Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 13. Oktober 2022, Teil 3
Redaktion
Berlin (Weltexpresso) - Ihr Vater hat seine Erinnerungen an das Leben im Berlin Anfang der 40er Jahre in einem besonderen Tonfall festgehalten, der in dieser schweren Zeit auch die heiteren, lichten und lebenswerten Momente des Alltags beschreibt, obwohl er sich selbst auch immer wieder großer Gefahr ausgesetzt hat. Wie würden Sie ihren Vater und seinen Blick auf die Welt charakterisieren?
Cioma besass die Fähigkeit, das Gute im Schlechten zu sehen und nicht das Schlechte im Guten. Ebenso deutlich war aber auch seine Aussage „Es gibt Ereignisse, über die wächst nie Gras“.
Können Sie sich daran erinnern, wann Ihnen Ihr Vater das erste Mal von diesem Kapitel seines Lebens in Berlin erzählt hat? Wie war das? Welchen Raum haben diese Erzählungen eingenommen?
Ich war 10 Jahre alt als Cioma begann, mir die ganze Familiengeschichte von der Flucht seiner Eltern aus Russland bis zu seiner Ankunft in die Schweiz in allen Details zu erzählen.
„Der Passfälscher“ ist nur ein Ausschnitt. Diese Gespräche haben unsere Beziehung tief geprägt. Es folgten gemeinsame Reisen nach Berlin, nach Moskau und Leningrad und nach Majdanek. All das, ist nicht in Raum und Zeit zu fassen. Das gehört zu meinem Leben, ist ein Stück Schicksal, aber auch eine grosse Quelle der Kraft.
Louis Hofmann spielt in DER PASSFÄLSCHER ihren Vater Cioma Schönhaus. Was ist ihm dabei besonders gut gelungen?
Es gelingt ihm gut, die Person Cioma Schönhaus zu charakterisieren die zwischen selbstbewusstem Auftreten und jugendlicher Schüchternheit hin und her schwankt und in der ganzen Tragik der Situation versucht Beziehungen zu knüpfen.
Warum ist es Ihrer Meinung nach wichtig, dass es Filme wie DER PASSFÄLSCHER gibt? Was kann uns das Vermächtnis Cioma Schönhaus‘ heute lehren?
Ich würde die Verfilmung des Passfälschers nicht als Vermächtnis von Cioma Schönhaus bezeichnen. Das Vermächtnis von Cioma Schönhaus sehe ich in der Maxime: denke selber und handle eigenständig und in der Liebe zu seinen Eltern, die er uns auf seine Art weitergegeben hat.
Natürlich beleuchtet die Verfilmung von Maggie Peren einen Teil dieses Gedankens. Die für Cioma so zentrale Beziehung zu seinen Eltern, das Gedankengut, das ihm Boris und Fanja Schönhaus mit auf den Weg gaben, wird in der aktuellen Verfilmung allerdings völlig ausgeblendet.
Sind Sie jemals einem der Menschen oder seinen Nachfahren begegnet, die durch die Hilfe ihres Vaters gerettet werden konnten? Wenn ja, wie waren diese Begegnungen?
Ernst Ludwig (Lutz) Ehrlich kam mit einem von Cioma gefälschten Pass in die Schweiz. Die beiden begegneten sich vor einem Buchladen in Basel. Ernst Ludwig Ehrlich war
Professor für jüdische Geschichte und ein guter Freund von Cioma. Wir begegneten uns im familiären Rahmen bei uns zuhause.
Helene Jacobs, die Cioma Schönhaus in Berlin 1943 in ihrer Wohnung versteckte und ihm somit das Leben rettete, hat uns oft besucht, war mit uns Kindern in den Ferien in St. Moritz.
Cioma und ich haben sie später auf Reisen in Berlin besucht. Helene war eine eigenwillige Persönlichkeit, sie war für mich wie eine Tante und für eine bestimmte Zeit fast Teil der Familie.
Cioma war stolz darauf, dass Helene in Yad Vashem als eine „Gerechte unter den Völkern“ geführt wird.
Sie sind Jazzmusiker und haben u.a. 1993 zusammen mit Ihrem Bruder David das Bait Jaffe Klezmer Orchestra gegründet, (hebräisch für „schönes Haus“), das zu den führenden Klezmerbands Europas zählt. Welche Rolle spielt die jüdische Kultur für Sie persönlich?
Mein Bruder David hat die Band ins Leben gerufen und es ist bis heute eine großartige Zusammenarbeit, in der wir das musikalische Erbe der Familie weiterentwickeln. Die jüdische Kultur ist ein wesentlicher Teil meines Lebens, persönlich, musikalisch, in jeder Hinsicht.
Ihr Vater wäre dieses Jahr 100 Jahre alt geworden. Was glauben Sie, warum ist es wichtig, dass es Filme wie DER PASSFÄLSCHER gibt?
Möglich, dass es gelingt eine jüngere Leserschaft auch für das im Fischer Verlag veröffentlichte Sachbuch „Der Passfälscher“ von Cioma Schönhaus zu begeistern das 2004 erschienen ist. Es hält die Geschichte und die Erinnerung an die realen Personen lebendig.
Foto:
©Verleih
Info:
Der Passfälscher (Deutschland, Luxemburg 2022)
Filmlänge: ca. 116 Min.
Regie: Maggie Peren
Drehbuch: Maggie Peren nach dem Buch von Cioma Schönhaus: Der Passfälscher. Die unglaubliche Geschichte eines jungen Grafikers, der im Untergrund gegen die Nazis kämpfte (2004)
Darsteller: Louis Hofmann, Luna Wedler, Jonathan Berlin, Nina Gummich, André Jung, Marc Limpach, Joscha Schönhaus u.a.
Verleih: X Verleih AG
Quelle: Cioma Schönhaus: „Der Passfälscher. Die unglaubliche Geschichte eines jungen Grafikers, der im Untergrund gegen die Nazis kämpfte“. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2004
Abdruck aus dem Presseheft