Serie: Die angelaufenen Filme in deutschen Kinos vom 27. März 2014, Teil 4

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – In diesem Film HER ist zwar 'sie' gemeint, aber es ist ein so eindrücklicher Männerfilm, daß wir uns schwer damit taten, diesen Film, in dem sich ein Mann in die weibliche Stimme seines Betriebssystems verliebt, uns im Umkehrschluß überhaupt auch nur vorstellen zu können: daß sich eine Frau in die männliche erklärende und erläuternde Stimme eines System verlieben könnte.

 

 

HER

Joaquin Phoenix ist als braver und so anpassungsfähiger wie abstrakt verrückter Angestellter namens Theodore kaum wiederzuerkennen. Er hat einen Schnurrbart, trägt Brille und wirkt so amtserfüllend in naher Zukunft, die wir hier auf der einen Seite als Welt von heute wahrnehmen, die aber eindeutig Züge der unmittelbar kommenden Zukunft trägt. Das liegt nicht in den menschlichen Szenen, sondern ergibt sich aus dem technischen Fortschritt, daß sich inzwischen auch mit den Rechnern in gesprochener Sprache eine Kommunikation herstellen läßt, die über Technik hinaus etwas Welterklärendes erhält.

 

Der Ausgangspunkt könnte auch von heute sein. Die Aufgabe dieses angestellten Theodore ist es, Liebesbriefe zu verfassen. Allerdings nicht irgendwelche, sondern Briefe, die auf eine ganz bestimmte Situation zwischen zwei Menschen abzielt. Während er am Rechner vor sich hinfabuliert und der Text jeweils in Schreibschrift in verschiedenen Stilen ausgedruckt oder verschickt werden kann, lernen wir über seine Gedanken zum Geschriebenen auch ihn selbst etwas kennen, der – sagen wir es mal vorsichtig – sich selbst entfremdet ist und daran knabbert, daß er seine Ehe, das heißt deren Ende, nicht hinter sich lassen kann.

 

Das ergibt dann eine Gemengelage, in der sich die weibliche Stimme, die Samantha heißt, die hinter und ober- und unterhalb des Bildschirms ertönt, ein eigenes Ich zulegen darf, weil Theodore es ihr verleiht. Daß er sich in die Stimme verliebt, hat ja weniger mit der Stimme zu tun – auch wenn nun alle meinen, der englischen Version, die Scarlett Johansson spricht, die abgründigste Erotik unterzujubeln – als mit der Tatsache, daß dieser Mann in einer Welt lebt, in der andere Menschen nur als Briefpartner, auf jeden Fall über den Rechner zu ihm sprechen. Es ist die totale Einsamkeit, die wir hier diagnostizieren, die diesen Theodore nur noch fähig macht, mit sich und mit dem Rechner zu sprechen. Das, was man Kommunikation nennt.

 

Das Ganze spielt in Los Angeles, ist aber in Shanghai gedreht, weil's dort noch 'moderner' aussieht. Wenn er zu Hause ist, geht das Digitale weiter in Filmen und Spielen und es ist eine Welt von morgen, die dennoch den Muff der Gestrigen hat. Von denen nämlich, die noch daran glauben, daß Computer eine menschliche Zukunft schaffen. Es sind technikverliebte Männer, die sich hier vorführen und wo die technischen Geräte aller Art vorspiegeln, daß sie sich mit anderen Menschen etwas auszutauschen hätten, was für Theodore schon lange nicht mehr gilt. Daß sich bei diesen einsamen Wölfe mitten in der Nacht dann emotionale Durchhänger einstellen, das wissen wir doch schon vorher.

 

Der Film ist als Liebesgeschichte konzipiert und soll sozusagen die Romantik suggerieren, eine Sehnsucht, die allen Menschen innewohnt, nach Liebe, nach Zugehörigkeit, nach Geliebtwerden. Wenn dann Samantha schon so programmiert ist, daß sie auf die Sehnsuchtsgefühle des Theodore eingeht und ihm eine echte Frau bieten will, dann fanden wir das, nachdem wir länger amüsiert waren, einen ausgesprochenen Technikkitsch. So was gibt es also auch.