Siebtes LICHTER Filmfest Frankfurt 25. bis 30. März 2014, Teil 12
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Dokumentationsfilme haben es in der Regel schwer, das Interesse des Kinopublikums zu gewinnen. Sie werden dann oft als Bildungsprogramm im Fernsehen gezeigt. Also sind auch Fernsehsender Mitproduzenten. Gut so. Diesen Film sollte man sich auf jeden Fall, sogar unbedingt anschauen. Aus Spaß und Erkenntnisgewinn.
MEIN NAME UND ICH
Birgit Lehmann, die Regisseurin wurde frenetisch und herzlich für ihren Film gefeiert, nach dessen Rhein-Main-Premiere man sich wie bei einem Klassentreffen fühlte, dem man nicht zugehört. Was aber keine Frustration bedeutete, sondern einfach ein angenehmes Gefühl erzeugte, daß es so viele gibt, die die Arbeit der Regisseurin seit Jahren verfolgen und schätzen. Daß sie eine Teamarbeiterin ist, merkte man auch, vor allem als sie die 13 Personen ihres Teams auf der Bühne vorstellte, bzw. in Gespräche verwickelte, aber insbesondere daran, daß Birgit Lehmann in der Lage ist, unterhaltsam filmisch Fragen aufzuarbeiten, die eine philosophische, auch psychologische Tiefe besitzen. Allerdings wäre es unangemessen, hier Ole Wissenberger zu unterschlagen, mit dem sie Drehbuch und Regie und die Produktion teilt.
Um was es geht? Um etwas, was jeden angeht, seit die Menschheit die einzelnen Menschen durch Namensgebung unterscheidet. Für uns wird erst einmal der Vorname als Identitätsmerkmal wichtig. Um den geht es diesmal erst in zweiter Stelle. Nämlich dann, wenn sich ein Wilhelm Busch in Max Busch umbenennt und selber registriert, warum andere darüber lachen müssen, denn er hätte sich ja auch Moritz Busch nennen können. Max ist wohl sehr beliebt, denn ein bekannter Fernsehmoderator hat sich ja gerade seinen Vornamen Dieter verbeten und Max gefordert. Das kam für den Film leider zu spät, zeigt aber, wie zutreffend das Thema des Films ist.
Gleichzeitig will im Film einer auf keinen Fall Max oder Maximilian heißen, weil das Modenamen seien, was stimmt, denn sie führten jahrelang die männlichen Namenslisten der Neugeborenen an. Eine der Fragestellungen, die der Film behandelt ist nun, inwiefern der angeborene Nachname und zugewiesene Vorname Einfluß auf den eigenen Charakter nimmt, sich als identitätsstiftend oder dessen Gegenteil erweist. Schlicht: ob es der richtige Name ist, der zur eigenen Person paßt. Für die meisten ist das keine Frage, stellte sich heraus. Die empfinden ihre Namen wie ein passendes Hemd.
Doch was tun, wenn das nicht paßt. Da erleben wir im Film hinreißende Szenen, deren Aussage so komisch ist, daß man laut lacht, auch wenn man sich genau vorstellen kann, was passiert, wenn einem Herrn Pufpaff eine Frau Pufpaff erwächst, die ihren angeheirateten Namen stolz trägt. Die Geschichten um die Namen der einzelnen Protagonisten im Film sind das eine, witzig auch Herr Sebastian Soundso, dessen Frau als Urologin seinen Namen, den wir nicht so schnell mitschreiben konnten, ebenfalls trägt.
Das andere aber sind im Film die immer wieder zu Wort kommenden Deuter wie Udo Rudolph als Psychologe, richtig Spitze, auch die Eurythmielehrerin, aber vor allem so viele Apercus, die man sich leider nicht alle merken kann, wo aber Oskar Denker im Gedächtnis bleibt, der sich das Maria dazwischen verordnete, weil Oskar Maria Denker natürlich viel tiefer klingt. Ebenso natürlich dachte der Zuschauer sofort an den LICHTER Festivalleiter Gregor Maria Schubert, woher er sein ansonsten bayrisch-katholisches Maria herhat. Der Film bringt so viel, daß man ihn sich unbedingt ein zweites Mal anschauen möchte, um diese vielen Informationen auch zu behalten.
Gibt es etwas, was wir vermißten? Zwei Dinge, von denen wir zugleich wissen, daß sie den Rahmen gesprengt hätten. Die ethymologische Herleitung der Namen kam uns zu kurz, was auch am eigenen – angeheirateten – Namen liegt, der althochdeutsch ist, worauf das 'rich' verweist, das im Englischen noch die alte Bedeutung hat, die durch die Lautverschiebung im Deutschen zu 'reich' wurde. Den ersten Teil wollen wir hier besser unterschlagen. Das andere wäre ein internationaler Vergleich. Schon immer fanden wir spannend, wieso in den nördlichen Ländern die meisten Namen aus den Vatersnamen gebildete wurden, also Gustafsson, Edwardson oder Henrikson, was den Söhnen für ewig den ursprünglichen Vatersnamen beschert. Was aber war und ist mit den Töchtern?
Welch offene Türen die beiden Frankfurter Filmemacher bei uns einrennen, das merkt man sicher schon. Denn die heutigen, historisch entstandenen Namen sind ein gefundenes Fressen, für jeden, der ihnen nachgeht. Allein die den reichseigenen Juden von Kaisern verliehene Namen: Frankfurter, Berliner...die eine Richtung, Weiß, Grün, Rotschildt die andere Richtung. Wir auf jeden Fall freuen uns auf den nächsten Film der Birgit Lehmann & Co.