MITTENDRIN. Persönliches Tagebuch der BERLINALE 2014, Teil 8

 

Hanswerner Kruse

 

Berlin (Weltexpresso) - Mit der Zeit werden die weichen Sessel im Festspielhaus hart, auch die Filme im Wettbewerb sind immer länger. Unter zwei Stunden – Überlänge, wie das einst hieß und extra kostete –, geht gar nichts mehr, der Trend geht zum Dreistunden-Epos.

 

Zwischen diesen Mammutwerken Pressekonferenzen, danach heißt es, sofort anstehen für den nächsten Film. Man kann dann im Stehen die kostenlosen Berliner Zeitungen lesen, essen, ins Tablet tippen wie ich gerade – oder mit Nachbarn ins Gespräch kommen.

 

Ich erfahre dabei viel Interessantes, wenn ich mit dem Filmpfarrer aus Süddeutschland schwatze, der Berliner Mutter eines Platzanweisers, der eigentlich Regie studiert hat, oder einer Mainzer Doktorandin, die über „Apokalypse im Film“ schreibt. Ich lobe den ARD-Produzenten, später die ZDF-Redakteurin, dass es ohne das „Öffentlich-Rechtliche“ ja wohl nur die Hälfte der Filme auf der Berlinale gebe. Das hören sie gerne, denn meistens kriegen sie nur geschimpft.

 

Die Mitarbeiterin des ZDF-Morgenmagazins kann mir nicht helfen, kurz mit Anke Engelke zu sprechen. Das geht nur über deren Referentin, das sagt Anke mir sogar selbst, als ich sie in einer Pressekonferenz anquatsche: „Ich komme sonst um in meinen Terminen!“

 

Die Professorin für Filmwissenschaft in Berlin und China interpretiert uns die vielen chinesischen Filme, die im Wettbewerb laufen. Seit Wong Kar-Wai und anderen Filmemachern weiß man ja, das chinesische Kino hat globales Niveau. Auch die auf der Berlinale gezeigten Werke sind eine seltsame Mischung aus internationaler Filmsprache und chinesischen Besonderheiten. Viele der von uns gesehenen Sexszenen werden noch rausgeschnitten, meint die Fachfrau, jedoch der Anblick überall herausquellender Körperflüssigkeiten wie Spucke, Sperma, Schleim oder Blut wird von den Chinesen sehr geschätzt!

 

 

INFO:

 

Hanswerner Kruse (65) ist freier Journalist und Filmkritiker aus Schlüchtern. Er pendelt seit fünf Jahren zum Festival und schreibt für uns ab heute wieder täglich über seine Eindrücke von der Berlinale.

 

KRUSES BERLINALE-TAGEBUCH: Wie Karneval oder Fußball-WM: JETZT GEHT'S LO-HO-S

 

Erste Berlinale: 1951

Amtsantritt von Festivalchef Dieter Kosslick: 1. Mai 2001

Verkaufte Tickets: etwa 300 000 (2013)

Fachbesucher: etwa 20 000, darunter 3700 Journalisten

Filme insgesamt: rund 400

Filme im Wettbewerb: 23, davon haben 20 Chancen auf einen Bären

Dauer des Festivals: 11 Taqe

Mitglieder der Jury: 8

Geld, das die Berlinale der Stadt Berlin bringt: 125 Millionen Euro

Etat: 21 Millionen