Serie: Die angelaufenen Filme in deutschen Kinos vom 27. März 2014, Teil 3

Romana Reich

 

Berlin (Weltexpresso) - Bei der Berlinale war die Überraschung groß, daß ausgerechnet eine Frau diesen militärischen und politischen Komplex von Deutschen in Afghanistan in einem Spielfilm zum Thema macht.

 

 

ZWISCHEN WELTEN

Feo Aladag,schmal und blond und ungeheuer engagiert, hat gerade mit dieser ihr so unbekannten Welt ihr Interesse begründet, aus diesem 'Männerthema' einen Film zu machen. Das, was weder mit Männern noch mit Frauen zu tun hat, sind generell Situationen, in denen sich der eine auskennt, der andere nicht und schon das kleinste Wort eine andere Bedeutung mit Folgewirkungen erhalten kann, als der Sprecher meinte. Es geht im Grunde um das Nichtverstehen von Gesellschaften, deren Code man nicht kennt.

Von daher ist folgerichtig, daß die eigentliche Hauptperson im Film der junge afghanische Dolmetscher ist. Dolmetscher haben nicht oft die tragenden Rollen in Filmen. Auch nicht in der Literatur. Aber so wie man nie wieder die Dolmetscherszene in Javier Marias MEIN HERZ SO WEISS vergißt, wo der Erzähler zum Besten gibt, wie er eine fade Situation zwischen dem spanischen Premier und der englischen Staatenlenkerin Margret Thatcher als Übersetzer dazu nutze, einen völlig frei erfundenen anregenden Disput zu kreieren, so wenig vergißt man in ZWISCHEN WELTEN diesen Jungen, der zeigt, daß er verstanden hat, was übersetzen in Wirklichkeit heißt, nämlich nicht allein die Worte zu transferieren, sondern einen Kulturtransfer zu leisten.

Das bringen uns viele Situationen nahe, in denen es immer wieder um dasselbe geht: das Zusammentreffen deutscher Soldaten mit der afghanischen Bevölkerung, die sie beschützen sollen, weil diese sich gegen die Diktatur der Religiösen – Taliban - wehren. Genauso wehren sie sich gegenüber deutschen Soldaten, die von ihnen etwas verlangen, was sie in ihrem kulturellen Verständnis nicht einlösen können. Durch das Aufeinandertreffen von Dolmetscher Tarik (Mohammed Mohsen) und Jesper (Ronald Zehrfeld), Anführer der deutschen Truppe, wird für diesen ein Lernprozeß in Gang gesetzt, der ihn einerseits befähigt, kulturell zu lernen, damit aber andererseits auch unfähig macht, im Sinne seiner Vorgesetzten deren törichte Befehle zu befolgen. Er lehnt sich schlicht dagegen auf, wenn er Weisungen nachkommen soll, von denen er genau weiß, daß sie gesellschaftspolitisch in die falsche Richtung gehen.



Dadurch kommen sich auch Tarik und Jesper näher, die stellvertretend für ihre Kulturen im interkulturellen Austausch dann unversehens auch zu bloßen Gedanken- und Meinungsträgern werden. Das macht den Film, den wir gerne sahen, dann etwas mühselig, weil man die Absicht spürt und so verstimmt wird. Andererseits freut man sich dann an Bonmots wie sie vor allem Tarik ausspricht: „Ihr habt die Uhren, wir haben die Zeit.“ Das ist eine so wunderbare Aussage, über die wir noch viel länger schreiben könnten, weil im Sinne von Erich Fromm hier das Haben und das Sein eine unverwechselbare Einheit eingehen.



Ronald Zehrfeld spielt eigentlich jede Rolle gut. Hier ist er der erst naive, dann aufrührerisch werdende Soldat, der mitdenkt, was seine Vorgesetzten nicht schätzen, der Zuschauer aber schon. Es ist nie verkehrt in deutschen Filmen solche Szenen zu erleben, daß sich Untergebene gegen einen Befehl von oben wehren, erst recht nicht, wenn er so dumm und unmenschlich ist wie hier. Andererseits hat Jesper in Afghanistan im Einsatz seinen Bruder verloren und das ist dann doch viel Tragik einerseits und braves Durchhalten andererseits. Letzten Endes geht es auch in der tragischen Geschichte der Schwester von Tarik, die sterben wird, darum, daß sich die deutsche Gesellschaft darum kümmern muß, was mit denen passiert, die wie der Vater von Tarik, den Ausländern beim Kampf gegen die Taliban geholfen haben und nun von den eigenen Landsleuten verfolgt und getötet werden. Das heißt schlicht: es geht auch um die Asylmöglichkeiten für Afghanen in Deutschland, die im eigenen Land gefährdet sind.