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Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 30. März 2023, Teil 7

Redaktion

Berlin (Weltexpresso) – Susanne Wolff, du spielst die Sisi, Sandra Hüller, du spielst die Hofdame Irma. Warum freunden sich Sisi und Irma an – was erwarten die beiden von dieser Beziehung?


Susanne Wolff: Die beiden Frauen begegnen sich ja, weil es eine neue Hofdame geben muss – die vorherige kann nicht mehr. Und auf Korfu, wo Sisi mit ihren anderen Bediensteten lebt, herrscht ein recht familiärer, intimer Umgangston. In diese Intimität begibt sich die Hofdame Irma von Anfang an hinein – es wird schon beim ersten Einstellungsgespräch klar, dass bei Irma einiges an Humor zu entdecken ist, der Sisi gefällt. Das ist die Initialzündung, Sisi merkt: Das könnte spaßig werden. 


Für beide – oder nur für Sisi?

Wolff: Das ist Sisi egal! Obwohl ich glaube, dass die Figur Sisi im Film auch etwas Gewinnendes, Charmantes hat. Das hoffe ich zumindest.


Wofür braucht Sisi überhaupt Hofdamen?

Wolff: Das weiß ich auch nicht (lacht). Ich glaube, obgleich sie sich entschieden hat, fernab des Hofes zu leben, braucht sie eine gewisse Entourage, die gar nicht in erster Linie zur Unterstützung beim Ankleiden dient, sondern damit Menschen anwesend sind, damit es Gesprächspartner gibt. Sonst könnte sie ja auch noch vereinsamter leben…sie braucht einfach einen gewissen Luxus.


Und was verspricht sich Irma von Sisi?

Sandra Hüller: Die wird dort zunächst auf Wunsch ihrer Mutter hineingesetzt – und was ihre Mutter will, will Irma auch. Am Anfang wundert sie sich über Elisabeth, bewundert sie aber auch ganz schnell. Was sie sucht… ich denke,
es geht unbewusst um Bestätigung, um einen Spiegel, all
das, was sie in ihrem bisherigen Leben vermisst hat. Irma ist
allerdings keine einsame Frau, jedenfalls nicht für mich – sie
könnte sich stundenlang beschäftigen, ganz egal womit.
Durch den Fokus auf Elisabeth verschiebt sich das – plötzlich wird sie ohne Elisabeth einsam.


Hat Irma ein Empfinden für die Hierarchien dieser Zeit?
Hüller: Ja, es ist ihr klar, dass Elisabeth die Chefin ist

Wolff: Für Sisi ist das natürlich ebenfalls klar.


Sind die beiden denn nie auf Augenhöhe? Sie unternehmen doch viele schöne Dinge zusammen, wie Freundinnen…

Wolff: Eine Szene hat mich sehr beeindruckt: Sisi hat einen Konflikt mit Franzl, und Irma geht dazwischen, sie schubst
Franzl sogar. Dafür bekommt sie eine gewaltige Ohrfeige und geht zu Boden. Da ist Sisi von Irmas Kraft und Impulshaftigkeit beeindruckt.


Hüller: Ich glaube auch, dass sie sich beim Drogenkonsum ziemlich nah sind, in Algier, beim Kiffen!


ACHTUNG SPOILER

Wie interpretiert ihr den Schluss – war das Attentat Irmas Idee?

Wolff: Sandra, Frauke und ich haben alle etwas unterschiedliche Interpretationen…

Hüller: Erstmal ist es ein großer Liebesbeweis von Irma, so absurd und getwistet, wie diese Beziehung ist: Ich liebe dich so sehr, dass ich dich sogar töte, wenn das dein Wunsch ist. Übergeordnet ist es ein anderer Tod – der eines Bildes, eines Ideals, einer Idee von Frausein und von Liebe. Die Hinweise darauf, nicht mehr leben zu wollen, gibt Elisabeth schon während des ganzen Films, sie will nicht mehr… sie sagt am Ende sogar: ich wusste gar nicht, dass du mich so sehr liebst. Ich denke also, dass es Elisabeths Idee war. Die Ausführung, das ist dagegen Irmas Entscheidung.

Wolff: Ich habe das Buch auch so interpretiert, dass die Tat Sisis sehr deutlich formulierter Wunsch war. Nicht das Wie, das Mordwerkzeug. Aber es war der sukzessive Versuch, Irma zu instrumentalisieren.

Hüller: Trotzdem ist es irreführend, weil Irma das Voice Over spricht – es ist eben nicht ganz klar. Da ist als Interpretation alles erlaubt.

ENDE SPOILER

Was mögt ihr an der jeweiligen Figur der anderen?

Hüller: Irma bewundert an Elisabeth ihre Konsequenz. Wenn Elisabeth etwas will, dann zieht sie das durch, sie macht, was sie möchte. Das ist faszinierend für Irma – für mich übrigens auch! Die Stimmungswechsel sind natürlich anstrengend, aber permanent auf sich selbst zu hören, das ist toll. Dazu kommt Elisabeths Klugheit, ihr Stil…

Wolff: Ich glaube, das ist bei mir der gleiche Punkt, der in zwei Richtungen ausschlagen kann: Irmas Hingabe, das Bereitsein, wie ein neugeborenes Schäfchen die Welt zu betrachten, das Staunen, die Freude – bis zu einem gewissen Maße findet Sisi das zauberhaft. Aber es wird ihr auch irgendwann zu übergriffig. Sisi fragt Irma nie etwas – erst am Ende des Films, durch den Brief, den Irma bekommt, erfahren wir etwas mehr von Irmas Kindheit, die anscheinend nicht schön war. 


Haben die beiden das vielleicht gemeinsam – das schwierige Verhältnis zur Mutter?

Wolff: Ja, vor allem wenn ich mich an den Dreh erinnere… wir hatten das große Glück, in diesen wunderbar herrschaftlichen Gemäuern zu drehen, und da sollten wir auf diesem Sofa auf unsere Mütter warten. Wir durften das erste Mal schlechte Laune verkörpern, und richtig herumlungern, beide zusammen, das hat großen Spaß gemacht. Zudem ist das eine von zwei Szenen, in denen wir beide in ein echtes Korsett gezwängt wurden. Damit wir Haltung annehmen, wenn unsere Mütter kommen. Da sind die beiden wie zwei Kinder in Socken.
 
Hüller: Ja. Aber ausgetauscht haben sich die beiden nicht über ihr schwieriges Verhältnis zu den Müttern. Beide gehen ja auch unterschiedlich damit um – Irma ordnet sich nach wie vor unter, Elisabeth nicht, die ist in einer mächtigeren Position. Irma sind Konflikte generell unangenehm. 


Wie war euer Verhältnis zu Sisi vor dem Film?

Wolff: Ich kann mich sehr gut an die alten Sisi-Filme erinnern. Aber Frauke hat uns dazu angehalten, nicht unbedingt weiterzuforschen, weil sie frei damit umgehen wollte. Sie hat uns keine Biografien in die Hand gedrückt. Trotzdem haben wir ein paar Dinge mitbekommen. 

Hüller: Wir haben auch während des Drehs erst erfahren, dass es mit „Corsage“ gerade einen weiteren Film über Sisi gibt… Mir war Sisi vorher ehrlich gesagt ein bisschen egal. Ich kannte die alten Filme, ich bin da aber eher an der tollen Darstellung von Romy Schneider hängengeblieben, wie sie die Ehrlichkeit und Verletzlichkeit spielt, ist wirklich berauschend. Aber die Filme erzählen ja eine ganz andere Lebensspanne. 

auch. Am Anfang wundert sie sich über Elisabeth, bewundert sie aber auch ganz schnell. Was sie sucht… ich denke,


Wie spielt man diese historische Steifheit?

Hüller: Das war nicht das Ziel: Frauke wollte nicht, dass wir die Körperlichkeit der 1800er bedienen. Wir durften modern sein. Der Film ist eine moderne Interpretation.

Wolff: Und trotzdem fühlt man sich durch den täglichen Prozess der Maske und des Kleides und des Wahrnehmens der Räume solchen alten, adligen Figuren näher. 


Der Film behandelt spezifisch weibliche Sujets und auch Themen wie Ess- und Körperstörungen. Ist das für euch ein feministischer Film?

Hüller: Ich finde, dass man sich über den Film aufregen können muss, dass man darüber streiten darf, ob und wie etwas gezeigt wird. Die Agilität im Film, die körperlichen Versuche, gegen etwas anzukämpfen, gefallen mir jedenfalls sehr gut. Man sieht, was es kostet, aus dem Leben herauszukommen. Und dabei geben beide nicht auf. Insofern ist es schon ein feministischer Film.


Könnte man so etwas wie eine Bulimie auch als Verweigerung interpretieren, und damit – zumindest in der Umgebung – als Stärke?

Hüller: Ein bisschen wird es so erzählt. Meine Haltung ist das zwar nicht, ich habe mir immer gewünscht, dass es Elisabeth egal ist, was andere von ihr denken. Wir haben das nicht ganz gelöst – trotzdem finde ich es interessant, wenn ich es im Film sehe, weil ich mich frage, ob sie sich tatsächlich dadurch selbst befreit, dass sie hungert. Oder eben das Gegenteil.


Eigentlich zerstört sie sich…

Hüller: Ja, und darüber haben wir viel diskutiert: Ist das richtig, seine Figur zu verändern, um in bestimmte Kleider zu passen – es geht so schnell, dass man anfängt, sich zu erzählen, was man gegessen hat oder was nicht. Es ist ein ambivalentes Thema.

Wolff: Ich glaube, dass die Selbstermächtigung, die darin steckt, im Film nicht nur negativ konnotiert wird. Denn diese Konzentration auf den Körper hat dazu geführt, dass ich mich auch auf den Geist konzentriert habe – wenn man sich von verschiedenen Gelüsten befreit, oder sie sich auch einfach verbietet, hat das eine starke Stringenz. Es geht aber auch erschreckend schnell, an nichts anderes mehr zu denken. Davon kann sich, glaube ich, keine Frau freisprechen.

Hüller: Ich glaube, ein Teil dieser Störung ist es, das Ganze als Selbstermächtigung wahrzunehmen. Momentan habe ich außerdem das Gefühl, dass Frauenfiguren im Film tatsächlich wieder – oder immer noch – sehr dünn sind. Gerade Prinzessinnenfiguren.


Sind ja auch viele essgestört, siehe Lady Diana. Würde es helfen, die Folgen einer solchen Körperstörung konsequenter zu zeigen, die schlimmen Zähne von Bulimikerinnen etwa?


Hüller: Ja, das wäre ein nächster Schritt.


Könnt ihr die Besessenheit für Prinzessinnengeschichten generell nachvollziehen?

Hüller: Ich wollte mich früher schon hin und wieder als Prinzessin verkleiden, aber das ist nie passiert. Darum geht man dann ja zum Theater.

Wolff: Ich hab mir mal eine Daunendecke umgewickelt und bin damit herumgelaufen – aber da ging es eher um das Gefühl, eine Schleppe zu haben.


Dabei ist Kleidung im Film nicht wirklich typisch Prinzessin – aber größtenteils sehr schick. Wenn auch teilweise sehr beengend.

Hüller: Ich habe für das Spiel schon öfter Korsett tragen müssen oder dürfen, ich finde das immer sehr hilfreich. Einen Fetisch habe ich glücklicherweise nicht! Aber zum Spielen ist es toll, weil man automatisch etwas macht, man geht dagegen, oder man geht mit. So eine Art von Begrenzung ist wichtig. Es löst sofort etwas aus.

Wolff: Ich habe immer gedacht: Solange ich noch auf die Toilette gehen kann, ist alles ok. es geht unbewusst um Bestätigung, um einen Spiegel, all das, was sie in ihrem bisherigen Leben vermisst hat. Irma ist allerdings keine einsame Frau, jedenfalls nicht für mich – sie könnte sich stundenlang beschäftigen, ganz egal womit. Durch den Fokus auf Elisabeth verschiebt sich das – plötzlich wird sie ohne Elisabeth einsam.


Hat Irma ein Empfinden für die Hierarchien dieser Zeit?

Hüller: Ja, es ist ihr klar, dass Elisabeth die Chefin ist.

Wolff: Für Sisi ist das natürlich ebenfalls klar.


Sind die beiden denn nie auf Augenhöhe? Sie unternehmen doch viele schöne Dinge zusammen, wie Freundinnen…

Wolff: Eine Szene hat mich sehr beeindruckt: Sisi hat einen Konflikt mit Franzl, und Irma geht dazwischen, sie schubst Franzl sogar. Dafür bekommt sie eine gewaltige Ohrfeige und geht zu Boden. Da ist Sisi von Irmas Kraft und Impulshaftigkeit beeindruckt.


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Info:
Stab

Regie Frauke Finsterwalder
Drehbuch Frauke Finsterwalder, Christian Kracht

Besetzung
Irma Gräfin von Sztáray Sandra Hüller
Elisabeth von Österreich-Ungarn Susanne Wolff
Graf von Berzeviczy Stefan Kurt
Erzherzog Viktor von Österreich Georg Friedrich
Fritzi Sophie Hutter
Marie Maresi Riegner
Gräfin Festetics Johanna Wokalek

Abdruck aus dem Presseheft