Serie: Die angelaufenen Filme in deutschen Kinos vom 3. April, Teil 1
Romana Reich
Berlin (Weltexpresso) – Christian Bale ist vor allem aus amerikanischen Filmen bekannt. Längst ist vergessen, daß der am 30. Januar 1974 geborene Schauspieler Engländer ist und wie wir gerade selber feststellen, vor kurzem 40 Jahre wurde. Dafür ist seine Karriere, die im englischen Fernsehen begann, schon ellenlang.
AUGE UM AUGE
Besonders bekannt wurde Bale durch die Batman Reihe seit 2005, der aber seit 1943 schon sieben Batmanfilme vorausgegangen waren. Den Oscar für den besten Nebendarsteller erhielt Bale 2011 für THE FIGHTER, was ein Klacks ist gegenüber den vielen Ehrungen, die er als Bester Schauspieler schon erhalten hat. . Gerade konnte man ihn mit angefressenem Übergewicht in AMERICAN HUSTLE bestaunen, eine Rolle, für die er für den Oscar nominiert wurde, dann aber bei der Preisverleihung schon wieder die mindestens 20 kg abgespeckt hatte. Schauspieler, die ihren Beruf ernst nehmen, machen was mit! Man merkt schon, wir haben eine große Sympathie für diesen besonders wandlungsfähigen Schauspieler.
Trotzdem müssen wir jetzt über diesen Film sprechen, dessen darstellerische Brillanz durch Christian Bale als Russel Baze unbestritten ist. Das gilt auch für seinen Filmbruder Rodney Baze, den Casey Affleck verkörpert, und wenn man dann noch die Namen Willem Dafoe, Forest Whitaker und Woody Harrelson hört und sie spielen sieht, dann könnte unter Regisseur Scott Cooper doch eigentlich nichts schief gehen. Tut es auch nicht und trotzdem wird keine runde Sache daraus. Dabei geht es inhaltlich ums Eingemachte Amerikas. Es geht mal nicht um die Superreichen, Superschönen, Superverbrecher, sondern um die kleinen Leute, die sich abplagen, aber aus dem sozialen Elend kaum herauskommen können. Vor allem dann nicht, wenn der eigene kleine Bruder, von den Gaunern verführt, glaubt, er könne das große Geschäft machen.
Christian Bale ist als Russel derjenige, der wie der Vater im örtlichen Stahlwerk malocht. Wir sehen dabei Szenen, die zeigen, daß auch heute in Fabriken die körperliche Fronarbeit nicht abgeschafft ist. Sein Bruder Rodney dagegen kommt aus dem Irak nach Hause und will nicht das Schicksal von kaputtem Vater und bemühtem Bruder teilen, sondern läßt sich bei bei den sehr gut bezahlten Boxkämpfen - sagen wir, im Film heißt es „Street-fights“ - auf die bösen und verbrecherischen Bosse ein, die von ihm verlangen, je nach Situation zu verlieren, obwohl er doch der bessere Kämpfer wäre. Das kann der kleine Bruder nicht, er gewinnt einfach gegen das System und so bringt er die Chefs materiell ins Abseits, das ist auf der niederen kleinkriminellen Ebene einmal Woody Harrelson, brutal und einfach furchtbar, das ist aber auch weit oben Willem Dafoe, ganz ungewohnt in einer bitterbösen und brutalen Rolle.
Der Bruder wird, da er nicht mitspielt und das Geschäft mit den Sportwetten verdirbt, 'entsorgt'. Der ehrenwerte Russel hatte zuvor ein einziges Mal zu viel getrunken und machte in diesem Zustand einen Autounfall, der ihn für Jahre ins Gefängnis brachte. Auch dies ist typisch für die Situation dieser Arbeiter. Daß nämlich selbst derjenige, der mustergültig seine Arbeit macht, für den kranken Vater und alle anderen mitsorgt, beim Straucheln gleich erst einmal aus dem Verkehr gezogen wird und sühnt und büßt. Nach dem Gefängnis darf er weiterarbeiten im einzigen Stahlwerk, das von der einstigen Stahlhochburg, der Kleinstadt Braddock übriggeblieben ist.
Aber dann ist sein Bruder weg und Russel macht sich auf, ihn zu suchen. Und wir mit ihm. Wir fahren durch Wälder, die so licht sind, wie das Völklein, zu dem wir kommen dunkel und böse. Überhaupt die Natur. Beim Niederschreiben der Filmeindrücke merken wir, wie wunderbar diese Naturaufnahmen in den lichtdurchlässigen Wäldern von Pennsylvanien und New Jersey auch noch in der Erinnerung sind. Nur ist die Wirkung auf den Zuschauer im Film eine andere. Denn wir sind längst eingebunden in den fast antik wirkenden Fatalismus, mit dem jeder Schritt des Russels - gut erst zum Finden des Bruders, dann böse zur Rache des toten Bruders – in den Abgrund, auch seinen eigenen Abgrund führt.
Der Film läßt einen einigermaßen hilflos zurück, weil man dem Abwärtsgang nichts entgegensetzen kann, den man schon sehr früh spürt und diesem Russel immer zurufen möchte: „Aufhören, das bringt nichts, nur das eigene Verderben.“ Und gleichzeitig versteht man den Mann, der sich rächen möchte, handelt es sich doch bei diesen Verbrechern um schreckliche und besonders bösartige sadistische Typen, denen selbst der Zuschauer den Tod wünscht. Warum Christian Bale hier so herausragt? Nicht, weil er die Hauptrolle spielt, sondern, wie er sie spielt. Er ist ein ganzer Kerl und ein besonders empfindsamer Mann, was die Tragik des Geschehens potenziert, dem wir – wir sagten es schon – hilflos zuschauen. Ein Amerika, von dem uns Hollywood ansonsten nicht erzählt.