da kommt1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 29. September 2022, Teil 12

Redaktion

Berlin  (Weltexpresso) – „Der Blick auf die Welt“: Wie sind Sie auf die Idee zu dem Stoff gekommen? Gibt es Vorbilder?
Ich wollte über Einsamkeit erzählen. Nicht im Sinne von Alleinsein, sondern wie es ist, wenn man eigentlich Leute um sich hat und trotzdem einsam ist. Das wollte ich gerne in der älteren Generation erzählen. Ich finde es ganz spannend, dass eine schon ältere Frau noch einmal so vom Leben herausgefordert wird.

DA KOMMT NOCH WAS handelt von einer anderen Generation als Ihr erster Spielfilm „Dinky Sinky“.

Es geht aber wieder um eine besondere Frauenfigur. Ja, wobei die ältere Generation auch in „Dinky Sinky“ schon vorkommt, in der Figur der Mutter.


Gibt es etwas Verbindendes zwischen diesen Frauenfiguren?

Auf jeden Fall. Beide katapultieren sich aus ihrem sozialen Umfeld heraus, daran tragen sie jeweils eine gewisse Mitverantwortung. Die Situationen, in denen sie sich befinden, sind unterschiedlich. Die Einsamkeit prägt sie beide, und das Schwierige im Umgang mit anderen.


Sie beobachten sehr genau. Wie gelingt dieses tiefe, unaufgeregte Hinschauen?

Was mich immer interessiert, sind die inneren Dämonen einer Figur, ihr innerer Antagonismus. Das ist sehr spannend im Zusammenspiel und Aufeinandertreffen mit anderen. Das interessiert mich generell, auch im Leben und bei meinen Mitmenschen: Der Blick auf die Welt.


Wie die spezielle Figur auf die Welt, ihre Umgebung, die Mitmenschen blickt?

Der Film ist mein Blick auf die Welt, das, was mich interessiert, wenn ich mich umschaue. Bei den Figuren selbst interessiert mich eher, wie stehen die sich selber im Weg. Aber da gehört der Blick natürlich auch dazu.


Im Stich lassen Sie Ihre Figuren nie, Ihre Sichtweise v.a. auf die Frauen ist immer voller Empathie. Ist Ironie wichtig?

Ein humorvoller Blick ist unbedingt wichtig!


Mit dem Humor ausgetobt haben Sie sich v.a. bei der Gruppe von Freundinnen. Gab es für die Vorbilder?

In jedem Fall für einzelne Figuren, wie Brigitte. Aber für eine Gruppe älterer Damen gab es keine konkrete Vorlage.


Wie ist Ihr Blick in die Welt, der sich in verschiedenen Figuren und Konstellationen manifestiert?

Ich werde oft gefragt, warum ich hier eine ältere Generation erzähle und woher ich sie kenne. Wir alle kennen ja ältere Menschen. Da steckt bestimmt etwas von meinen Eltern, Schwiegereltern, Eltern von Freunden etc. drin. Auch in der Sprache, in der Kleidung. Generell finde ich ältere Figuren spannend. Umso älter man wird, desto mehr läuft die Zeit davon, desto dramatischer werden die großen Fragen. Es wird ja immer kürzer, das Leben.


Wie kam die Besetzung mit Ulrike Willenbacher zustande?

Seit „Dinky Sinky“ habe ich mit der Casterin Franziska Aigner zusammengearbeitet. Sie hat mir Ulrike damals schon empfohlen für die Nebenrolle der Mutter. Franziska hatte sie schon lange auf dem Schirm, aber weil Ulrike bis dahin nur Theater gemacht hat und keine Filmerfahrung hatte, war es schwierig, sie unterzubringen. Sie stand also auf der Castingliste und ich war zunächst nicht so darauf eingestiegen. Dann haben wir lange nach der Mutter gesucht und sie ganz lange nicht gefunden. Dann kam Ulrike zum Casting, und sofort war klar, sie ist es! Denn Uli hat so eine besondere Komik und Natürlichkeit im Spiel.


Sie haben sie also quasi entdeckt, und jetzt startet sie im Film richtig durch.

Ja, sie dreht viel seitdem! Aber eigentlich hat Franziska Aigner sie entdeckt.


Ulrike Willenbacher und Zbigniew Zamachowski funktionieren jedenfalls bestens als Paar. Wie sind Sie auf ihn gekommen?

Zbigniew ist in Polen einer der bekanntesten und besten Film- und Theaterstars seiner Generation. Daher kannte ich ihn, hatte ihn aber beim Schreiben nicht auf dem Schirm. Produzent Thomas Wöbke hatte bereits mit Zbigniew bei den Filmen „23“ und „Lichter“ von Hans-Christian Schmid zusammen gearbeitet, das half bei der Kontaktaufnahme. Aber es war von Beginn ganz klar, dass die Rolle nur mit einem polnischen Schauspieler besetzt werden kann.


Warum?

Weil die Figur kein Deutsch spricht. Und ich wollte, dass das nicht gespielt ist. Die Drehsprache war Deutsch, Zbigniew versteht auch etwas, hatte aber immer eine Dolmetscherin dabei. Es gab Situationen, in denen viele Figuren um ihn herum reden und reden und er weiß nicht genau, wie es um ihn steht. Ich glaube, das spürt man in diesen Momenten.


Wo fanden die Dreharbeiten statt?

Gedreht wurde on location in einer Siedlung in Ottobrunn bei München. Wir hatten drei verschiedene Häuser im Umkreis von 200 Metern zur Verfügung. Ein weiterer Drehort war der Herkulessaal in München.


Was waren die besonderen Herausforderungen beim Dreh?

Eine war jedenfalls, mit Zbigniew zu drehen, weil wir uns nicht direkt unterhalten konnten. Das hatte ich unterschätzt. Es ist schwierig, sich wirklich zu begegnen, wenn immer ein Dolmetscher zwischengeschaltet ist. In der Zusammenarbeit mit Schauspielern kann das aber wichtig sein. Und für mich persönlich, dass es unter den Schauspielern nur eine Person in meinem Alter oder jünger gab – Franziska Machens, die die Tochter spielt. Ansonsten waren die Schauspieler um mich herum alle älter und hatten sehr viel mehr Erfahrung. Das ist für eine Anfängerin schon eine Herausforderung. Es hat mich aber keiner spüren lassen. Eine andere war, in diesem Haus, wo gefühlt 50% des Films spielen, immer wieder an denselben Orten, z.B. der Eingangstür, neue Bilder zu finden, Neues zu erzählen. Uns war es wichtig, auch dem Kameramann, dass der Film gefühlt nicht nur aus einer Einstellung besteht, sondern eine Welt erzählt.


Welches visuelle Konzept gab es für die Kameraarbeit?

Patrick Orth arbeitet mit einer sehr beweglichen Kamera, was man nicht unbedingt merkt, weil es keine Handkamera ist. Die Abläufe waren ungefähr klar, aber er kann immer auf Eventualitäten reagieren, und die Schauspieler haben viel Raum. Wir haben in Cinemascope gedreht, obwohl wir in den engen Räumen des Hauses waren. Wir wollten die Einsamkeit der Figur auch in ihrem Haus erzeugen, die Räumlichkeiten spürbar machen.


DA KOMMT NOCH WAS ist Ihr zweiter Film – war es schwieriger, den zu realisieren als den ersten?

Das kann man gar nicht vergleichen. „Dinky Sinky“ war mein Abschlussfilm an der HFF München, dafür standen uns 70.000 Euro Barmittel zur Verfügung. Für diesen Film hatten wir deutlich mehr, aber er ist immer noch Low Budget!


Das Drehbuchschreiben ist eine einsame Arbeit. Führen Sie lieber Regie, arbeiten im Team?

Ich schreibe sehr gerne, freue mich aber, dass es den Moment des Filmens gibt. Das sind so unterschiedliche Tätigkeiten ... Woran arbeiten Sie gerade, gibt es ein neues Projekt? Ja, zwei Projekte mit BerghausWöbke sind in Arbeit, die ich schreibe. Sie sind in der Drehbuch- und Treatment-Phase.


Foto:
©Verleih

Info:
BESETZUNG
Helga.        Ulrike Willenbacher
Ryszard     Zbigniew Zamachowski
Brigitte.      Imogen Kogge
Miriam       Franziska Machens
Franz        Ueli Jäggi
Isabella.    Gabriela Muskala
Renate.     Ulli Maier
Barbara.    Suly Röthlisberger
Peter.        Michael Wittenborn
Gerd.        Gottfried Breitfuss
Gudrun     Oda Thormeyer
Rita.          Doris Buchrucker

STAB
Regie
Mareille Klein
Drehbuch
Mareille Klein

DA KOMMT NOCH WAS
Ein Film von MAREILLE KLEIN 
Ausgezeichnet mit dem Kritikerpreis der internationalen FIPRESCI-Jury
Eine deutsch/schweizerische Produktion von BerghausWöbke Filmproduktion und Vega Film in Koproduktion mit Rat Pack Filmproduktion und Bayerischer Rundfunk in Zusammenarbeit mit arte Gefördert wurde das Projekt vom FFF Bayern, DFFF, FFA, BAK und Zürcher Filmstiftung

Abdruck aus dem Presseheft