Die Wettbewerbsfilme der 64. Berlinale vom 6. bis 16. Februar 2014, Film 3
Claudia Schulmerich
Berlin (Weltexpresso) – Es , sind die Amerikaner, die sonst so gerne Remakes machen, diesmal liefert der algerisch-französische Regisseur Rachid Bouchareb eine neue Fassung von ENDSTATION SCHAFOTT, 1973 einem filmisches Duell von Alain Delon und Jean Gabin als Anklage gegen das französische Justizsystem.
Schriftsteller und Regisseur José Giovanni, der selbst im Gefängnis saß, hatte damals aus eigenen Erfahrungen heraus den Film als gesellschaftliche Anklage konzipiert.Hier erhält der von den Länder Frankreich, Algerien, USA und Belgien verantwortete Film aber eine neue Umgebung, denn er spielt im Grenzland zwischen Mexiko und den USA, in das immer wieder mexikanische Immigranten flüchten, die oft in der Wüste an Wassermangel und Entkräftung sterben. Auch am Totschlag, d.h. Mord. Darauf bereitet uns der Filmanfang vor, wie auch auf eine ältere amerikanische Weiße, die hierherzieht und die Pistole im Hosenbund trägt. Es ist, wie wir später erfahren, die Bewährungshelferin, anpackend gespielt von Brenda Blethyn, und ein weibliches Juwel in einer Männergesellschaft zwischen der Polizeigewalt, verkörpert vom Sheriff (Harvey Keitel) und Gangstern (Luis Guzmann).
Anfang und Ende sind visuell identisch. Wir sehen nah einen Schwarzen, der einen Körper durch den Sand schleift und wir sehen dann von weitem, daß er einen Stein sucht und mit dem Stein mehrmals, wie ein Ritual, auf den Boden haut, wobei wir denken müssen, daß er damit den Kopf dessen, den er zog, zerschmettert. So ist es auch, dazwischen aber liegt die ernstgemeinte, durch die Umwelt aber nicht akzeptierte Resozialisierung dessen, der vor 18 Jahren den Mitarbeiter des Sheriffs erschoß, wofür William Garnett (eins mit seiner Rolle und so beeindruckend wie bedauernswert Forest Whitaker) 18 Jahre im Gefängnis saß und seine Tat zu bereuen lernte. Ernsthaft.
Im Gefängnis wurde er auch fromm, konvertierte zum Islam und hält jetzt ständig Zwiesprache mit seinem Gott und bittet ihn um Hilfe gegen seine aggressiven Leidenschaften, die sich einstellen, weil ihn beide Seiten nicht in Ruhe lassen: es ist immer noch der gleiche Sheriff von damals, der ihm den Tod seines Mitarbeiters nicht verzeihen kann, und es ist immer noch derselbe Komplize von damals, den er im Prozeß nicht verriet und der jetzt aus Dank Garnett zu einem reichen Mann machen will, allerdings nicht hier, sondern in Mexiko.
William Garnett aber will in seiner alten Heimat nun der gute Bürger werden, der ein einfaches und gottgefälliges Leben führt, wozu ihm die Bewährungshelferin die Stange hält, denn sie bekommt schnell mit, daß der Sheriff den Ex-Sträfling schikaniert wie er kann und auch nicht davor zurückschreckt, die zarten Bande, die Garnett zu einer Bankangestellten knüpft, durch Observation zu zerstören. Da aber macht Garnett einmal etwas richtig und redet spät aber gerade noch rechtzeitig mit seiner neuen Liebe (Dolores Héredia).
Sonst macht er so ziemlich alles falsch, weil er die Aggressionen der anderen weder adäquat erwidern kann, noch ein eigenes Spiel betreiben lernt, sondern sich immer erst einmal viel gefallen läßt, bis er es dann doch nicht mehr aushält und mit körperlicher Gewalt reagiert. So auch, als seine Freundin zusammengeschlagen – wir wollen nicht verraten von wem - wird, und er daraufhin diesen Gewalttäter selber tötet. Ein Teufelskreis. Damit endet der Film, wir aber wissen, daß er den Rest seines Lebens wieder im Gefängnis verbringen wird. Ein düsterer Schluß angesichts der echten Reue des frommen Mannes.
Aus der Pressekonferenz
Die Produzenten und drei Hauptdarsteller, Brenda Blethyn als Bewährungshelferin, Dolores Héredia als neue Liebe, Forest Whitaker als William Garnett und Rachid Bouchareb, der Regisseur. Fragen galten dem Remake, das sich die meisten Mitwirkenden nicht angeschaut hatten. Fragen galten auch dem sehr differenziert dargestellten Charakter des Sheriffs, der angesichts der toten Mexikaner weint, aber alles tut, damit William Garnett auch so endet.
Wir hatten einen Einwand. Wenn Anfang und Ende des Films identisch sind, aber man einmal die Totschlagszene aus der Ferne und am Schluß von ganz nah sieht, dann macht man sich Gedanken, was vor allem daran liegt, daß man beide Male sieht, wie Garnett mit einem dicken Stein nach unten haut. Beim ersten Mal denkt man automatisch, er zielt auf das Gesicht zum zugehörigen Körper, aber beim zweiten Mal, nachdem der ganze Film über die Anstrengungen aufzeigt, die Garnett gelingen, um 'sauber' zu bleiben, hat sich beim Anschauen unsere Phantasie davon gestohlen und uns glauben machen, daß sein Gott diesem Garnett hilft und er den Stein nur neben das Gesicht in den Sand haut und anschließend diesen Mann wegen dessen Gewalt anzeigt und das Leben führen kann, das er wollte: einfach und ohne Gewalt. Aber der Regisseur läßt keinen Ausweg zu. Warum aber dann diese Doppelung in unterschiedlicher Perspektive?
INFO:
Frankreich / Algerien / USA / Belgien 2013, 120 Min
Englisch, Spanisch
REGIE: Rachid Bouchareb
DARSTELLER
Forest Whitaker
Harvey Keitel
Brenda Blethyn
Luis Guzmán
Dolores Héredia