" behandelt. Drei ihrer vier Hauptdarstellerinnen aus "Bandits" - Jasmin Tabatabai als Ava, Nicolette Krebitz als Sara und Katja Riemann als Dr. Goldberg - haben im hier besprochenen Film wieder Rollen übernommen.
Klar folgt das Drama dem üblichen Ablauf eines Tanzfilms: Da sind junge schwierige Leute, die anfangen sich für den Tanz - hier Hip-Hop - zu begeistern, gleichzeitig sollen sie aber auch lernen, nicht mehr Einzelkämpfer zu sein, sondern als Team zu arbeiten. Natürlich hat auch die Tanzlehrerin eine Geschichte in der Vergangenheit, die dazu geführt hat, dass sie das Tanzen aufgegeben hat. Es gibt Personen, die ihnen Steine in den Weg legen und es gibt die üblichen Unstimmigkeiten untereinander, die das Projekt beinahe scheitern lassen.
Wie in vielen anderen Tanz-Filmen auch geht das erste Battle (hier gegen eine Straßen Hip-Hop Gruppe) und die erste Choreographie schief. Letztendlich sind die Tänzer aber bereit, sich zusammen zu raufen, entwickeln eine eigene - viel spannendere - Choreographie und sind damit am Ende erfolgreich.
Bei "Fly" wurde das Rad nicht neu erfunden, sondern auch hier wurde der Film nach diesem Schema aufgebaut. Aus welchem Grund sollte man sich den Film trotzdem ansehen?
Neben der Hauptdarstellerin Svenja Jung als Bex, die gerade in der sechsteiligen deutschen Fernsehserie "Der Palast" (2021) in einer Doppelrolle geglänzt hat, ist in einer kleinen Rolle als Jays Bruder André Winter der französisch-deutsche Schauspieler Farba Dieng zu sehen, der für seine Rolle in "Toubab" (2020) mit dem Bayerischen Filmpreis 2021 in der Kategorie "Bester Nachwuchsdarsteller" ausgezeichnet wurde.
Weiter treten in "Fly" in den Haupt- und Nebenrollen vor allem Tänzer und Tänzerinnen auf, von denen viele zum ersten Mal in einem Film mitspielen. Dies führt dazu, dass vor allem die Tanzeinlagen beeindruckend sind. Da die meisten Darsteller selbst getanzt haben und keine Doubles brauchten, konnte Kameramann Torsten Breuer, der bereits mit Katja von Garnier bei "Bandits" und bei den ersten beiden Ostwind-Filmen zusammen gearbeitet hat, spektakuläre Bilder einfangen.
Für die Rollen von Jay Winter und Fahid konnte die Regisseurin mit Ben Wichert, dem bekannten Wuppertaler Tänzer und Choreografen der Hip-Hop Freestyle Tanzszene, sowie mit Majid Kessab, der eine Tanzschule in Krefeld betreibt, zwei absolute Asse der Hip-Hop Tanzszene gewinnen. Beide haben bereits internationale Tanztitel im Hip-Hop gewonnen. So war Ben Wichert z.B. der erste deutsche Tanzweltmeister in der Kategorie Hip-Hop Freestyle.
Für die Tanzszenen wurden weiterhin die Tänzer der Flying Steps gecastet, einer Tanzgruppe aus Berlin, die sich auf Breakdance, Popping und Locking spezialisiert hat und die bereits mehrere Breakdance-Weltmeisterschaften gewonnen hat. Die Flying Steps Academy hat auch schon bei dem Film "Into the Beat - Dein Herz tanzt" an der Choreographie und mit Tänzern mit gearbeitet.
Für die grandiosen Choreographien sind der französische Breakdancer Yaman Okur, die Tänzer Philipp „Pacman“ Chbeeb und Emilio Dosal und die Berliner Tänzerin Fatoumata Camara verantwortlich. Dabei wurde auch in außergewöhnlichen Locations wie dem Bode-Museum, dem Berliner Landgericht oder der Ruine der Franziskaner-Kirche an der Klosterstraße gedreht. Die Musik stammt von den Brüdern Vivan und Ketan Bhatti, die als Komponisten für Theater, Film und Fernsehen bekannt sind.
Der berufliche Hintergrund der Darsteller führt dazu, dass vor allem Svenja Jung - sowohl schauspielerisch als auch als Tänzerin - überzeugen konnte, dies gilt auch für Jasmin Tabatabai (mit einem Tanz-Battle, das doch etwas Over-the-Top ist), Nicolette Krebitz und Aleksandar Jovanovic. Katja Riemanns Rolle war kaum mehr als ein Cameo. Die übrigen Darsteller der Haupt- und Nebenrollen waren nicht herausragend, aber sie konnten vor allem in den hervorragend choreographierten Tänzen überzeugen, bei denen immer wieder auch eine Geschichte erzählt wurde.
Die Jugend Filmjury hat das Drama mit 4,5 von 5 Sternen bewertet und empfiehlt es ab 11 Jahren für alle, die Lust auf einen richtig guten Tanzfilm haben.
Insgesamt muss sich "Fly" durch die gelungenen Tanz-Choreographien, den hörenswerten Sound, die mehrheitlich guten schauspielerischen Leistungen, die tollen Locations und die angesprochenen Probleme nicht hinter ähnlichen Filmen aus dem Ausland verstecken. Das Drama bringt nichts Neues und mag von der Story her konventionell sein, aber es ist trotzdem nicht nur für Jugendliche und Erwachsene, die an Tanzfilmen Interesse haben, auch zu Hause sehenswert.
Zusatz: Unbedingt während des Abspanns sitzen bleiben, denn da dürfen sich die Hauptdarsteller noch einmal "tänzerisch" vorstellen.
Foto 1: Cover DVD © Studiocanal
Foto 2: Jay (Ben Wichert) und Bex (Svenja Jung) fühlen sich immer mehr zueinander hingezogen. © Studiocanal
Foto 3: v.l.n.r.: Charlie (Jenny "Tweety" Freitag-Praxmarer), Miyu (Yui Kawaguchi), Jay (Ben Wichert), Bex (Svenja Jung) und Wave (Christian "Robozee" Zacharas) © Studiocanal
Info:
"Fly" ist ab dem 07.04.2022 als DVD und Blu-ray und war bereits ab dem 24.03.2022 als EST/VoD im Handel verfügbar. Die DVD und Blu-ray enthalten jeweils eine deutsche Fassung auf der DVD in Dolby Digital 5.1 und auf der Blu-ray in DTS-HD MA 5.1. Die Untertitel sind bei beiden Formaten in Deutsch für Hörgeschädigte. Das Bildformat ist auf der DVD ist 2,40:1 anamorph und auf der Blu-ray in 2,40:1 1080/24p HD. Auf DVD und Blu-ray befindet sich jeweils eine Hörfilmfassung für Blinde und Sehgeschädigte in Stereo Dolby Digital.
Extras auf DVD und Blu-ray sind:
Featurette: Casting - mit Katja von Garnier (3:20 Min.)
Kinotrailer (1:52 Min.)
Fly (Deutschland 2021)
Genre: Tanzfilm, Drama
Filmlänge: ca. 110 Min.
Regie: Katja von Garnier
Drehbuch: Katja von Garnier, Paula Romy, Daphne Ferraro
Darsteller: Svenja Jung, Ben Wichert, Jasmin Tabatabai, Nicolette Krebitz, Majid Kessab, Aleksandar Jovanovic, Katja Riemann u.a.
Verleih: Studiocanal Home Entertainment
FSK: ab 6 Jahren