MITTENDRIN. Persönliches Tagebuch der BERLINALE 2014, Teil 5

 

Hanswerner Kruse

 

Berlin (Weltexpresso) - Du rennst! kurz! und schnell! auf mich! zu!“ Frühmorgens in der S-Bahn trägt mir ein junger, blonder Mann mit eindringlicher Stimme seine seltsamen Gedichte vor, „neben den traeumen unserer letzten nacht…“ Todmüde kaufe ich ihm einige handgeschriebene Blätter ab, 50 Cent das Stück.

 

 

Bald sitze ich im Film über Friedrich von Schiller, „Die geliebten Schwestern“, der Hauptdarsteller spricht leidenschaftlich wie der Dichter aus der Bahn. Und sieht auch noch so aus.

 

Nach drei Stunden Schiller frage ich mich, ganz kurz nur, wie kommen die Schauspieler so schnell aus den historischen Klamotten, dass sie gleich normal angezogen zur Pressekonferenz gehen können? Ich bin ja immer fasziniert, wenn ich eben noch die Filmfiguren auf der riesigen Leinwand im Berlinale-Palast gesehen habe und wenig später sitzen sie einem in der Pressekonferenz gegenüber. Zwar etwas kleiner, aber lebendig. Manchmal stürzen sie filmreif fluchend aus dem Saal, so wie der Hollywood-Star Shia LaBeouf gestern.

 

Eine Plakatwand wirbt für das Imax im Sony Center, „Superheld nur sehen – oder selber einer sein?“ Letztes Jahr zeigte der Film „The Congress“ diese Zukunft des Kinos: Man wirft halluzinogene Pillen ein, wird zur selbst gewählten Filmfigur und lebt zeitweilig mit anderen Stars zusammen. Ganz so ist es noch nicht bei der Berlinale am Potsdamer Platz, aber Realität und Film verweben sich – besonders heftig, wenn abends die Straßen rund um das Festspielhaus mit goldenen Sternen und Tropflichtern illuminiert sind. Dann laufe ich in dem goldenen Clip herum, der vor jedem Festivalfilm läuft…

 

INFO:

 

Hanswerner Kruse (65) ist freier Journalist und Filmkritiker aus Schlüchtern. Er pendelt seit fünf Jahren zum Festival und schreibt für uns ab heute wieder täglich über seine Eindrücke von der Berlinale.

 

KRUSES BERLINALE-TAGEBUCH: Wie Karneval oder Fußball-WM: JETZT GEHT'S LO-HO-S

 

Erste Berlinale: 1951

Amtsantritt von Festivalchef Dieter Kosslick: 1. Mai 2001

Verkaufte Tickets: etwa 300 000 (2013)

Fachbesucher: etwa 20 000, darunter 3700 Journalisten

Filme insgesamt: rund 400

Filme im Wettbewerb: 23, davon haben 20 Chancen auf einen Bären

Dauer des Festivals: 11 Taqe

Mitglieder der Jury: 8

Geld, das die Berlinale der Stadt Berlin bringt: 125 Millionen Euro

Etat: 21 Millionen