Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom Donnerstag, 29. Juni 2023, Teil 7
Redaktion
Madrid (Weltexpresso) – Woher kommt die Metapher der Bienenzucht und was symbolisiert sie im Film?
Im Bienenstock hat jede der Bienen eine bestimmte Aufgabe, die für das Funktionieren der Gruppe notwendig ist. Der Bienenstock ist jedoch mehr als die Summe seiner Individuen. Er ist ein lebendiger Organismus, und ich dachte, das sei im Hinblick auf das Thema des Films angemessen, weil es eine Spannung zwischen dem Individuum und der Gemeinschaft gibt. Der Bienenstock wird von voneinander abhängigen Individuen regiert, und gleichzeitig spielt jede Biene eine bestimmte Rolle in ihm. Für mich war das ein geeignetes Bild, um über Familienbeziehungen zu sprechen, wie sie im Film dargestellt werden. Darüber hinaus spielen Bienen und Bienenstöcke eine wichtige soziale und spirituelle Rolle im traditionellen baskischen Leben, dessen Kultur ich ebenfalls darstellen wollte - in der baskischen Kultur gilt die Biene als heiliges Tier.
Im Film findet ein stetiger Sprachwechsel zwischen Baskisch und Spanisch statt, obwohl das im modernen Kino nicht so üblich ist – warum haben Sie sich für diese Form entschieden?
Einen einsprachigen Film in einem solchen Umfeld zu drehen, wäre nicht angemessen gewesen, denn in der Realität, die ich beschreibe, wechseln die Menschen ganz natürlich von einer Sprache zur anderen, sogar innerhalb der gleichen Familie. Außerdem ist das Baskenland durch eine Grenze geteilt, die das Gebiet in zwei Hälften separiert. Diese Grenze stellt nicht nur eine geografische Trennung dar, sondern fungiert auch als mentale Barriere oder als Grenze, die die Protagonisten überschreiten müssen. Ökologische Studien besagen, dass die größte Artenvielfalt und der größte Reichtum an Flora und Fauna an geografischen Grenzen zu finden sind. Auch viele Sprachen koexistieren an diesen Orten, und sie sind Teil
der Vielfalt der Identitäten und Kulturen, die ich zeigen wollte. Auch hier gibt es eine Art Binarität: eine hegemoniale Sprache repräsentiert die Norm, während die baskische Sprache die Alterität darstellt. Für mich war die Verwendung des Baskischen von grundlegender Bedeutung, weil es eine Sprache ist, deren Grammatik nicht geschlechtsspezifisch ist, und weil es für meine Figuren Sinn ergibt, da es ihnen die Möglichkeit bietet, sich zu befreien.
Der Film schwankt zwischen verschiedenen Rhythmen. Warum?
Die Geschichte beginnt sehr schnell, weil ich die Routine einer Familie mit drei Kindern darstellen wollte. Sie reflektiert über unser eiliges Alltagsleben, das uns daran hindert, die Situation vor uns genau zu betrachten. Diese Energie verschwindet, wenn wir in das Dorf kommen. Ich wollte ein langsames Tempo festlegen, das es mir ermöglicht, den einzelnen Figuren genauer zu folgen. Der Film funktioniert wie ein Spiegelspiel: Jeder Schritt, den eine Figur macht, hat Auswirkungen auf die Wege der anderen.
Haben Sie sich bewusst für eine naturalistische Ästhetik entschieden?
Ich wollte die Realität so natürlich wie möglich zeigen, damit der Betrachter nicht das Gefühl hat, Zeuge von etwas Künstlichem zu sein, sondern von einem fast normalen Leben. Dies führte zu weiteren ästhetischen Entscheidungen. So gibt es zum Beispiel keine extradiegetische Musik im Film. Die Musik kommt von den Figuren selbst, die sie in einem bestimmten Moment spielen, was mir auch erlaubt, sie zu charakterisieren. Ich habe viel mit natürlichem Licht gespielt und versucht, das natürliche Licht der Orte, durch die Cocó geht, so weit wie möglich zu nutzen. Und was die Kamera angeht, wollte ich nah an den Figuren sein und mit Nahaufnahmen in Kombination mit größeren Bildausschnitten arbeiten, um die Auswirkungen der Umgebung auf sie zu zeigen und den Zuschauern zu ermöglichen, sich in jede Figur hineinzuversetzen.
Um diese naturalistische Ästhetik zu erreichen, war das Wichtigste die Probenarbeit. Mehrere Monate lang haben wir Szenen geprobt, die nicht im Drehbuch standen, um die Beziehungen zwischen den Figuren zu entwickeln. Bei den ausgebildeten Schauspielern habe ich mich um Realismus und einen frischen Ton bemüht, auch wenn sie dem Drehbuch folgen mussten. Es war eine der größten Herausforderungen alle auf das gleiche Niveau zu bringen.
Wie haben Sie die Schauspieler gecastet? Haben Sie beim Schreiben der Rolle von „Ane“ an Patricia López Arnaiz gedacht, die eine der aufstrebenden Schauspielerinnen des spanischen Kinos ist?
Nicht wirklich. Ich war fest entschlossen, eine unbekannte Schauspielerin zu finden, um dem Zuschauer eine realistische Erfahrung zu bieten, damit er die Schauspielerin nicht erkennt, sondern einer "anonymen" Person folgt. Ich habe mich nach mehreren baskischen Schauspielerinnen umgesehen, die ihren Durchbruch noch nicht geschafft hatten, was Patricia bereits geschafft hatte, als ich mit der Arbeit an dem Film begann. Aber ich habe sie schließlich vorsprechen lassen. Aufgrund des tiefen Verständnisses, das sie für das Drehbuch hatte, und der Gespräche, die wir führten, war es offensichtlich, dass wir sehr gut zusammenarbeiten würden. Wir waren in der Lage, uns zu verständigen, und das war für mich das Wichtigste.
Wie haben Sie die Schauspielerin gefunden, die Cocó spielt?
Ich habe etwa 500 Mädchen gesehen und lernte Sofía gleich zu Beginn des Castings kennen. Dort sah ich sofort eine der Rollen in ihr, nämlich die eines der PoolMädchen. Sie war großartig im Improvisieren, aber anfangs entsprach sie noch nicht meiner Vorstellung von Cocós Charakter. Erst am Ende des Prozesses wurde mir klar, dass ich ihr nie wirklich eine Chance gegeben hatte, Cocó zu spielen, und ich dachte, ich würde sie ein letztes Mal vorsprechen lassen. Ihr Vorsprechen war überwältigend.
Sie war Cocó.
Foto:
©Verleih
Info:
Schauspieler
COCÓ: Sofía Otero
ANE: Patricia López Arnaiz
LOURDES: Ane Gabarain
LITA: Itziar Lazkano
GORKA: Martxelo Rubio
LEIRE: Sara Cózar
ENEKO: Unax Hayden
NEREA: Andere Garabieta
JON: Miguel Garcés
Stab
REGIE: Estibaliz Urresola Solaguren
DREHBUCH: Estibaliz Urresola Solaguren
KAMERA: Gina Ferrer García
Abdruck aus dem Presseheft