Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 23. März 2023, Teil 6
Margarete Ohly-Wüst
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die alleinerziehende Mutter Charlotte (Sandrine Kiberlain) hält Leidenschaft für überbewertet, allerdings hat sich großes Interesse an gutem Sex. Sie hat sich mit dem verheirateten Familienvater Simon (Vincent Macaigne) in einer Bar verabredet und sorgt dafür, dass ihr erstes Date gleich bei ihr zu Hause im Bett endet.
Simon ist mit Charlottes Einstellung einverstanden, denn auch er ist vor allem daran interessiert, nach 20 Jahren Ehe endlich einmal etwas Neues und Aufregendes kennen zu lernen. Genau das sieht er in der Begegnung mit Charlotte erfüllt. Danach treffen die Beiden sich regelmäßig und nicht nur zum Sex, denn es zeigt sich, dass beide auch in ihren Interessen und Gesprächen auf einer Wellenlänge liegen. Sie fahren sogar zusammen übers Wochenende ins Gebirge, während Simons Frau mit den Kindern im Urlaub ist.
Während des Frühlings und Sommers werden die gemeinsamen Stunden immer länger und die Abstände zwischen den Treffen immer kürzer. So könnte es auch längerfristig weitergehen, doch dann stehen beide vor der Erkenntnis, dass Liebe und Leidenschaft sich doch nicht so vollständig trennen lassen, denn sie scheinen zu glauben, dass sie möglicherweise mit der Leidenschaft fertig sind, die Leidenschaft aber noch nicht mit ihnen.
Und dann passiert etwas, was keiner von ihnen erwartet hat und was ihren anfänglichen Ideen vollständig widerspricht…
Bei ″Tagebuch einer Pariser Affäre″, der im Französischen viel passender ″Chronique d'une liaison passagère″ heißt, führt Emmanuel Mouret Regie. Das Drehbuch hat er selbst zusammen mit Pierre Giraud verfasst, dabei wird der Film durch eingespielte Daten (beginnend am 28. Februar) gegliedert wie bei Tagebucheinträgen. Trotz des Ehebruchs ist hier keine Tragödie entstanden, sondern eine leichtfüßige romantische Komödie über den Kunst des Seitensprungs.
Im Grunde ist ″Tagebuch einer Pariser Affäre″ ein zwei Personen Film, dabei ist Sandrine Kiberlains Charlotte eine selbstsichere und entschlossene Frau mit 3 Kindern (davon sind zwei schon aus dem Haus) und Vincent Macaigne ein neurotischer und zaudernder Mann, der sich erst einmal an die Situation gewöhnen muss. Gegen Ende der Beziehung, die bis in den Herbst dauernd wird, tritt mit Louise (Georgia Scalliet) dann allerdings eine dritte Person auf, die letztendlich dafür verantwortlich sein wird, dass nicht alles so unkompliziert weitergehen wird.
Doch ″Tagebuch einer Pariser Affäre″ ist auch ein sehr typischer französischer Film, denn es wird doch sehr viel geredet. Das ist an vielen Stellen interessant und zeigt, dass sowohl Charlotte (von der man als Zuschauer eigentlich nie erfährt was sie beruflich macht und womit sie sich eine zweistöckige Pariser Wohnung leisten kann) als auch Simon (der als Frauenarzt arbeitet) belesen und weltgewandt sind, aber auf die Dauer sind einige der Gespräche doch etwas ermüdend.
Dabei haben Regisseur Emmanuel Mouret und Kameramann Laurent Desmet versucht, die beiden Hauptdarsteller in vielen verschiedenen Räumen – wie Museen, Buchläden, Charlottes Wohnung, Hotelzimmern oder auch in leeren Wohnungen – agieren lassen. Auch die Außenaufnahmen waren in toller Umgebung gefilmt, seien es Wege entlang der Seine, in Parks, beim Picknick oder auch beim Wochenendausflug ins sommerliche Gebirge.
Dabei geht es Emmanuel Mouret weniger um den Sex der Beiden, denn es wurde während des ganzen Films nicht eine Sexszene gefilmt, denn die werden in den Bettszenen immer ausgeblendet. Gezeigt wird nur das Kuscheln, höchstens mal ein Kuss oder eine Hand, die sanft über den Körper streicht.
Ebenso wurden sowohl Charlottes Kinder als auch Simons Familie ganz bewusst außen vor gelassen, die Protagonisten erzählen von ihnen, aber sie treten nie selbst auf, nicht einmal in herumstehenden Bildern. An einer Stelle gesteht Charlotte zwar, dass es sie schon interessieren würde, wie Simons Frau wohl aussieht. Doch gleich danach gesteht sie sich ein, dass es vielleicht doch ganz gut ist, dass sie kein konkretes Bild von ihr hat, denn dadurch auftretende Gewissensbisse oder auch Liebeskummer könnten das glückliche Zusammensein nur stören.
Regisseur Emmanuel Mouret hat mit ″Tagebuch einer Pariser Affäre″ eine witzige, romantische und verspielte Komödie gefilmt, die gelungene Situationskomik und wunderschöne Landschaftsaufnahmen zeigt. Kritisch sollte allerdings noch angemerkt werden, dass es die Leichtfüßigkeit des Films unterstützt hätte, wenn der Film kurz vor dem eigentlichen Ende aufgehört hätte und das Tagebuch nicht bis zur letzten Seite vollgeschrieben worden wäre. Denn damit wäre vieles in der Schwebe geblieben, was ganz sicher dazu gedient hätte, dass sich der Zuschauer das Ende selbst hätte ausdenken können, was dann evtl. doch nicht so konservativ gewesen wäre.
Insgesamt ist ″Tagebuch einer Pariser Affäre″ eine amüsante Komödie, die vor allem von den schauspielerischen Leistungen der zwei sympathischen Hauptdarstellern Sandrine Kiberlain und Vincent Macaigne lebt. Der Film ist ein unterhaltsamer (Anti-)Liebesfilm, der ganz sicher niemand weh tun will und den man sich sehr gut im Kino ansehen kann.
Foto 1: Die Chemie stimmt: Die alleinerziehende Mutter Charlotte (Sandrine Kiberlain) und der verheiratete Familienvater Simon (Vincent Macaigne) sind nicht nur körperlich auf einer Wellenlänge © Neue Visionen Filmverleih
Foto 2: Idyllischer Wochenendausflug: Auch jenseits des Schlafzimmers verbringen Charlotte (Sandrine Kiberlain) und Simon (Vincent Macaigne) zunehmend gerne Zeit miteinander © Neue Visionen Filmverleih
Foto 3: Hat mit dem Konzept ″Leidenschaft″ eigentlich abgeschlossen: Charlotte (Sandrine Kiberlain) entwickelt langsam Gefühle für Simon - aber möchte den gemeinsamen Pakt auch auf keinen Fall brechen © Neue Visionen Filmverleih
Info:
Tagebuch einer Pariser Affäre (Frankreich 2022)
Originaltitel: Chronique d'une liaison passagère
Genre: Tragikomödie, Romanze, Komödie
Filmlänge: 100 Min.
Regie: Emmanuel Mouret
Drehbuch: Emmanuel Mouret, Pierre Giraud
Darsteller: Sandrine Kiberlain, Vincent Macaigne, Georgia Scalliet, Maxence Tual, Stéphane Mercoyrol u.a.
Verleih: Neue Visionen Filmverleih
FSK: ab 0 Jahren
Kinostart: 23.03.2023