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Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 27. April 2023, Teil 1

Redaktion

Frankfurt am Main  (Weltexpresso) – In Darren Aronofskys THE WHALE zeigt Brendan Fraser eine virtuose Performance als Charlie – ein Englischlehrer, der an schwerer Adipositas leidet und dem nun die Zeit davonläuft. Als er einen letzten mutigen Versuch unternimmt, sich mit seiner Familie zu versöhnen, sieht sich Charlie mit lang verdrängten Traumata undunausgesprochenen Gefühlen konfrontiert – die ihn schon seit vielen Jahren verfolgen. Aber THE WHALE ist mehr als das. Es ist eine umfassende Charakterstudie eines Mannes, der mit dem Ausmaß seines Bedauerns, seinen Pflichten als Vater und dem Wunsch der Wiedergutmachung ringt. Im Kern ist es eine Geschichte über Transformation und Transzendenz, die Reise eines Mannes zu sich selbst und aus seinem schwerfällig gewordenen Körper heraus – eine Reise durch die Tiefen der Trauer hin zur möglichen Erlösung.



Durch Charlie gibt uns der Film Einblick in ein Leben, das im Kino nur selten zärtlich und umsichtig dargestellt wird. Brendan Fraser taucht in Charlies Innenwelt ein, mit all den  Widersprüchen, Sehnsüchten und Ängsten, aber auch mit einem augenzwinkernden, fast schelmischen Witz. Es ist eine brillante, zutiefst ergreifende Darstellung, die Empathie nicht als Feind der Ehrlichkeit sieht, sondern vielmehr als zwei Seiten derselben Medaille.

Diese Intimität zwischen Zuschauer und Protagonist bildet das Herzstück des Films, der über fünf Tage in Charlies Leben eintaucht und ihn dabei begleitet, wie er nach Verbindung zu den Menschen in seinem Leben sucht – zu seiner entfremdeten Tochter, seiner Ex-Frau, seiner beste Freundin, seinen Online-Studenten und auch zu einem jungen Missionar an seiner Haustür. Jede dieser Begegnungen beleuchtet einen anderen Teil von Charlies Leben und verdeutlicht den Ernst seiner Situation. Charlies Wohnung wird während des Films zu einem Schlachtfeld, auf dem Vergangenheit, Gegenwart und ungewisse Zukunft aufeinandertreffen.

In dem Moment, als er „The Whale“ von Sam D. Hunter vor 10 Jahren zum ersten Mal sah, beschloss Darren Aronofsky, das Stück zu verfilmen. Er war sofort beeindruckt von der Intelligenz des Stücks und der unerschrockenen Art und Weise, wie es die Frage nach dem menschlichen Dasein stellt, ohne eine einfache Antwort zu geben.

Aronofsky: „Was ich an der Geschichte so liebe, ist, dass sie das Menschliche in Figuren hervorhebt, die weder gut noch böse sind. Sie sind voller Grautöne und haben ein vielseitiges, auch kompliziertes Innenleben – wie das bei Menschen eben so ist. Sie haben alle Fehler gemacht, aber was sie gemeinsam haben, ist ein großes Herz und den Wunsch, zu lieben, auch wenn der Gegenüber nicht liebenswert erscheint. Die Geschichte stellt eine einfache, aber wesentliche Frage: Können wir uns gegenseitig retten? Das ist wichtig in der heutigen Zeit, in der sich die Menschen mehr denn je voneinander abzuwenden drohen. Für mich ist es das, was Kino ausmacht. Durch die Kraft der Emotionen kann uns eine Geschichte wie diese in die Lage eines Mannes versetzen, über den wir sonst vielleicht nie nachgedacht hätten, und uns daran erinnern, dass der Wunsch nach Liebe und Erlösung in jedem von uns steckt.“

In gewisser Weise geht es in THE WHALE um die Suche nach Mitgefühl – warum wir es brauchen und warum wir es von uns wegstoßen, wann wir es geben können und wann nicht. Aber die Zuschauer erleben auch, wie fesselnd es ist, es im Laufe der Geschichte aufblühen zu sehen. Charlie durchbricht seine eigenen Grenzen wenn er versucht, wieder Vertrauen herzustellen. Seit dem Tod seines Lebenspartners befand er sich in einer Spirale, doch nun scheint er die Lethargie überwunden zu haben und entwickelt einen spürbaren Optimismus, der seine Tage erhellt. Auf dem Höhepunkt der Geschichte stellt Charlie die Frage, die Aronofsky als eine der wichtigsten dieses Films versteht: „Hast du manchmal das Gefühl, dass Menschen unfähig sind, Mitgefühl zu haben?“

Die Hoffnung, die Charlie noch hat – vor allem für seine scheinbar misanthropische Tochter Ellie – ist in dieser menschlichsten aller Eigenschaften verwurzelt. Denn, wenn die Menschen so viel Empathie besitzen wie Charlie glaubt, ist für Ellie alles möglich. „Charlie ist ein sehr unvollkommener Mensch, aber er versteht die Macht der Imagination. Er glaubt, dass sich jeder in die Welt eines anderen hineinversetzen und sie vielleicht sogar verstehen kann, wenn man sich
die Zeit nimmt“, sagt Aronofsky.


Foto:
©Verleih

Info:
Stab 
Regie      Darren Aronofsky
Drehbuch       Samuel D. Hunter, nach dessen gleichnamigen Theate


Darsteller
Charlie.     Brendan Fraser
Ellie          Sadie Sink
Thomas    Ty Simpkins
Liz             Hong Chau
Mary         Samantha Morton
Lieferant   Sathya Sridharan