Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. Mai 2022, Teil 2
Redaktion
Madrid (Weltexpresso) - 2013 erschien in der Tageszeitung El País ein langes Interview mit Maixabel Lasa über ihr Treffen mit einem der Mörder ihres Mannes. Das war die Initialzündung für die Produzenten Koldo Zuazua und Juan Moreno, die sich schon lange mit der Idee zu einem Film über den schwierigen Weg der Aussöhnung in der baskischen Gesellschaft trugen. "Maixabel verkörperte alles, was wir gesucht hatten. Es liegt etwas Notwendiges in dem, was da auf sehr persönliche und vorsichtige Weise geschehen ist, der Keim der Versöhnung", sagt Koldo Zuazua. "Die Botschaft des Films ist: Es ist möglich. Wenn es diesen zwei Menschen möglich war, dann ist es für alle möglich, für jeden Konflikt", ergänzt Juan Moreno.
Zuazua und Moreno fragten Icíar Bollaín und die Autorin Isa Campo, ob sie dieses Projekt machen wollten. "Ich hatte dieses Interview gelesen", sagt Icíar Bollaín. "Es erschien mir unglaublich, dass ein Opfer bereit war, sich mit der Person zu treffen, die ihm so viel Schmerz zugefügt hat. Gleichzeitig musste ich darüber nachdenken, welche Reise die Täter unternommen haben. Wie wird aus einem Mitglied der ETA, das Morde begangen hat, derjenige, der sich einem seiner Opfer stellt?" Das Drehbuch schrieb Icíar Bollaín dann gemeinsam mit Isa Campo, der langjährigen Autorin von Isaki Lacuesta. "Ich kannte Isa bis dahin nicht persönlich", sagt Bollaín, "es war eine großartige Möglichkeit, gemeinsam mit ihr zu arbeiten. Sie war es dann vor allem, die eine Struktur für die Geschichte gefunden und die Hauptlast beim Schreiben getragen hat."
RECHERCHE
"Wir haben versucht, das Puzzle dieser komplexen Geschichte von vielen Seiten aus zusammenzusetzen", sagt Isa Campo. Am wichtigsten dabei waren die persönlichen Begegnungen. Über ein Jahr lang trafen Icíar Bollaín und Isa Campo immer wieder Maixabel Lasa, ihre Tochter María und Zeitzeug:innen wie die Leiterin des Opfer-Täter-Programms Esther Pascual, dann auch Ibon Etxezarreta, Luis Carrasco und andere ETA-Dissidenten. "Normalerweise hat man nicht diesen Zugang aus erster Hand", sagt Isa Campo, "wie jemand zum Terroristen wird, warum er zu zweifeln beginnt, warum er sich schließlich mit dem Opfer trifft. Ebenso Maixabels Entwicklung von dem Moment an, wenn sie vom Anschlag erfährt, bis zum Moment, da sie dem Täter gegenüber sitzt. Es war eine aufwühlende Reise für uns alle. Die Protagonisten der Geschichte haben uns bei der Hand genommen und erzählt, was sie erlebt haben. Bei jedem Treffen war es so, als würden wir die Seelen unserer Gesprächspartner berühren."
Icíar Bollaín erinnert sich, dass ihr zu Beginn der Arbeit fast schwindlig wurde angesichts der Herausforderung. "Maixabel und unzählige andere Opfer in Spanien haben wirklichen, unendlichen Schmerz erfahren. Das verlangt Respekt und Zurückhaltung. Zum zweiten, weil wir die Geschichte zwar aus Maixabels Perspektive und der ihrer Tochter erzählen wollten, aber die andere Seite auch präsent sein musste. Man musste alle Beteiligten kennenlernen, auch die Mörder und ihre jahrelangen Prozesse der Veränderung. Es brauchte Kontext und Hintergrund, um diese Welt, um diese Geschichte erzählen zu können."
WIRKLICHE MENSCHEN
"Wir sind davon ausgegangen, dass diese Geschichte ebenso wahr wie unglaublich ist", sagt Icíar Bollaín. "Sie ist singulär, nicht repräsentativ. Maixabel ist eine sehr außergewöhnliche Frau. Es gab nur sehr wenige Begegnungen von Opfern mit den wirklichen Tätern: Maixabel hat das gemacht. Sie hat etwas Einzigartiges, eine große Klarheit in ihren Ideen. Sie ist sehr transparent, strahlend, nicht nur auf der persönlichen Ebene, sondern auch in ihrem Beitrag zur Aussöhnung der Gesellschaft. Sie hat viel Gegenwind erfahren, von Seiten der Opfer, aber auch aus ihrem Umfeld." Icíar Bollaín kannte das Risiko, fiktionale Filme über wirkliche, lebende Menschen zu machen, bereits von ihrem Film ‚Yuli'. Wurde dort der Tanz schließlich zum dramaturgischen und künstlerischen Mittel, um die Lebensgeschichte Carlos Acostas zu erzählen, entschieden sich Campo und Bollaín bei ‚Maixabel' dafür, nah und nüchtern an den Ereignissen zu bleiben. Das eigentliche Drama, die Emotionen sind in den Zwischenräumen der Geschichte angesiedelt.
Forstetzung folgt
Foto:
©Verleih
Info:
MAIXABEL
BLANCA PORTILLO ... Maixabel Lasa
LUIS TOSAR ... Ibon Etxezarreta
URKO OLAZABAL ... Luis Carrasco
MARÍA CEREZUELA ... María Jauregui
TAMARA CANOSA ... Esther Pascual
MARÍA JESÚS HOYOS ... Ibons Mutter
ARANTXA ARANGUREN ... Carmen
Regie ... ICÍAR BOLLAÍN
Buch ... ISA CAMPO & ICÍAR BOLLAÍN
Kamera ... JAVIER AGIRRE ERAUSO
Editor ... NACHO RUIZ CAPILLAS
Filmmusik ... ALBERTO IGLESIAS
Abdruck aus dem Presseheft