Ein politischer TV-Tipp zu später Stunde für Samstag, 4. März 2023 bei ONE
Margarete Frühling
München (Weltexpresso) - London 1912: Maud Watts (Carey Mulligan) stammt aus dem Londoner East End, ist etwa 25 Jahre alt, verheiratet mit Sonny (Ben Whishaw) und hat einen fünf Jahre alten Sohn George (Adam Michael Dodd). Beide Erwachsene arbeiten in der Wäscherei von Norman Taylor (Geoff Bell). Es zeigt sich rasch, dass Mauds Arbeit gefährlicher und anstrengender ist als Sonnys, trotzdem verdient sie deutlich weniger.
Als ein Wäschepaket vergessen wird, erhält Maud den Auftrag, das Paket nach Arbeitsschluss noch zu den Kunden ins Londoner West End zu bringen. Sie gerät dabei in einen militanten Protest der Suffragetten, die seit Jahren für die Gleichstellung der Frau wie die Gleichbehandlung von Frauen am Arbeitsplatz und für das Frauenwahlrecht kämpfen. Eine der protestierenden Frauen ist Violet Miller (Anne-Marie Duff), eine von Mauds Kolleginnen in der Wäscherei.
Violet versucht Maud für die Ziele der Suffragetten zu interessieren, doch sie zeigt erst einmal kein Interesse. Später besucht Maud die Apothekerin Edith Ellyn (Helena Bonham Carter), die ihren erkälteten Sohn unentgeltlich behandelt. Dabei erfährt Maud, dass Edith gerne Medizin studiert hätte, was ihr aber als Frau verboten war. Sie bemerkt auch, dass sich die Suffragetten regelmäßig im Hinterzimmer der Apotheke treffen.
Maud begreift, dass sich weder ihre Situation noch die anderer Frauen ändern werden, wenn sie nicht wählen und damit über sich selbst bestimmen können. Sie trifft auch Alice Haughton (Romola Garai), eine verheiratete Frau aus der Oberschicht, die dafür sorgt, dass die Frauen ihre Arbeitsbedingungen dem liberalen Minister David Lloyd George (Adrian Schiller) darstellen können. Da Violet verhindert ist, übernimmt Maud Violets Aufgabe. Sie schildert dem Gremium ihren Arbeitsalltag und hat zum ersten Mal das Gefühl gehört zu werden.
Als sie aber Monate später erfährt, dass die Regierenden kein Interesse daran haben, die Situation der Frauen zu verändern, beteiligt sich Maud an Protestaktionen. Sie wird zusammen mit anderen Frauen von der Polizei verhaftet und landet zum ersten Mal im Gefängnis. Dort lernt sie auch Emily Wilding Davison (Natalie Press) kennen. Sonny kann Mauds Interesse an Politik nicht verstehen, so dass letztendlich ihre Ehe scheitert, Sonny seine Frau aus dem Haus wirft und ihr den Umgang mit ihrem Sohn verbietet.
Als Maud nach einer Vortrag der bekannten Suffragette Emmeline Pankhurst (Meryl Streep) wieder verhaftet wird, besucht Polizei-Inspektor Arthur Steed (Brendan Gleeson) sie im Gefängnis. Steed hat die protestierenden Frauen die ganze Zeit verdeckt überwacht, dabei hat er regelmäßig Fotos von ihnen machen lassen. Jetzt möchte sie als Spionin gewinnen. Nach einiger Überlegung lehnt Maud dies ab und begründet es auch in einem Brief an Steed.
Maud lebt jetzt in einer Kirche und arbeitet für die Frauenbewegung. Sie ist nun auch bereit, sich an radikaleren Aktionen zu beteiligen, merkt aber, dass die Presse daran gehindert wird, über die Aktionen der ″Suffragetten″ zu berichten. Um wirklich Aufmerksamkeit zu erregen, müssen die Frauen eine Aktion durchführen, die ihrer Sache die größtmögliche öffentliche Aufmerksamkeit verschafft. Sie beschließen deshalb nach Epsom zum Derby zu fahren, bei dem ein Pferd des Königs starten soll, die gesammelte Presse anwesend sein wird und bei der Emily Wilding Davison eine heute noch bekannte tragische Rolle spielen wird…
"Suffragette - Taten statt Worte" ist nicht nur ein Film über Frauen, er ist auch ein Film von Frauen. Regisseurin ist Sarah Gavron, die mit "Brick Lane" (2007) bekannt wurde, Das Drehbuch stammt von der britischen Dramatikerin und Drehbuchautorin Abi Morgan, die u. a. auch die Drehbücher für "Shame" und "Die eiserne Lady" (beide 2011) sowie ″The Invisible Woman″ (2013) geschrieben hat und als Produzentinnen fungieren Faye Ward und Alison Owen.
Dieses Engagement merkt man dem Film an. Sarah Gavron zeigt deutlich den mit persönlichen Risiken und Einschränkungen geführten Kampf der Frauen, hier vor allem aus der Sicht der unterprivilegierten Arbeiterinnen aus dem Londoner East End. Es ist natürlich auch ein künstlerischer Kniff, dass sich das Drehbuch auf das Leben von Maud Watts konzentriert. Dadurch können die beruflichen Probleme von Frauen und auch die Gründe der Entstehung der Suffragetten nicht nur aus Sicht der Mittel- und Oberschicht, der z.B. Emmeline Pankhurst entstammte und der auch Alice Haughton angehören soll, sondern auch aus der Perspektive der Unterschicht-Frauen beleuchtet werden.
Die Suffragetten-Bewegung ist sicher nicht im Londoner East End entstanden, sondern wurde eher von Frauen wie Alice Haughton, der Frau eines wohlhabenden Parlamentsabgeordneten oder auch Edith Ellyn, die zumindest eine Ausbildung abgeschlossen hat, auch wenn sie nicht Medizin studieren durfte, getragen. Aber durch den Blick auf die Arbeiterinnen entstand ein sehr viel eindringlicherer Film.
Reale Personen waren im Film nur Emmeline Pankhurst und Emily Wilding Davison, auch wenn sich Helena Bonham Carter, die übrigens die Ur-Enkelin des damaligen liberalen englischen Premierministers Herbert Henry Asquith ist, für ihre Rolle von Edith Garrud inspirieren ließ, die andere Frauen in Jiu-Jitsu unterrichtete, damit sie sich bei Angriffen wehren konnten. Aus diesem Grund wurde der Vorname von Bonham Carters Rolle im Film auch letztendlich von Caroline in Edith geändert.
Der Film lebt von den schauspielerischen Leistungen der drei weiblichen Hauptrollen Carey Mulligan, Anne-Marie Duff und Helena Bonham Carter. Mulligan und Bonham Carter verkörpern Maud und Edith eindringlich und unglamourös. Der Zuschauer leidet aber besonders mit Anne-Marie Duffs Violet, die trotz vieler Kinder, einem alkoholkranken und prügelnden Mann, wenig Geld und einer weiteren Schwangerschaft nie ihr Ziel und ihr Engagement für die Rechte der Frauen aus den Augen verliert.
Bei der gesamten Frauenpower gelingt es der Regisseurin aber auch, die Männer nicht allzu negativ darzustellen. Auch wenn die Situation, wie die Polizei die Frauen bespitzelt, auch heute noch erschreckend aktuell wirkt oder dass Sonny Watts seinen Sohn nicht seiner Frau überlassen will, er selbst aber nichts mit ihm anfangen kann und ihn deshalb zur Adoption freigibt.
Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) hat dem Film das Prädikat ″besonders wertvoll″ verliehen, da die Demütigungen der Frauen von damals durch eine straffe und klug gestrickte Dramaturgie greif- und auch fühlbar gemacht werden. Es ist ein wichtiger, beeindruckender und bewegender Film, der eine Geschichte erzählt, die heute ebenso aktuell ist wie damals.
Insgesamt ist "Suffragette - Taten statt Worte" ein spannender und inspirierender Film über den Kampf um Würde und Selbstbestimmung von Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, den man sich unbedingt ansehen sollte, auch und gerade wenn man im Rückblick daran denkt, dass die englischen Frauen zu Kriegsbeginn 1914 ihren Kampf um Gleichberechtigung aufgegeben haben und sie dadurch in Großbritannien erst 1928 das vollständige Wahlrecht bekommen haben. In Deutschland und Österreich wurde dies bekanntlich schon 1918 erreicht.
Foto 1: Maud (Carey Mulligan) wird verhaftet und abgeführt © WDR / Concorde Filmverleih GmbH
Foto 2: Violet (Anne Marie Duff) wird bei einer Demonstration gewaltsam abgeführt © WDR / Concorde Filmverleih GmbH
Foto 3: Inspector Arthur Steed (Brendan Gleeson) möchte Maud (Carey Mulligan) als Polizeispitzel gewinnen © WDR / Concorde Filmverleih GmbH
Info:
Suffragette - Taten statt Worte (Großbritannien 2015)
Originaltitel: Suffragette
Genre: Historien-Drama, Thriller, Wahlrecht, Arbeitsbedingungen, Selbstbestimmung
Filmlänge: ca. 105 Min.
Regie: Sarah Gavron
Drehbuch: Abi Morgan
Darsteller: Carey Mulligan, Helena Bonham Carter, Anne-Marie Duff, Meryl Streep, Brendan Gleeson, Ben Whishaw, Romola Garai u.a.
FSK: ab 12 Jahren
″Suffragette - Taten statt Worte″ wird am Sa. 04.03.2023 um 21:45 Uhr bei ONE gezeigt werden und am Mo. 06.03.2023 um 23:10 Uhr - kurz vor dem Internationalen Frauentag am 08.03.2023 - wiederholt. ONE strahlt den Film sowohl im englischen Originalton als auch in der synchronisierten Fassung aus.