koscher2Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 4. August 2022, Teil 1

Redaktion

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Schon die Entwicklung des Drehbuchs ist abenteuerlich: Von der ersten Idee über die LOLA für den Deutschen Drehbuchpreis, mit dem „NICHT GANZ KOSCHER – Eine göttliche Komödie“ (No Name Restaurant) bereits 2011 ausgezeichnet wurde, bis zum fertigen Film war es ein weiter Weg. Die Anfänge schildert Drehbuchautor und Regisseur Stefan Sarazin: Anfang der 2000er Jahre zog er sich für ein paar Wochen in den Sinai zurück. Er wohnte in Dahab in einem schäbigen Zimmer mit zwei Fenstern: Eines ging nach Osten aufs Rote Meer in Richtung Wadi Rum, wo viele Jahre später die Wüstenszenen gedreht werden sollten, ein anderes nach hinten direkt in die Wüste Sinai. „In Zimmer 27 konnte man morgens die Sonne über dem Meer auf- und abends in der Wüste hinter einem Hügel wieder untergehen sehen,“ erinnert er sich. Dort unterhielt er sich ab und zu mit dem Beduinen Adel, mit dem er sich angefreundet hatte und der im Tauchshop des Camps für die Touristen Sauerstoffflaschen reparierte.


Hintergründe

Irgendwann entdeckte Sarazin am Rande der Wüste Sinai ein ausrangiertes Fischerboot, dem jemand "No Name Restaurant“ auf die Bordwand gepinselt hatte, und fragte sich, wie es zu seinem Namen und dorthin gekommen sei. Auch Adel wusste es nicht. Bei einem gemeinsamen Ausflug zum Boot hörten die Freunde in den Nachrichten vom Ausbruch der zweiten Intifada. „Wir sprachen über das Verhältnis zwischen Arabern und Juden und mich wunderte, wie milde Adel über den vermeintlichen Erzfeind redete, immerhin hatte dieser nach dem Sechstagekrieg lange Zeit den Sinai okkupiert,“ erzählt Sarazin. Als Adel ihm von den an der Sinaiküste entstehenden Hotels berichtete, meist von ausländischen Investoren, die mit allerlei Tricks versuchten, den Beduinen ihr Land abzujagen, begann sich für Sarazin eine Geschichte abzuzeichnen: Ein Beduine, der um sein Land und seine Identität kämpft, westliche Kapitalisten und ein weltfremder amerikanischer Jude, der im Sinai ein wertvolles Stück Land geerbt hatte. Zurück in Deutschland erzählte er die Story einer guten Freundin, Freyja Weinert, mit der er schon öfter über Ideen für Filmgeschichten gesprochen hatte. Sie fand die Story zwar nicht schlecht, aber auch nicht sonderlich überzeugend.

2005 pitchte er die Geschichte dann Peter Keller, den er im Sommer beim Tiburon Film Festival nahe San Francisco kennen und schätzen gelernt hatte, wo beide für ihre dort gezeigten Filme den ersten Preis gewannen - Peter Keller für seinen Kurzfilm „Schicht“, Sarazin für „Nitschewo" - und fragte ihn, ob er mit am Drehbuch arbeiten wollte. Keller fand die Story zunächst auch nicht so prickelnd und lehnte höflich ab.


Von der Grundidee zum finalen Script

Nach der Lektüre zahlreicher Bücher über den Islam, die Beduinen und das Judentum sowie einer weiteren Reise auf den Sinai kam Sarazin auf den Gedanken, aus dem amerikanischen Juden einen Chassiden, einen ultraorthodoxen Juden zu machen und aus der bisherigen Geschichte eine über alle drei Buchreligionen. Dazu fehlten nun nur noch die Christen – sie fanden später in Form der Mönche aus dem Katharinenkloster am Berg Mose in die Geschichte. Ein Abstecher nach Alexandria in die Synagoge bereitete 2006 den Weg für das spätere Drehbuch. Sarazin erfuhr, dass die dortige jüdische Gemeinde, die einst die größte der Welt war, auf eine Handvoll Männer zusammengeschrumpft war und drohte, alles zu verlieren, wenn sie keine religiösen Feste mehr feiern konnte. Und für einen jüdischen Gottesdienst braucht es zehn Männer. „Als ich Freyja davon berichtete, ging ein göttlicher Funke auf sie hernieder oder sie hatte einen Geistesblitz, denn sie sagte: ‚Warum geht dein Jude nicht als zehnter Mann durch die Wüste nach Alexandria? Wie beim Exodus bloß in die andere Richtung?‘“

Es war die entscheidende Wende, aus der sich die Idee zu einem Buddy-Road-Movie mit religiösem Hintergrund entwickelte: Zwei sich stetig streitende, aber immer wieder versöhnende Männer, drei Religionen, ein Gott. „Das Grundgerüst von "No Name Restaurant", so der ursprüngliche Titel, stand endlich“, so Stefan Sarazin.

Das überzeugte schließlich auch Peter Keller. Im Herbst 2007 begannen sie ihre gemeinsame Arbeit


Sorgfältige Recherche

Für ihr Drehbuch recherchierten die beiden Autoren akribisch. Ab 2007 fuhren sie wiederholte Male in den Nahen Osten, nach Jerusalem und schließlich nach New York, um sich in Brooklyn in der jüdischen Gemeinde umzutun. „Das waren teils konspirative Treffen,“ erinnert sich Keller, „damit die überhaupt mit uns reden konnten.“ Das entstandene Treatment überzeugte den FFF Bayern zu einer Drehbuchförderung, mit deren Hilfe sich Sarazin und Keller 2009 schließlich in die Sinai-Wüste zurückziehen konnten, wo sie unterm Sternenhimmel in intensiven 40 biblischen Tagen gemeinsam das Drehbuch schrieben.

„Wir wissen noch genau, welchen Felsen wir wann debattierend umgewandert haben,“ meint Keller.

„Es war ein Herzensprojekt von beiden,“ meint Produzent Fritjof Hohagen, „an dem sie mit Vollgas über einen langen Zeitraum gearbeitet haben. Dadurch ist das Buch auch sehr genau geworden.“ Er selbst ist seit sechs Jahren im Boot.

Foto:
©Verleih

BESETZUNG
Ben.       Luzer Twersky
Adel       Haitham Omari
Gaon     Makram Khoury
Präfekt      Yussuf Abu-Warda
Ada       Raida Adon
Yechiel  Sinai Peter
Yael      Keren Or
Ägyptischer Lieutenant    Adeeb Safadi
Taxifahrer    Josh Sagie
Busfahrer Ghassan Ashkar


STAB
Regie.     Stefan Sarazin, Peter Keller
Drehbuch.     Stefan Sarazin, Peter Keller
nach einer Idee von Stefan Sarazin und Freyja Weinert

Abdruck aus dem Presseheft