MITTENDRIN. Persönliches Tagebuch der BERLINALE 2014, Teil 6

 

Hanswerner Kruse

 

Berlin (Weltexpresso) - Das Blut quillt aus den Kinos und färbt die Teppiche der Stars blutrot: Kino 2014 – wenn ich mal eines seiner typischen Stilmittel als Metapher wähle. Selbst Mainstream im Zoo-Palast wie der deutsche Film „Stereo“, mit Jürgen Vogel und Moritz Bleibtreu, oder das surreale chinesische Werk „The Midnight After“ enden nach interessanten eineinhalb Stunden mit ergiebigen Massakern.

 

Am Schluss des chinesischen Traumspiels strömen die Akteure in den Saal, die soeben im Film einen Jungen abgeschlachtet haben – zwar aus guten Gründen, aber ich mache mich im Jubel des Publikums doch lieber aus dem Staub. Auch viele andere Berlinale-Filme verzichten nicht auf lange, blutige Sequenzen um uns Zuschauern die Probleme von Ehre und Rache nahe zu bringen. Dadurch entsteht eine Tarantino-isierung des Kinos, allerdings meist ohne den Distanz ermöglichenden Humor des Kultregisseurs.

 

Aber der Zoo-Palast, in dem ich die zwei blutigen Premieren erlebte, ist großartig. Das wohl bekannteste deutsche Kino wurde nach jahrelangem Leerstand aufwändig restauriert und vor kurzem neu eröffnet. „Back To The Zoo“, schrieb Berlinalechef Dieter Kosslick dazu ins Programmheft. Einst schlug hier das Herz des Filmfestes, jetzt finden wieder Festivalpremieren statt.

 

Hans-Joachim Flebbe, Erfinder der luxuriösen Astor kinos, hat den Palast neben dem Berliner Zoo zu neuem Leben erweckt. In dem „Erwachsenenkino“, wie er es nennt, schuf er einen Riesensaal für 800 und zwei Säle für jeweils etwa 300 Besucher. Man sitzt in riesigen Sesseln mit guter Sicht und viel Beinfreiheit. Popcorn gibt es nicht, dafür in zwei weiteren Clubkinos kulinarische Köstlichkeiten und edle Weine. Das „Kintopp“ ist im 50er-Jahre-Stil prächtig modernisiert, bietet gehobenes Ambiente und beweist – trotz der Blutlachen: Auch 2014 lebt das Kino!

 

INFO:

 

Hanswerner Kruse (65) ist freier Journalist und Filmkritiker aus Schlüchtern. Er pendelt seit fünf Jahren zum Festival und schreibt für uns ab heute wieder täglich über seine Eindrücke von der Berlinale.

 

KRUSES BERLINALE-TAGEBUCH: Wie Karneval oder Fußball-WM: JETZT GEHT'S LO-HO-S

 

Erste Berlinale: 1951

Amtsantritt von Festivalchef Dieter Kosslick: 1. Mai 2001

Verkaufte Tickets: etwa 300 000 (2013)

Fachbesucher: etwa 20 000, darunter 3700 Journalisten

Filme insgesamt: rund 400

Filme im Wettbewerb: 23, davon haben 20 Chancen auf einen Bären

Dauer des Festivals: 11 Taqe

Mitglieder der Jury: 8

Geld, das die Berlinale der Stadt Berlin bringt: 125 Millionen Euro

Etat: 21 Millionen