MITTENDRIN. Persönliches Tagebuch der BERLINALE 2014, Teil 7

 

Hanswerner Kruse

 

Berlin (Weltexpresso) - Früh gehe ich lustlos in den deutschen Wettbewerbsbeitrag „Zwischen Welten“. Ich erwarte ein dröges afghanisches Kriegsdrama und werde überrascht: Es ist ein spannender und anrührender Spielfilm, in dem sich die ganze Problematik des Krieges in persönlichen Beziehungen verdichtet.

 

Auch der Wettbewerbsfilm „Jack“ überraschte mich. Ich befürchtete eine sozialpädagogische Schmonzette, erlebte aber einen kraftvollen Elfjährigen, der durch die Berliner Nächte streicht, um seine umtriebige Mutter zu finden.

 

Neben diesen beiden haben die Deutschen noch zwei weitere Filme im Wettbewerb, alle sind besser als angenommen. Und auch in anderen Sparten gibt es viel deutsches Kino. Auf den interessanten, dann aber so blutrünstig werdenden „Stereo“ hatte ich hier schon geschimpft. Deutsche Regisseurinnen drehen in New York aufregende Avantgardefilme, etwa Josephine Decker. Bei ihr passiert nicht viel, aber die oft unscharfen Filmszenen werden nur fokussiert, wenn Figuren bedeutsam werden, Gewaltbilder blitzen nur kurz auf, Neue Musik schafft große Spannung: Sind das verblassende Träume, unscharfe Erinnerungen, vage Fantasien?

 

Ich liebe solch verwirrende Filme. Das verstellt aber auch den wohlwollenden Blick auf konventionell gestaltete Werke, die ich dadurch zunächst langweilig fand. Ausländische Berlinale-Highlights – „Budapest Hotel“, Monuments Men“ – sind eigentlich auch deutsche Filme, denn viele wurden hier gedreht. Die internationalen Regisseure lieben die Babelsberger Studios in Potsdam oder nutzen gerne das schöne Görlitz als reale Filmstadt.

 

Aber ich vermisse intelligente deutsche Komödien wie Doris Dörrie sie macht. Warum ihr neuer Film „All inklusive“ nicht auf dem Festival anläuft, wollte die Leitung nicht sagen. „Wir reden hier von den kuratierten, nicht von den unkuratierten Filmen“, blaffte mich Dieter Kosslick auf der Pressekonferenz an.

 

 

INFO:

 

Hanswerner Kruse (65) ist freier Journalist und Filmkritiker aus Schlüchtern. Er pendelt seit fünf Jahren zum Festival und schreibt für uns ab heute wieder täglich über seine Eindrücke von der Berlinale.

 

KRUSES BERLINALE-TAGEBUCH: Wie Karneval oder Fußball-WM: JETZT GEHT'S LO-HO-S

 

Erste Berlinale: 1951

Amtsantritt von Festivalchef Dieter Kosslick: 1. Mai 2001

Verkaufte Tickets: etwa 300 000 (2013)

Fachbesucher: etwa 20 000, darunter 3700 Journalisten

Filme insgesamt: rund 400

Filme im Wettbewerb: 23, davon haben 20 Chancen auf einen Bären

Dauer des Festivals: 11 Taqe

Mitglieder der Jury: 8

Geld, das die Berlinale der Stadt Berlin bringt: 125 Millionen Euro

Etat: 21 Millionen