Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom Donnerstag, 11. Mai 2023, Teil 5
Mikko Myllylahti
Helsinki (Weltexpresso) - Ich bin einmal einem interessanten Holzfäller aus dem Norden begegnet, nicht weit von meiner Heimatstadt enfernt. Er erzählte mir von seinem Leben, wie er das Dorf und seine Familie verlassen musste, wie er alles verloren hat. Es war eine traurige Geschichte, aber er schien damit überraschend gut zurechtzukommen. Er akzeptierte diese Schicksalsschläge mit einem Lächeln im Gesicht. Ich war verblüfft über die Haltung dieses in sich ruhenden Mannes. Als ob er darin einen teferen Sinn erkennt, der nur ihm verständlich ist; einen Sinn, der ihn in seinem Dasein wurzelt.
Je mehr ich über diesen Mann und seine Einstellung zum Leben nachdachte, umso mehr erkannte ich das Potenzial einer Geschichte: über die Möglichkeit der Hoffnung in unserer modernen Welt, die voller Unsicherheit und Angst ist. Ich wollte ein poetisches Universum schaffen, in dem mein freundlicher Holzfäller leben kann, ein skurriles kleines Dorf, das von Schnee und Dunkelheit bedeckt ist, mit einemEnsemble seltsamer Charaktere, wie dem Friseur und dem hellseherischen Sänger oder Bergleuten, die durch den Schnee stapfen, während sie über philosophische Fragen nachdenken. So entstand „Die Geschichte vom Holzfäller“.
Es ist ein Film, der zugleich sehr komisch und sehr ernst, metaphorisch und handlungsgetrieben ist. Ich hatte das Gefühl, dass ich die ganze Kraft eines klassischen Breitwandkinos nutzen muss, um das Publikum in diese Welt zu versetzen, die ich beim Schreiben des Skripts im Kopf hatte. Auf 35-mm-Film und an realen Orten und Landschaften in Lappland zu drehen, war entscheidend – ebenso wie die Verwendung einer Chorpartitur! Es gibt fantastische, vielseitge Schauspieler:innen in Finnland und ich hatte das Glück, die Besetzung zu bekommen, die ich wollte. Zusammen mit ihnen konnten wir eine Tonalität und Schauspielmethode entwickeln, die zu den literarischen Aspekten des Drehbuchs und zu dem trockenen Humor passen, den man im ländlichen Finnland so ziemlich überall finden kann.
Kino ist für mich Poesie. Hier liegt auch mein persönlicher Hintergrund: Mit 23 habe ich als Dichter angefangen. Jede Poesie – sei es Literatur oder Kino – ist eine Kontemplation über die Sprache. Ein Kino, das sich ausschließlich auf die Mechanik des Geschichtenerzählens verlässt, ist zwangsläufig nur eine visualisierte mündliche Erzählung, nur eine blasse Darstellung der Realität, ohne diese Realität zu sein. Wohingegen ein Kino, das mehrschichtig aufgebaut ist, jenseits von Worten nach Transzendenz greift und uns auch heute noch erschüttern oder „unsere Seele in Schock versetzen“ kann, wie Tarkowski es ausgedrückt hat, und so eine bleibende Größe schafft. Das möchte ich auch mit „Die Geschichte vom
Holzfäller“ erreichen. Und um einen kleinen Hoffnungsschimmer zu geben. Es ist vielleicht nicht Hoffnung in der Form, die wir gewohnt sind, sondern eher eine eigentümliche Form lakonischer nordischer Hoffnung, die nur bei Leuten wie Pepe zu finden ist.
Foto:
© Verleih
Info:
Stab
Regie und Drehbuch Mikko Myllylahti
Kamera Arsen Sarkisiants
Darsteller
Pepe Jarkko Lahti
Tuomas HP Björkman
LittleTuomas Iivo Tuuri
Jaakko Marc Gassot
Kaisa Katja Küttner
Irmeli. Ulla Tapaninen
Maija Armi Toivanen
Abdruck aus dem Presseheft