Siebtes LICHTER Filmfest Frankfurt 25. bis 30. März 2014, Teil 13

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Den Blick der jungen Magdalena Kopp, einem direkt ins Auge, vergißt man so wenig, wie den der älter gewordenen Fotografin und Ehefrau des als „Carlos“ und auch „Der Schakal“ weltbekannten Terroristen Ilich Ramírez Sánchez. Er hielt in den politischen Zeiten der Siebziger und Achtziger Jahre die Welt einschließlich der Boulevardpresse in Atem.

 

 

 

IN THE DARKROOM

 

Nadav Schirman, israelischer Regisseur, hat nun die einst mit vier Jahren Gefängnis mitbestrafte Genossin und Ehefrau mit der Kamera befragt – häufig in dem rotlichtigen Fotolabor, wo einst die Liebesgeschichte von Carlos und Magdalena begonnen haben soll - und herausgekommen ist ein Film, in dem man beim Zuschauen selbst etwas somnambul wird, so sehr verlieren sich die vom Zuschauer als wahr empfundenen Antworten der Magdalena Kopp im Ungefähren.

 

Irgendwie kann sie das heute selbst nicht mehr verstehen, was ihr da alles passiert ist, aber sie verleugnet nicht diese Vergangenheit, sondern erzählt wie von einem Traum. Erst einem schönen Traum, in dem sie von dem mächtigen Mann, der ihr erst mal als Mann überhaupt nicht gefiel, umworben und zur Ehefrau gemacht wurde, und dann einem Alptraum, der – so merkt man ihr sacht an – auch noch nicht wirklich zu Ende ist.

 

Auf jeden Fall erscheint manches wie in der Märchenstunde. Sie, Magdalena ist die Prinzessin und der Prinz entpuppt sich als Bösewicht. Im Nachhinein. Was sie aber bei ihrem Untergrund-Jet-Set-Leben mit diesem Carlos, von den Ostblockstaaten über die arabischen Unterstützerländer wie Syrien, Irak und Libyen, wirklich mitbekommen hat, wie sie gelebt hat, bleibt seltsam vage. Das Gegenmodell bleibt ihr ihre kleinbürgerliche Herkunft aus Neu-Ulm.

 

Wie sehr die Frankfurter politische Szene- allen voran Hans-Joachim Klein -  in die Aktionen des Carlos verstrickt waren, das entnimmt man dann dem Archivmaterial, komische und furchtbare Bilderfolgen, die auf gut Hessisch ihr Komik bewahren, wenn dann erst mal „ mei Körriworscht“ gegessen werden muß. Die Revolution kommt erst danach. Auch die Zeit- und Familienzeugen kommen zu Wort, was die Wirklichkeit in den Film zurückbringt, wenn die Schwester der Magdalena Kopp - „Ich mach auch so einen Scheiß'“ - sich sicher ist, daß die Schwester nichts mit dem Bombenwerfen zu tun gehabt hätte.

 

Erst recht diesseitig wird es dann mit der gemeinsamen Tochter Rosa, die unter der Hand aus dem Film der Mutter den der Tochter macht. Sie fährt zu dem Pariser Prozeß (welchem?; es gab drei 1997, 2011 und 2013, in denen Carlos jeweils lebenslänglich erhielt) , um ihren Vater endlich kennenzulernen. Eigentlich müßten wir nicht dabei sein, empfindet der Zuschauer, auch wenn die Gedanken und Gefühle dieser jungen Frau einen mehr interessieren, als die Blümeranz der sich verführt fühlenden Mutter.

 

Interessant, daß viele Szenen des Films im abgerissenen Frankfurter Turmpalast gedreht wurden. Längst ist gegenüber dem Eschenheimer Turm ein neues Hochhaus entstanden, obwohl das alte Haus erst in den Fünfzigern gebaut wurde. Auch dies macht einen gewissermaßen melancholisch. Nicht nur, wie die Zeit vergeht und wir mir ihr, sondern eben auch, daß, was einem gestern als legitimes revolutionäres Gebaren erschien, einen so obskuren Hintergrund hat. Die Frage bleibt dennoch, wie es politisch weitergehen sol- mit der Welt und mit unsl. Denn noch mehr Wohlstand für wenige und das Abdriften vieler in Parallelwelten kann es ja wohl nicht gewesen sein.