23. goEast Filmfestival vom 26.April bis 2. Mai in Wiesbaden, Teil 4
Claudia Schulmerich
Wiesbaden (Weltexpresso) – Heute beginnt das Filmfestival in Wiesbaden und für Wiesbaden ist die Eröffnung mit den Ansprachen schon etwas Besonderes. Es gibt ja immer noch ein tiefes Aufatmen, daß die kontaktlose Zeit, die Corona erzwang, vorbei ist und man wieder gemeinsam Filme schauen kann, weil das digitale Einzelschauen eben nicht das gemeinsame Erleben vor der Leinwand ersetzen kann, die danach wie von selbst zum verbalen Austausch führt.
Auf AURORA’S SUNRISE darf man sich freuen, auch wenn der Film im Wettbewerb außer Konkurrenz läuft. Obwohl der Film der Wirklichkeit folgt, hat er märchenhafte Elemente, weil die echte Aurora Mardiganian als junges Mädchen den Völkermord an den Armenien überlebte, in die USA fliehen konnte und dort Schauspielerin wurde. Sie hatte ihr eigenes Schicksal aufgeschrieben, ein Buch, das in den USA zum Bestseller wurde und 1919 als AUCTION OF SOULS verfilmt wurde. Der Film wurde ein Sensationserfolg. Im Buch beschreibt sie, wie es im Osmanischen Reich zuging, als mit dem 1. Weltkrieg das jungtürkische Regime 1915 die selben Vokabeln verwendete, wie später die Nationalsozialisten, wenn sie vom „Säubern“ des Volkskörpers sprachen. Hintergrund ist die christliche Religion der Armenier, die als erstes Volk das Christentum übernahmen und es bis heute in Jerusalem neben dem jüdischen, dem christlichen und dem muslimischen auch das armenische Viertel gibt. Der Völkermord an den Armeniern geht in die Millionen, was in Europa lange totgeschwiegen wurde, aber in den USA eben auch durch Buch und Film von Aurora Mardiganian große Bekanntheit erfuhr.
Das war aber nicht alles, denn ihr Schicksal ging über das der Armenier noch hinaus, weil mit ihr, der jungen Frau, die fliehen konnte, alle Verfolgten angesprochen waren. Sie war das, was man heute eine Aktivistin nennt und sie wurde zum Symbol für Widerstand und Überleben und den Kampf gegen diejenigen, die das Lebensrecht von anderen beschneiden, ja diese töten. Und sie spricht aus, was die Jungtürken an Grausamkeiten auch unterhalb des Mordens fertigbrachten. Die erwähnte erfolgreiche Verfilmung ihres Buches mit ihr in der Hauptrolle, stammt aus dem Jahr 1919!
Der jetzige Film ist ein 2022 international produzierter animierter Dokumentarfilm, in dem die Regisseurin Inna Sahakyan den als verschollen bezeichneten Hollywoodfilm wiedererstehen läßt, in dem es einmal die animierte Heldin gibt, aber auch Interviews geführt werden und das Erleben der jungen Frau und ihr Überleben im Völkermord, das sie in Buch und Film wiedergibt, eben auch als Wiederentdeckung das damalige Hollywood vorführt.
Fotos:
©Verleih
Info:
Archivmaterial mit Animationen und exklusiven Ausschnitten aus dem als verschollenen geltenden Film Auction of Souls.
Offizieller Beitrag Armeniens für die Oscars 2023
Originaltitel: Aurora's Sunrise
Animation
Armenisch, Englisch, Türkisch, Deutsch
Kaleidoskop//FF2022
Armenien, Deutschland, Litauen
2022
96 min
OF mit engl. UT
Inna Sahakyan
Inna Sahakyan, Kerstin Meyer-Beetz, Peter Liakhov
Christian Beetz, Inna Sahakyan, Vardan Hovhannisyan, Justė Michailinaitė, Kęstutis Drazdauskas
REGIE
INNA SAHAKYAN (*1977 in Armenien) ist eine armenische Regisseurin und Produzentin. Ihr Dokumentarfilm The Last Tightrope Dancer in Armenia (2009) wurde mehrfach ausgezeichnet. Die Arbeit an ihrem monumentalen Projekt Aurora – Star wider Willen dauerte sieben Jahre.
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