Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 27. April 2023, Teil 9
Redaktion
Paris (Weltexpresso) – Die drei Protagonistinnen haben folgenden Hintergrund:
SANDRINE ZONGO
Burkina Faso
Seit Jahrzehnten behandelt die Regierung von Burkina Faso, eines der am wenigsten alphabetisierten Länder weltweit, das Thema Bildung mit absoluter Dringlichkeit. Zahlreiche,
vornehmlich weibliche Lehrer:innen werden nach einer zweijährigen Ausbildung an vielen Orten eingesetzt – oftmals weit weg von ihrem Zuhause. Sandrine ist eine solche Lehrerin.
Während ihrer Ausbildung hatte sie vor allem ein Ziel im Auge: Sie wollte die Zukunft ihres Landes sichern. Selbst aus der Hauptstadt Ouagadougou stammend, hatte sie bis dato mit
dem Leben im afrikanischen Busch keine Berührungspunkte. Für ihr erstes Jahr als Lehrerin wurde sie in das kleine Dorf Tiogagara versetzt. Ihre künftigen Schüler:innen, um die 50
Kinder aller Altersgruppen, sprechen fünf verschiedene Dialekte. Ihre Eltern arbeiten in den Feldern von Sorgho und sind weder des Schreibens noch des Lesens mächtig. Sandrines
Stelle in Tiogagara ist für sechs Jahre ausgelegt, in dieser Zeit trägt sie, so wie alle jungen Lehrer:innen in Burkina Faso, die Verantwortung dafür, ihre Klasse bis zum Abschluss der
Primarstufe zu bringen. Ein unentbehrlicher Einsatz, in einem von Lehrerarmut geprägten Land.
Ihr primäres Engagement gilt dem Kampf gegen den Analphabetismus. Die Beherrschung der französischen Sprache, als Amtssprache von Burkina Faso, ist für die Schüler:innen ein
unverzichtbares Mittel, um sich die Welt jenseits ihres Dorfes erschließen zu können. Der Mangel an Schulmaterialien, sowie die große Anzahl an Schüler:innen erschweren diese
Aufgabe jedoch erheblich. Unter Sandrines Schüler:innen befindet sich Monique, ein Mädchen, das davon träumt, Ärztin oder ebenfalls Lehrerin zu werden. Zu ihr, wie auch zu
Yves, der mit Sandrines Hilfe seine ersten französischen Wörter lernt, baut Sandrine eine besondere Beziehung auf. Dieses Band, das sie mit ihrer Schulklasse verbindet, trägt sie bei
der Erfüllung ihrer Mission über viele Hürden: Sie gibt ihr Wissen an Schüler:innen weiter, die von der Welt abgeschnitten sind und durch dieses Wissen die nächste Generation aus
Burkina Faso prägen.
SVETLANA VASSILEVA
Sibirien
In den unendlichen Weiten Ostsibiriens durchquert Svetlana die Taiga, um Kinder der nomadischen Ewenken zu unterrichten. Ihre Eltern sind Rentierhirten und ziehen als solche,
in Abhängigkeit der Jahreszeiten, mit ihren Herden umher. Im Winter sinken die Temperaturen auf Minus 50°C, die nächste Stadt liegt mehrere Tagesreisen entfernt...
Svetlana wäre lieber in der Taiga aufgewachsen, aber so wie viele Nomadenkinder, wurde sie im Alter von sechs Jahren in ein Internat geschickt. Um andere Kinder vor diesem Gefühl
der Entwurzelung zu bewahren, das sie selbst erlebt hat, arbeitet sie seit nunmehr 15 Jahren mit dem Nomadenvolk der Ewenken. Sie möchte die Nomadenschule am Leben erhalten,
die nach dem Prinzip des Wechsels funktioniert: Zwischen den Schulzeiten, die alle zwei Monate für etwa zehn Tage stattfinden, ist es die Aufgabe der Eltern, den Schulstoff nicht zu
vernachlässigen. Neben dem regulären Lehrplan versucht Svetlana, ihre Schüler:innen Lust an der ewenkischen Kultur zu vermitteln. Vor ihrer Tätigkeit als Lehrerin war sie
Rentierzüchterin. Das überlieferte Wissen der Ewenken steht auf ihrem Lehrplan deshalb genauso weit oben wie Mathematik oder Lyrik. Ihr wichtigstes Anliegen ist es, denn Kindern
die Wahl zwischen einem Leben in der Stadt und dem in der Taiga vor Augen zu führen.
Unter ihren wenigen Schüler:innen sind Matvei und Lura. Die beiden Jungen, die wie Brüder miteinander sind, leben mit ihren Eltern regelmäßig im Herzen eines Waldes, irgendwo
zwischen Stadt und Taiga. Um in den Nomadensiedlungen unterrichten zu können, verbringt Svetlana einen Teil des Jahres auf anstrengenden wie auch gefährlichen, 150 bis 200 km
langen Routen mit ihren Rentieren, weit weg von ihren Töchtern, die in der Stadt leben. Die meisten Lehrer:innen bevorzugen es, in der Stadt zu unterrichten, im Warmen. Doch für
Svetlana ist das, was sie an die Kinder der Ewenken weitergeben kann, etwas Unersetzliches: Der Stolz darauf, zu sein, wer man ist und woher man kommt.
TASLIMA AKTER
Bangladesch
Im Norden Bangladeschs überschwemmen immer heftiger werdende Monsunregen das Land. In diesen Zeiten liegt Bangladesch zu zwei Dritteln unter den Wassermassen begraben. Gerade die Ärmsten der Bevölkerung sind davon massiv betroffen. Die Bauer:innen können nichts mehr anbauen, den Kindern ist der Weg zur Schule versperrt. Dass Schule und Bildung nicht zugänglich sind, schwächt vor allem die jungen Mädchen, denn für sie steigt die Gefahr, einer Zwangsehe ausgeliefert zu werden.
Taslima Akter ist gerade einmal 22 Jahre alt und unterrichtet bereits seit vier Jahren. In der Region von Sunamganj wurde sie von der NGO BRAC mit der Aufgabe betraut, die Kinder
ihres Dorfes auf einem „Schulboot“ zu unterrichten. Jeden Morgen holt Taslima ihre Schüler:innen an den Ufern ihres jeweiligen Zuhauses ab und unterrichtet sie direkt auf dem
Boot. Taslima betreut ihre Schülerinnen und Schüler bis zum Eintritt in die Sekundarschule. In dieser armen Region hilft der Großteil der Kinder der Familie zum Überleben beizutragen
und sie brechen die schulische Ausbildung deshalb oft bereits am Ende der Grundschule ab. Taslima kämpft täglich dafür, dass die Schule an Priorität im Leben der Schülerinnen und
Schüler gewinnt und verbringt viel Zeit damit, sie jeden Tag aufs Neue zu motivieren.
Yasmin ist eine von ihren Schüler:innen. Ihre Mutter will sie so bald wie möglich verheiraten. Um das zu verhindern und Yasmins Mutter davon zu überzeugen, ihre Tochter bis zur
Abschlussprüfung am Unterricht teilnehmen zu lassen, besucht Taslima sie regelmäßig zu Hause. Selbst unverheiratet, musste auch Taslima einst ihre Eltern davon überzeugen, ihr
Studium zu unterstützen und zu finanzieren. Als einzige Frau in ihrer Familie verdient sie nun ihren Lebensunterhalt selbst. Seit der Oberschule fällt es zudem ihr zu, mit ihren Brüdern
und Schwestern zu lernen. Taslima weiß, dass Yasmin die Konsequenzen einer Heirat nicht vollends bewusst sind und setzt sich deshalb dafür ein, dass die junge Frau die Möglichkeit
bekommt, selbstbestimmt zu wählen. So erfüllt sie ihre Aufgabe nicht nur als Lehrerin sondern auch außerhalb ihres Schulbootes.
Info:
Frankreich, 2021
Länge: 82 Minuten
Bildformat: 1,85:1
Tonformat: 5.1
Stab
REGIE ÉMILIE THÉROND
KAMERA SIMON WATEL
Besetzung
BURKINA FASO SANDRINE ZONGO
SIBIRIEN SVETLANA VASSILEVA
BANGLADESCH. TASLIMA AKTER
ERZÄHLT VON DENNENESCH ZOUDÉ (OV: KARIN VIARD)
Abdruck aus dem Presseheft
Vor der Kamera: Sandrine Zongo, Svetlana Vassileva,Taslima Akter
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- Kategorie: Film & Fernsehen