Serie: Die angelaufenen Filme in deutschen Kinos vom 17. April 2014, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Keine Ahnung, warum in Deutschland deutschen Filmen so mißtrauisch begegnet wird, von der Kritik, nicht vom Publikum, aber allen französischen Komödien schon von vorneherein filmische Qualität attestiert wird. Wir auf jeden Fall finden DIE SCHWARZEN BRÜDER gelungen, wenn man den Film für Kinder und Jugendliche als Zielpublikum vorsieht.

 

 

DIE SCHWARZEN BRÜDER

 

Natürlich spricht nichts dagegen, daß ihn auch Erwachsene anschauen. Denen wird sehr vieles bekannt sein. Denn der Film erinnert in Anlage und auch der Grundsituation an die Geschichten, für die nicht nur die Engländer Charles Dickens lieben. Erst geht es jemandem, der kein Wässerchen trüben kann, ganz schlecht, woran nicht das Schicksal allein – das auch –, aber vor allem menschliche Bösewichter Schuld tragen. Und dann lehnt sich der Gedemütigte und Geschundene auf, nimmt Kopf, Herz und Verstand in die Hand und zahlt es dem oder den Bösen so richtig heim, daß einem das Herz lacht, weil einmal, wenigstens im Buch oder Film die Schuldigen bestraft werden.

 

So funktionieren alle guten Geschichten und in den DIE SCHWARZEN BRÜDER gibt es vom Unglück erst einmal ein solches Maß, daß man für den jugendlichen Helden schwarz sieht. Da aber der Film auf dem Jugendbuchklassiker von Kurt Held (der schrieb ihn zu Ende und ist durch DIE ROTE ZORA berühmt) und Lisa Tetzner (seine Frau hatte den Roman angefangen) basiert, wissen wir, die wir das Buch kennen, daß es gut ausgehen wird. Das hilft einem kaum, denn das, was hier passiert, mitzuerleben, mitzufühlen, ist für die Wohlstandskinder und auch die Wohlstandserwachsenen der Bundesrepublik Deutschland fremdes Territorium. Und da die Geschichte auch in der Schweiz und Südtirol spielt, wäre es geographisch tatsächlich fremdes Territorium, aber so meinen wir es nicht, sondern rein bezogen auf die Lebensumstände, deren damalige Brutalitätgegenüber dieser Jugend man sich kaum vorstellen kann.

 

Ganz gut also, vorher ruhig einmal in die Geschichtsbücher zu schauen, denn dann kann niemandem den Autoren oder dem Filmteam vorwerfen, sie hätte hier übertrieben. Die Landbevölkerung in der Schweiz wie anderswo, die durch Hofteilungen und den Niedergang der Preise weder Viehwirtschaft, noch Landwirtschaft gewinnbringend unterhalten konnten, ließen sich gerne auf Versprechungen derer ein, die aus den Großstädten, hier Mailand, in die Berge kamen und gegen Geld sich die Kinder, die Jugendlichen mitgeben ließen, also sie den Eltern abkauften. Und wollten Eltern partout nicht, dann wurde der Nachwuchs einfach entführt.

 

Denn in den Städten – der 1941 erschienene Roman spielt im 19. Jahrhundert, wir sagten ja schon: Charles Dickens Zeit - konnte man robuste Landjungens gut gebrauchen. Es gab genug Berufe, deren Ausübung derart kraftzehrend und auch unappetitlich war, daß sich die feinen Stadtpinkels dafür nicht hergaben. Genug des Hintergrunds, wir erleben also, wie Giorgio (Fynn Henkel), der seine Heimat und das Leben in der Natur liebt, den aber auch das Abenteuer durchaus reizt, von diesem Antonio Luini (Moritz Beibtreu, so verführend wie brutal) erworben wird. Der nämlich ist von einem Mailänder Konsortium, dem Zusammenschluß dortigen Kaminkehrer, beauftragt und mit Geld ausgestattet worden, Jungens zu besorgen, die durch die engen hohen Schornsteine der italienischen Stadt mit ihren Kehrwerkzeugen hinauf- und hinuntergleiten können, echte Kaminfeger.

 

Wie gefährlich das alles wirklich war, erkennt man gleich zu Beginn, als der erfolgreiche Werber mit einem überfüllten Kahn bei Sturm kentert. Gewissenlos 'entsorgt' er die Leichen, lügt die Überlebenden an und fährt gen Mailand. Alfredo, den wir auch kennengelernt haben, hat Pech mit seinem Herrn, was unser Giorgio nicht minder hat,aber doch weniger, denn er wird nicht mißhandelt, nur von der Hausfrau heruntergeputzt, aber dort gibt es die kränkliche Tochter Angeletta, die Giorgio mag und ihm heimlich sogar das Schreiben und Lesen beibringt.

 

Die Szenen, die uns nun zeigen, wie zwei jugendliche Männergruppen, die beide eigentlich die Untergebutterten sind, wo sich die einen aber noch auf Kosten der Schwächeren bereichern, die sind deshalb so lehrreich, weil sie ein Beispiel dafür sind, wie man im Leben eigentlich festgefahrene personelle Situationen auflösen kann. Nein, mehr wollen wir hier nicht verraten, nur weitersagen, daß die Szenen in den Schornsteinen toll fotografiert sind und Schauerliches zeigen. Es ist einfach todgefährlich, wie diese Kaminfegerjungs durch die sogar brennenden Kamine gleiten, wobei die Zartesten eben die sind, die die besonders schmalen Kamine bedienen müssen.

 

Auf jeden Fall hilft Solidarität, die aber nicht von alleine kommt. Es braucht einfach die Menschen, die wie Giorgio ihr Schicksal nicht als gottgegeben akzeptieren, sondern etwas tun. Daß Freund Alfredo solche Rolle dabei spielt, hilft diesem nicht, aber den anderen. Bleibt festzuhalten, daß der inzwischen mehr als runtergekommene Antonio Luini seine Quittung erhält. Wenigstens das.