She Said1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom Donnerstag, 8. Dezember 2022, Teil

Margarete Ohly-Wüst

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Irland im Jahr 1992, ein junge Laura Madden trifft auf einen Filmset von Miramax am Strand und nimmt spontan einen Job an, doch dann sieht man sie tränenüberströmt durch die Straßen laufen.



Kurz vor der Präsidentschaftswahl 2016 arbeitet die
New York Times Journalistin Megan Twohey (Carey Mulligan) an einem Artikel, in dem Donald Trump sexuelle Belästigung vorgeworfen wird. Zur gleichen Zeit machen Gerüchte in der Redaktion die Runde, dass der Hollywood-Produzent Harvey Weinstein die bekannte Schauspielerin Rose McGowan in der Vergangenheit mehrfach sexuell belästigt und genötigt haben soll.

Rebecca Corbett (Patricia Clarkson), die die Ermittlungsabteilung der
New York Times leitet, will die Wahrheit hinter den Gerüchten ans Licht zu bringen und beauftragt die Investigativjournalistin Jodi Kantor (Zoe Kazan) Nachforschungen anzustellen und Frauen zu finden, die ähnliche Erfahrungen mit Harvey Weinstein gemacht haben. Die findet heraus, dass Fehlverhalten dieser Art in Hollywood zum normalen Tagesgeschäft gehören, aber leider keine der Angesprochenen zitiert werden will.

Da Kantor nicht so richtig weiter kommt, schlägt Corbett vor, sie solle sich mit ihrer Kollegin Megan Twohey zusammen zu tun, die ja bereits einen ähnlichen Bericht über Donald Trump verfasst hat und die nach der Geburt ihrer Tochter mit Depressionen kämpft und deshalb froh ist, zu ihrer gewohnten Arbeit zurückkehren zu können. Neben Rebecca Corbett steht auch Dean Baquet (Andre Braugher), der erste afroamerikanische Chefredakteur der
New York Times, hinter ihnen und ermuntert die beiden Frauen weiter zu recherchieren.

Während ihrer Recherchen rund um die halbe Welt, treffen sie auf viele Frauen – sowohl Schauspielerinnen als auch Angestellte von Miramax – wie Laua Madden (jetzt Jennifer Ehle), Zelda Perkins (Samantha Morton) und Rowena Chiu (Angela Yeoh) -, die ihnen ihre Geschichten erzählen, aber nicht genannt werden wollen, weil man sie teilweise mit Abfindungen durch einen Geheimhaltungsvertrag zum Schweigen gebracht hat.

Während der Recherchen stellt sich ein typisches Muster heraus, denn die jungen Frauen wurden von Weinstein in dienstlichen Angelegenheiten auf sein Hotelzimmer gerufen, dort empfing er sie häufig im Bademantel und sie bekamen die unverblümte Aufforderung zu einer Massage, dann wurden sie bedrängt und wenn das auch nicht half kamen Drohungen oder auch mal rohe Gewalt. Die Frauen, die sich gewehrt hatten, hatten später Probleme noch adäquate Stellen in der Filmwirtschaft zu finden.

Kantor und Twohey suchen jetzt nach einer Person, die von diesen Abfindungen wusste und frei darüber reden kann. Fündig werden sie bei John Schmidt (John Mazurek), dem ehemaligen Finanzvorstand von Miramax, mit dem sich Megan Twohey trifft und von dem sie nach einigem Nachfragen erfährt, dass es wohl zwischen 8 und 12 solcher Abfindungen gegeben hätte.

Jodi Kantor bekommt einen anonymen telefonischen Hinweis, sich doch einmal mit Irwin Reiter (Zach Grenier) zu treffen, der als Buchhalter und Top-Manager 29 Jahre lang für Miramax und die Weinstein Company gearbeitet hat und der sehr schlecht auf seinen Chef zu sprechen ist.

Jetzt wird auch Weinstein selbst auf die Recherchen aufmerksam und versucht sie bei Dean Baquet zu unterdrücken, doch der Chefredakteur steht hinter den beiden Journalistinnen, vor allem auch weil bekannt wird, dass Ronan Farrow für den
New Yorker ebenfalls gegen Weinstein recherchiert.

Doch der endgültige Durchbruch kommt als Laura Madden, die kurz vor einer Operation steht, den Journalistinnen telefonisch mitteilt, dass ihre Aussagen über ihre Erfahrungen mit Harvey Weinstein verwendet werden dürfen, da sie nie einen Geheimhaltungsvertrag unterschrieben habe.

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New York Times veröffentlicht den Artikel von Jodi Kantor und Megan Twohey am 5. Oktober 2017, in denen die Anschuldigungen wegen sexueller Belästigung gegen Harvey Weinstein bis ins Jahr 1990 zurückgehen. Der New Yorker veröffentlicht am 10. Oktober 2017 die Untersuchungen von Ronan Farrow. Beide Artikel führen dazu, dass sich immer mehr Frauen melden und über ähnliche Erfahrungen berichten…


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″She Said″ ist ein Filmdrama von Regisseurin Maria Schrader nach dem Drehbuch von Rebecca Lenkiewicz, das wiederum auf dem Sachbuch She Said. Breaking the Sexual Harassment Story That Helped Ignite a Movement (2019) der beiden Journalistinnen Jodi Kantor und Megan Twohey basiert, die auch die Hauptcharaktere des Films sind. Die Dreharbeiten fanden im Sommer 2021 in New York u.a. im wegen Corona beinahe leerstehenden Gebäude der New York Times statt.

Jodi Kantor und Megan Twohey werden im Film von Zoe Kazan und Carey Mulligan dargestellt. Weitere wichtige Rollen spielen
Andre Braugher als Dean Baquet, dem Chefredakteur der New York Times. Patricia Clarkson spielt die Investigativjournalistin Rebecca Corbett, die Kantor und Twohey bei deren Recherche freie Hand lässt. Samantha Morton ist als ältere Zelda Perkins zu sehen, die den beiden Journalistinnen wichtige Unterlagen übergibt. Laura Madden, eine ehemalige Miramax-Angestellte, die von Weinstein in einem Hotelzimmer sexuell bedrängt wurde und die letztendlich bereit ist auszusagen, wird von Jennifer Ehle dargestellt. Ashley Judd, die schon recht früh in den Weinstein-Skandal involviert war, spielt sich selbst. Harvey Weinstein ist im Film nur von hinten als massige, gesichtslose Gestalt oder gesichtslose Stimme am Telefon dargestellt; dabei wird er dann von Mike Houston gespielt.

Regisseurin Maria Schrader und Drehbuchautorin Rebecca Lenkiewicz haben nicht die betroffenen Frauen oder den Täter oder ihre Helfer in den Mittelpunkt ihres Films gestellt, sondern im Zentrum stehen die beiden Journalistinnen und ihre Recherche. Das Drehbuch hält sich mehr oder weniger an die Chronologie des Buches von
Jodi Kantor und Megan Twohey. Die Konzentration auf die journalistische Arbeit und damit die monatelange, oft frustrierende Ermittlungs- und Recherchearbeit wird ausgesprochen nüchtern und gradlinig gezeigt.

″She Said″ erzählt vor allem von den Hindernissen, Sackgassen und Ungewissheiten, die sich während der monatelangen Recherchen aufgetan hatten und auch den Zweifel der Journalistinnen an ihrer Arbeit, denn sie hängen immer wieder an ihrem Handy, sitzen in Cafés, in Autos oder reisen sogar bis nach Europa. Daneben gab es aber auch immer wieder kurze Szenen aus dem täglichen Leben der beiden Frauen, die beide Kinder haben und auch Ehemänner, die sich jederzeit in die Betreuung der Kinder eingebracht haben. Dabei zeigt die Regisseurin die Länge der Arbeit der beiden Journalistinnen am älter werden der kleinen Tochter von Megan Twohey, die am Beginn der Recherchen geboren wird.

Schrader hat in den Rückblicken die Taten selbst ausgelassen, sondern nur gezeigt, was das mit den betroffenen Frauen gemacht hat. Trotzdem bleiben vor allem die Szenen im Gedächtnis haften, wenn Zelda Perkins, Rowena Chiu und Laura Madden von ihren Erlebnissen berichten. Daneben zeigt der Film aber auch, welche Macht Weinstein hatte, so dass er so lange mit seinen Taten durchkommen konnte, obwohl wahrscheinlich in Hollywood viele wussten, was gespielt wurde. Doch das ist nicht der Inhalt des hier besprochenen Films, denn es geht bei ″She Said″ vor allem darum, wie es Jodi Kantor und Megan Twohey gelang, die Wahrheit ans Licht zu bringen und welchen Mut der betroffenen Frauen es bedurfte, die sich schließlich als Erste öffentlich zu Wort gemeldet haben. Denn nur dadurch waren auch viele andere Frauen bereit, ihre Erfahrungen publik zu machen.

Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) vergibt das Prädikat ″besonders wertvoll″, da ″She Said″ die Ereignisse als Journalisten-Drama minutiös aufbereitet. Daneben zeigt der Film ein genaues Gespür für Timing und verpackt die Empathie für die Opfer, denen Twohey und Kantor eine Stimme gegeben haben, nie in überdramatisiertem Pathos.

Insgesamt ist ″She Said″ ein spannendes und emotionales Thriller-Drama, das gleichzeitig auch ein mitreißendes Plädoyer für einen sauber recherchierten Investigativ-Journalismus ist. Es ist ein Film, der zum Nachdenken anregt, der aber nicht langweilig ist, sondern auch noch hervorragend unterhält. Damit kann ″She Said″ auf die gleiche Stufe großer Filme über investigativen Journalismus gestellt werden, wie z.B. ″Die Unbestechlichen″ (1976) von Regisseur Alan J. Pakula mit Robert Redford und Dustin Hoffman über die Watergate Affäre oder ″Die Verlegerin″ (2017) von Regisseur Steven Spielberg rund um die Veröffentlichung der Pentagon-Papiere im Jahr 1971 mit Meryl Streep und Tom Hanks.

In die gleiche Kategorie gehört ganz sicher auch ″Spotlight″ (2015) von Regiesseur Tom McCarthy mit Mark Ruffalo, Michael Keaton, Rachel McAdams, John Slattery, Stanley Tucci und Liev Schreiber, in dem ein Team von Journalisten des The Boston Globe den sexuellen Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche in Boston aufdeckt.

Ein etwas weniger bekannter Film ist ″Der Moment der Wahrheit″ (2015) über die Bush-Kontroverse von Regisseur James Vanderbilt mit Cate Blanchett und Robert Redford. ″The Assistant″ (2020) ist ein Filmdrama von Kitty Green, in dem die Assistentin (Julia Garner) beobachtet wie ihr Chef in einer Filmproduktionsfirma, junge Frauen missbraucht, ohne dass jemand dagegen vorgeht.

Komödien, die auch im (TV-)Nachrichten-Umfeld spielen, sind z.B. ″
Nachrichtenfieber - Broadcast News″ (1987) von Regisseur James L. Brooks mit William Hurt, Albert Brooks und Holly Hunter und ″Morning Glory″ (2010) von Regisseur Roger Michell mit Rachel McAdams und Harrison Ford.

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Da ″She Said″ nicht nur hervorragend recherchiert ist, sondern auch noch wunderbar spannend unterhält, ist das Drama im Kino unbedingt sehenswert.

Zusatz: Die New York Times erhielt 2018 für die Berichterstattung unter der Leitung von Jodi Kantor und Megan Twohey zusammen mit dem New Yorker für deren Berichterstattung von Ronan Farrow den Pulitzerpreis Dienst an der Öffentlichkeit - den prestigeträchtigste aller Pulitzer Preiskategorien - für die Aufdeckung des fortgeführten sexuellen Missbrauchs an Frauen in abhängigen Arbeitsverhältnissen, insbesondere in der Filmszene Hollywoods.

Foto 1: v.l.n.r.: Jodi Kantor (Zoe Kazan), Megan Twohey (Carey Mulligan), Dean Baquet (Andre Braugher) und Rebecca Corbett (Patricia Clarkson) © Universal Studios
Foto 2: v.l.n.r.: Hywel Madden (Wesley Holloway), Laura Madden (Jennifer Ehle) und Iris Madden (Justine Colan) © Universal Studios
Foto 3: Megan Twohey (Carey Mulligan) und Jodi Kantor (Zoe Kazan) © Universal Studios

Info:
She Said (USA 2022)
Originaltitel: She Said
Genre: Drama, Sachbuch-Adaption, Weinstein Skandal
Filmlänge: ca. 128 Min.
Regie: Maria Schrader
Drehbuch: Rebecca Lenkiewicz nach dem Sachbuch von Jodi Kantor und Megan Twohey: She Said. Breaking the Sexual Harassment Story That Helped Ignite a Movement (2019)
Darsteller: Carey Mulligan, Zoe Kazan, Patricia Clarkson, Andre Braugher, Jennifer Ehle, Samantha Morton, Ashley Judd u.a.Verleih: Universal Pictures International Germany
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 08.12.2022