LICHTER FILMFEST FRANKFURT INTERNATIONAL, 18. bis 23. April, Teil 11
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Zugegeben, bei den Filmen mit und von Jafar Panahi bin ich nicht objektiv, was immer das bei Filmen überhaupt heißen soll. Der Erzählstimme und der Hauptfigur, - die Panahi heißt, was für den Regisseur Panahi schon deshalb sein muß, weil er so nur sich selbst gefährdet, - könnte ich stundenlang, tagelang zuhören und zuschauen. Und darauf läuft es auch hinaus, denn auch dieser Film ist in allem Jafar Panahi und er ist so wunderbar langsam, daß man alles, jede Regung im Gesicht der Leute mitbekommt.
ur Erinnerung. 2010 wurde Panahi wegen seiner Filme im Iran von einem Gericht zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt und erhielt ein Arbeitsverbot von 20 Jahren aufgebrummt. Aber er mußte die Strafe nicht antreten, machte trotzdem weiter und drehte Filme wie TAXI TEHERAN Goldener Bär BERLINALE), wo er sich mit Kameras beim Autofahren durch die iranische Hauptstadt filmt, wo die unglaublichsten Menschen und die unglaublichsten Dinge passieren, eigentlich alles normal, aber mit einem Mutterwitz und eine Poesie, daß einem das Herz aufgeht.
Jetzt bei der Verschärfung der politischen Situation im Iran, mußte er im Juli 2022 seine Strafe im berüchtigten Evin Gefängnis antreten. Vorher im letzten Jahr konnte er noch diesen Film drehen, der seine Situation auf den Arm nimmt, zum Thema macht und sowohl seinen Mutterwitz wie auch die Tragik des gesellschaftlichen Nichtverstehens durch ständige Mißverständnisse, aber auch ständiges Mißtrauen der dörflichen Bevölkerung auf die Leinwand bringt. Dieser Film bekam den Spezialpreis der Filmfestspiele von Venedig 2022.
Der Inhalt geht so: Der Filmemacher Panahi darf den beabsichtigten Film jenseits der Grenze nicht drehen, er darf den Iran nicht verlassen! Deshalb schickt er sein Drehteam auf die andere Seite, hinter die Grenze in die Türkei. Er selbst nimmt in einem Dorf nahe der Grenze Quartier. Der Film hat nun zwei Stränge. Der eine handelt vom Film, der gedreht wird, der andere von den Geschehnissen im Dorf.
Eigentlich wollte er übers Internet beim Dreh dabei sein. Aber ständig ist kein Empfang. Seine Versuche, im Erdinneren, wie auf der Höhe eine Internetverbindung zu erhaschen, schlagen fehl. So kommt jeden Abend heimlich ein Mitarbeiter über die Grenze und bringt den Dreh des Tages in einem Stick, den Panahi überprüft und Instruktionen für die Weiterarbeit gibt. Inhaltlich geht es um eine junge Frau, Folteropfer, die einen gefälschten Paß zum Flug nach Paris nicht nutzen will, weil ihr Mann nicht mitkommen kann. Daß dieser darüber verzweifelt, rührt sie nicht. Wir erfahren, daß die Schauspieler sich selber spielen, daß es tatsächlich um Abhauen geht.
Im Dorf ist ständig was los, die Leute kommen und gehen, dauernd werden die Schuhe aus- und angezogen, dauernd wird Tee angeboten, kaum getrunken, weil schon das nächste Ereignis auf der Lauer liegt. Panahi hat seine Kamera immer dabei, er ist ständig auf der Suche nach Motiven, nach Figuren, nach Gesichtern, die er aufnimmt.
Darunter ein kleiner Junge, der später behaupten wird, Panahi habe ein Liebespaar geknipst, das es nicht geben darf. Das Foto würde einen gesellschaftlichen Skandal hervorrufen, weshalb eine Abfolge von Honoratioren und Interessierten bei Panahi vorspricht, erst höflich, dann immer ärgerlicher und aufdringlicher, weil sie ihm einfach nicht glauben, daß er dies Foto nicht aufgenommen, also auch nicht hat.
Daß etwas, was gar nicht vorhanden ist, das Leben negativ bestimmt und auch sein Überleben in diesem Dorf fraglich macht, ist ein starker Kunstgriff, denn der Verfolgungswahn der iranischen Muftis erscheint als so unnötig und falsch, wie die Suche nach dem Foto, das er nie gab, was man dem, der es nicht aufnahm, vorwirft. Genial gedacht, handwerklich sauber umgesetzt.
Foto:
©Verleih
Info:
Regie und Drehbuch Jafar Panahi
Darsteller
Jafar Panahi, Naser Hashemi, Vahid Mobaseri ,Bakhtiar Panjeei , Mina Kavani , Reza Heydari
Genre Drama
gesehen am 22. April im DFF