Die Wettbewerbsfilme der 64. Berlinale vom 6. bis 16. Februar 2014, Film 12
Claudia Schulmerich
Berlin (Weltexpresso) – Der 91jährige französische Regisseur Alain Resnais ist zu Recht eine Ikone des Films und schon mit seinem ersten Spielfilm HIROSHIMA, MON AMOUR in unser aller kulturellem Filmgedächtnis verankert. Mit seinem neuesten Werk, einer filmischen Adaption eines Stückes von Alan Ayckbourne, hat er uns dagegen nicht glücklich gemacht.
Aber wohl sich selbst, denn es ist nach SMOKING/NO SMOKING (1993) und COURS (2006) das dritte Mal, daß Resnais eine Vorlage des so erfolgreichen Briten für den Film aufbereitet. Daß dabei auch die Leinwand als Bühne benutzt wird, wir uns also an ganz wenigen Orten mit dem literarischen Personal aufhalten, müßte kein Übel sein. Vorbereitet wird die Szenerie durch die Illustrationen von Bluth/Christian Hincker, der per Totale uns über Wälder und Parks in Rosengärten und die Orte führt, wo sich die drei Paare fetzen, hetzen, setzen und ihre Lebensträume reflektieren. Mitten in die Proben zu einem Theaterstück, das Colin (Hippolyte Girardot) und Kathryn (Sabine Azéma) mit ihrer Amateurgruppe aufführen wollen, platzt eine schreckliche Nachricht: Ihr Freund George ist schwer erkrankt und hat nur noch wenige Monate zu leben.
Nicht nur für Kathryn, die einmal mit ihm liiert war, sondern auch für deren Freundinnen Tamara (Caroline Silhol) und Monica (Sandrine Kiberlain) gerät die Welt aus den Fugen. Denn George will noch einmal nach Spanien verreisen und jeder der drei will ihn dahin begleiten. Dabei spielen die beiden anderen Ehemänner Simeon (André Dussollier) und Jack (Michel Vuillermoz) nur eine untergeordnete Rolle, was sie durch viele Worte ausgleichen wollen. Deutlich wird, daß bei allen eine Abrechnung mit ihrem eigenen Leben und dem Verhalten der Partner stattfindet und sowohl die damaligen Gefühlsverwirrungen wie auch die eigentlichen Lebensträume eine Rolle spielen.
Daß George dann keine der drei, dafür die Tochter der Exgeliebten auf seine letzte Reise mitnimmt, entdecken wir bei seinem Begräbnis, das alles dramatische Geschehen um die Gefühle von gestern und heute zusammenfaßt. Doch das Welttheater, das man sich, auf die wenigen Personen zugespitzt, erwarten durfte, fesselte uns nicht. Uns war das irgendwie von gestern, ja sogar altbacken. Der beabsichtigte Wortwitz hatte uns nicht erreicht und auch nicht die gewollte ironische Distanz des weisen greisen Menschenkenners Resnais. Schade für uns.
Aus der Pressekonferenz
Anwesend:
Blutch/Christian Hincker, Ilustrator
Sandrine Kierlain, Monica
André Dussollier, Simeon
Sabine Azéma, Kathryn
Hippolyte Girardot, Colin
Caroline Silhol,Tamara
Jean-Louis Livi, Produzent,
Jean-Marie Besset, Drehbuchautorin
Gefragt wird: Welche Szene hat ihm/ihr besonders gut gefallen. Sandrine Kierlain denkt an keine besondere. Aber – so Dussellier - dieser ist einer meiner Lieblingsfilme, die Szene, wo sie heimlich die Zigarette raucht, ihm am liebsten. Auch er redet vom tiefen Vertrauen zum Regisseur. Azéma ist zufrieden, versucht ihr Bestes zu geben. „Keine Lust, mich selbst beurteilen zu müssen. Ich stelle mir diese Fragen nicht, weil ich ansonsten auch nicht mehr schauspielern könnte.“
Girardot versucht davon zu reden, warum man das nicht machen sollte, sich selbst kritisch anzuschauen. Er fand sich unterschiedlich und etwas ältlich, nicht gut angezogen. Er fragt auch die anderen, wo er gut gewesen sei. Die Uhrenszene hat er oft geprobt. Die hat ihm am besten gefallen. Aber warum ist von allen Aufnahmen gerade diese Fassung genommen worden?, fragt er ohne eine Antwort zu erhalten. Der bewährte Alain Resnais war wegen Krankheit nicht anwesend und so wurde interpretiert: Resnais hat etwas herausgekitzelt, von dem er gar nicht wußte, daß er das kann. Szene im Rosengarten, da gibt es diese Szene mit Zärtlichkeit mit ihrem Ehemann, leicht verzweifelt....
Warum man im Stück nicht singt? Der Titel bedeutet nur, den Inhalt von Leben wiederzugeben. Der Titel klinge geradezu surrealistisch. Die Lust an diesen drei Wörtern, da hat man doch gleich Lust, zu lieben, zu trinken, zu singen. Dabei ist dieses Aneinanderreihen in der Französischen Sprache das A B C. Resnais, er ist heute 91 Jahre, hat das Stück Wort für Wort übernommen Er liebt die Literatur. Wie schwierig ist es, heute solche Filme zu produzieren? Der Produzent Jean-Louis Livi antwortet mit „ja“, also sehr schwierig, aber er möchte die Filmindustrie nicht kritisieren, weil sie alle von ihr abhängig sind. Dennoch findet er, daß solche Leute wie Resnais, wie Kaurismäki, wie Polanski, einfach gefördert gehören. Frau Azéma meint, daß es immer schwierig war für Resnais, seine Filme zu finanzieren. Sie dankt dem Produzenten, der seine Sorgen vor Alain verbergen konnte. Es ist für Alain Resnais heute eigentlich leichter, Filme machen zu können. Das Französische Fernsehen hat den Film auch unterstützt. Die Dreharbeiten fanden alle in Paris statt, aber die Regionaler Regierung hat kein Geld gegeben, obwohl sonst finanziell unterstützt wird, was dort gedreht wird.
Für den Illustrator ist es die dritte Zusammenarbeit mit Resnais und mußte ansonsten „die Brösel zusammenräumen“. Hier war er von Anfang an dabei. Für ihn ist Resnais anachronistisch. „Er ist aus der Zeit gefallen. Ich sehe ihn als alten Maler, der wie in einem Künstleratelier seine Gemälde fertigstellt, so ist sein Filmemachen.“ Fragen der Übersetzung...mit englischem Akzent geschauspielert. Viele Überlegungen zu den französischen Übersetzungen des englischen Originals. Das Geschirr ist englisch, die Kleidung auch, also war das Dekor englisch. Die Schauspieler mußten Biographien über ihre Partner schreiben, also dem Charakter einen Hintergrund zu geben, Eltern, Erziehung... Es ist eine intensive Arbeit gewesen, was so locker als reine Unterhaltung im Film erscheint.
INFO:
Frankreich 2013, 108 Min
Französisch
REGIE
Alain Resnais
DARSTELLER
Sabine Azéma
Sandrine Kiberlain
Caroline Silhol
André Dussollier
Hippolyte Girardot
Michel Vuillermoz