maternal

LICHTER FILMFEST FRANKFURT INTERNATIONAL, 18. bis 23. April,  Teil 13

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Zuerst ein Ärgernis, über das wir beim diesjährigen Lichter Filmfest öfter berichten müssen: die Zwanghaftigkeit, mit der Filmtitel auf Englisch angegeben werden und damit die Herkunft der Filme verschleiern, obwohl es international üblich ist, bei Festivals die Filme mit dem Originaltitel anzukündigen. Diesmal traf es zwei spanische Filme, worauf wir noch eingehen, und diesmal wurde zudem völlig falsch übersetzt, was unmöglich ist, weil es das Wesentliche verschleiert.

Der heutige Film, der als MOTHERHOOD, also Mutterschaft angekündigt ist, heißt im Original LA MATERNAL. Damit werden in Spanien sprachlich sensibel Einrichtungen bezeichnet, die es bei uns erstens seltener und zweitens unter der sperrigen Bezeichnung Mutter-Kind-Einrichtungen gibt. Es geht also um Schutzräume für minderjährige Schwangere bis 18 Jahren. Und die hat Carla nötig!

Wir erleben das renitente und ständig die Schule schwänzende Mädchen als eine, die an die neunjährige Lenni in SYSTEMSPRENGER, Berlinale 2019, erinnert. Carla ist 13, als wir sie zusammen mit einem harmloseren Freund in einen Bungalow einbrechen sehen, brutal und völlig sinnfrei eine Orgie von Gläserschmeißen zelebrierend. Besser scheint es, wenn sie im Fußballspiel ihre Kräfte einsetzt oder auf dem Heimweg um die Wette mit ihrem Freund die beträchtliche Steigung mit dem Rad hochfährt.

Dann zu Hause, kann sie nicht rein, denn die Mutter hat abgeschlossen, weil sie gerade einen Liebhaber empfängt. Das Mädchen schleicht um das Haus herum, man kann ihre Einsamkeit und ihren Frust körperlich spüren und auch ihre Abwehr gegen den Freier, als die Tür aufgeht und sich der Mann bei ihr anbiedern will. Daß die Mutter, die recht ordinär rüberkommt und ständig mit ihren Haaren und dem Zurechtrücken des Busens beschäftigt ist, die Not des Mädchens nicht spürt, ist genau so sichtbar wie, daß sie sich nur um sich und ihre Attraktivität bei Männern kümmert.

Und dann ist Carla schwanger. Ihr kleiner Freund Efraín, mit dem wir sie rummachen sehen, ist der Vater. Die Vierzehnjährige ist im fünften Monat, als dies ein Sozialarbeiter vermutet. Ein Kind, das ein Kind bekommt. Sie kann in LA MATERNAL unterkommen, wo sie auf etwas ältere Mädchen stößt, von denen einige ihre Kinder schon bekommen haben, die anderen schwanger sind. Es ist eine beschützende und durch gemeinsame Aktionen der Mädchen auch liebevolle Umgebung, in der Carla aufblüht.

Doch als ihr kleiner Sohn Efraín geboren ist, zeigt sich bald, daß sie mit der Sorge für ihn überfordert ist. Es ist erschütternd, festzustellen, daß sie ihren kleinen Sohn genauso sich selbst überläßt, wie es ihre Mutter mit ihr machte und macht. Liebe geht sie aus, als den weinenden Knaben zu beruhigen. Noch nie sah ich in einem Film in Bildern und Atmosphäre diese Wiederholung des Elternverhaltens, unter dem Carla doch immer gelitten hatte und nun selbst vollzieht. Erschütternd.

Das einzig Positive, daß sie sich ihrer Mutter annähert und diese ihr. Wenn sie am Schluß ohne Kind mit der Mutter das Lokal begutachtet, das ihre Zukunft sein soll, so vermutet der Zuschauer, daß der kleine Sohn andere Eltern gefunden hat. Und das ist auch gut so.

Ein Film, der unter die Haut geht und einfach sehr gut gemacht und gespielt ist.

Foto:
©

Info:
Regie Pilar Palomero
Drehbuch Pilar Palomero
Produktion Valérie Delpierre, Alex Lafuente

Schauspieler Rollename
Carla Quílez.        Carla
Gal-la Sabaté      Gal-la
Ángela Cervantes       Penélope
Jordan Dumes            Efraín
Olga Hueso                 Asun
Ruben Martinez          Rubén
Neus Pàmies              Susana
Pepe Lorente              Chispas

Spieldauer 120 min

Sprache Spanisch mit englischen Untertiteln

ORIGINALTITEL LA MATERNAL

PRODUKTIONSLAND Spanien

PRODUKTIONSJAHR 2022

23. April 2023, 18:00 Uhr, Kino des DFF

-