Serie: 73. Internationale Filmfestspiele Berlin vom 16.– 26.02.23, BERLINALE, Wettbewerb 1
Claudia Schulmerich
Berlin (Weltexpresso) – Den Namen kennen Ältere noch genau und viele hatten den BlackBerry, bis er durch die Erfindung des iPhones und Smartphone technisch überholt war und – was der Film, der ja seine Erfindung zum Inhalt hat und nur kurz auf den Absturz eingeht, noch nicht wissen konnte – im Januar 2022 die Produktion und Vertrieb völlig einstellte. Vielleicht sollte man technisch noch erwähnen, daß er wie die Smartphones auf dem Betriebssystem Android beruht, während das iPhone iOS nutzt. Aber mit Technik wollen wir uns gar nicht aufhalten, denn hier geht es um toxische Männlichkeit und wohin sie führt: nach oben nämlich und dann gewaltig nach unten.
Leider können wir die Pressekonferenz, die immer nach den Vorstellungen stattfindet, nicht adäquat wiedergeben, denn die Jungs aus Kanada haben eine tolle Show geliefert, wie der gesamte Film trotz seiner Länge von über zwei Stunden kurzweilig und ausgesprochen amüsant ist. Das ist schon die erste Überraschung. Wer wußte schon, daß der BlackBerry aus Waterloo in Ontario kommt. Natürlich denken alle immer an die USA und das war auf besagter Pressekonferenz auch ein großes Thema, insbesondere vom Regisseur, Drehbuchschreiber und Darsteller des Doug (Matt Johnson), von dem wir – da bin ich sicher – noch viel hören werden. Er beklagt, ach was, er klagt überhaupt nicht, sondern konstatiert, daß sich die Kanadier mit großer Anstrengung gegenüber den gewaltigen Vereinigten Staaten behaupten wollen, als etwas Eigenes, weder als kleiner Bruder noch als US-Anhängsel. Das große Geld aus den USA oder als Beispiel Hollywood für Filme macht es den Kanadiern schwer, Eigenständiges zu schaffen und für sich eine eigene Kultur zu kreieren, wobei das immer für das englischsprachige Kanada gilt!
Der Film geht mit den zwei Protagonisten los, die aufeinander angewiesen sind, was sie erst nach und nach merken. Da ist der geniale Mike Lazaridis (Jay Baruchel, oben im Bild), der ein Tüftler ist, nicht nur hochintelligent, sondern auch mit seinen Händen sensibel. Das ist so einer, der nicht erträgt, wenn ein elektrisches Gerät summt, obwohl es das nicht sollte und er dieses im Geschäftszimmer des Investors rasch heimlich repariert, den sie doch für die Finanzierung brauchen. Das ist der eine, der ohne den anderen Kerl, den Super-Nerd Doug (Matt Johnson, rechts im Bild), ein schlaues Geschäftsköpfchen, aber wenig öffentlich vorzeigbar, nur halb so viel wert wäre. Eine herrliche Symbiose, die zwei. Ihnen steht der superkapitalistische, also knallharte Geschäftsmann Jim Balsillie (Glenn Howerton) gegenüber, dessen Karriereknick wir ebenfalls am Anfang miterleben. Er ist intrigant, spielt andere aus und will ganz nach oben. Aber er tut auch was dafür. Als er merkt, welches Potential in dem BlackBerry steckt und in den Leuten, die dran rumwerkeln – die köstlichsten Szenen sind die, wo diese Nerds zwischen Spielsucht und Erfindungsgeist durch ihr Spiel immer das Internet lahmlegen, das sind Zeiten, die es mal gab und sie zeigt Menschen, wie sie damals in der Nachfolge von FlowerPower und technischer Innovation wirklich gegeben hat – als Balsillie das merkt, setzt er alles auf eine Karte, steigt im verschuldeten Unternehmen als Co-CEO ein, verpfändet dafür sein Haus etc.
Man kann die vielen Wendungen gar nicht wiedergeben und darum geht es auch gar nicht. Mit dieser Ausgangssituation und dem Ende sind die Eckpfeiler dieses Films beschrieben. Das Ende kam doppelt. Zum einen war das Geschäftsmodell durch Balsillie zum großen Teil an der Steuer vorbeigelaufen, das sagten seine Gegner und die Finanzaufsicht, zum anderen waren technisch die Weichen Richtung einer anderer Art eines mobilen Gerätes gefallen. Der Blackberry, so heißt es im Film, war ein Kleincomputer, der aber zu wenig Dinge gleichzeitig machen konnte. Mit großem Getöse wird Balsillie verhaftet und das Spiel ist aus. Doch im Nachspann heißt es, daß er nie ins Gefängnis kam und daß allein Doug seine Anteile an der Firma 2007 – als alles noch gut schien – rechtzeitig verkaufte und heute zu den reichsten Kanadiern zählt. Der Entwickler und der Geschäftsmann dagegen zu den ärmsten.
Ein sehr unterhaltsamer Film, der einem mal wieder so richtig zeigt, warum man Männerbünde, also eine Ansammlung von Männern, die etwas Gemeinsames pflegen, eigentlich verbieten sollte. So viel Testosteron erzeugt wirklich toxische Männlichkeit. Das auf der Leinwand zu erleben, vor allem mit einem Doug als Motor, macht Spaß. Im wirklichen Leben dagegen sollte man sich vor diesen Jungs hüten.
Foto:
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Info:
Stab
Regie Matt Johnson
Buch Matt Johnson, Matthew Miller
Kamera Jared Raab
Montage Curt Lobb
Musik Jay McCarrol
Darsteller
Jay Baruchel (Mike Lazaridis)
Glenn Howerton (Jim Balsillie)
Matt Johnson (Doug)
Cary Elwes (Yankowski)
Saul Rubinek (Woodman)
Michael Ironside (Purdy)
Rich Sommer (Paul)
Sungwon Cho (Ritchie)
Michelle Giroux (Dara)
Mark Critch (Bettman)