Oppenheimer1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 20. Juli 2023, Teil 2

Margarete Ohly-Wüst

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – 1954: J. Robert Oppenheimer (Cillian Murphy) muss sich vor einem geheimen Gremium wegen einer Sicherheitsanhörung verantworten. Ihm wurde die sogenannte ″Sicherheitsgarantie″ nicht verlängert. Hintergrund ist ein Brief von dem Rechtsanwalt William L. Borden (David Dastmalchian), der Oppenheimer beschuldigt ein Agent der Sowjetunion zu sein. Dies hat zu Zeiten der McCarthy-Ära zur Folge, dass er nicht mehr zu geheimen Regierungsprojekten im Rahmen der Atombomben- und Wasserstoffbomben-Forschung arbeiten durfte und das bedeutete außerdem eine Reduzierung seiner politischen Einflussnahme.


Während dieser Hinterzimmer-Anhörung wird er des ″Umgangs mit bekannten Kommunisten″ beschuldigt, dazu werden einige seiner Mitarbeiter befragt. Dadurch wird Oppenheimers Leben durchleuchtet von seiner Zeit als Student in Cambridge über seine Arbeit am ″
Manhattan-Projekt″ bis zu seiner Professur in Princeton, wo er nicht nur Lewis Strauss sondern auch auf Albert Einstein (Tom Conti) traf.

In Cambridge studierte er unglücklich bei Experimentalphysiker Professor Patrick Blackett (James D'Arcy). Dort traf er allerdings bei einem Vortrag auf Niels Bohr (Kenneth Branagh), der ihm riet sich der theorischen Physik bei Werner Heisenberg (Matthias Schweighöfer) in Göttingen zuzuwenden.

Er wird zu seiner Freundschaft zum Assistenz-Professor für Romanistik Haakon Maurice Chevalier (Jefferson Hall), den er 1937 in Berkeley kennenlernte, seiner Liebschaft mit der bekennenden Kommunistin Jean Tatlock (Florence Pugh) und dann zu seinem Weg zum Manhattan-Projekt befragt, bei dem es immer wieder auch um seine politischen Vorstellungen ging. Erzählt wird auch Kennenlernen Oppenheimers mit der in Deutschland geborenen und verheirateten Kitty Harrington (Emily Blunt), die es dann allerdings auf ″altertümliche″ Weise schaffte, von ihrem Ehemann geschieden und von Oppenheimer geheiratet zu werden, denn der Sohn Peter wurde kurz nach der Heirat 1941 geboren.

Bei der Vorbereitung zum Manhattan-Projekt traf Oppenheimer auf den Ingenieur Leslie Groves (Matt Damon), der Lieutenant General der US Army war und als militärischer Leiter beim Manhattan-Projekt dienen sollte. Die Beiden entwickelten zusammen die Forschungsstation in der Wüste von New Mexico in Los Alamos. Dabei wurden nicht nur Laboratorien, sondern gleich ein ganzes Städtchen aufgebaut, so dass auch die Familien der Forscher dort wohnen und teilweise auch mitarbeiten konnten. Einer der wichtigsten Mitarbeiter im Los Alamos National Laboratory bei der Entwicklung der Nuklearwaffe aber auch einer seiner stärksten Gegner war dort Edward Teller (Benny Safdie), der keine Atombombe, sondern eine Wasserstoff-Bombe mit viel größerer Schlagkraft bauen wollte.

Nach dem Abwurf der Bomben über Hiroshima und Nakasaki und Beendigung des Krieges wird Oppenheimer als ″Vater der Atombombe″ gefeiert. Doch als er die Folgen sieht, geht Oppenheimer auf Abstand zu seinem Projekt. Jetzt
setzt sich Robert Oppenheimer als Berater der US-amerikanischen Atomenergiebehörde, die von Lewis Strauss (Robert Downey Jr.) mitbegründet wurde, für eine internationale Kontrolle von Kernenergie und gegen ein nukleares Wettrüsten ein – und gerät so ins Visier des FBI.

Oppenheimer2In einer Parallelmontage wird die Anhörung von Lewis Strauss vor dem US-Senat gezeigt (diese Szenen wurden überwiegend in schwarz-weiß gedreht), die 1959 stattfand und bei der Strauss als Handelsminister bestätigt werden soll, da er das Amt bereits ein knappes Jahr kommissarisch ausgeübt hatte. Entgegen allen Vorhersagen konnte Strauss die Abstimmung jedoch nicht gewinnen, sondern unterlag mit 46:49 Stimmen, obwohl einige Freunde u.a. Edward Teller sehr positiv für ihn ausgesagt hatten. Doch letztendlich stolpert Strauss über seine eigene Überheblichkeit und dass er aus persönlichen Gründen Jahre zuvor gegen Robert Oppenheimer opponiert hatte und wohl auch Oppenheimers Akte an den FBI-Informanten William L. Borden weitergegeben hatte…


Regisseur von ″Oppenheimer″ ist Christopher Nolan, der auch das Drehbuch nach dem Sachbuch American Prometheus: The Triumph and Tragedy of J. Robert Oppenheimer (2005) von Kai Bird und Martin J. Sherwin verfasst hat und den Film zusammen mit Kameramann Hoyte van Hoytema im IMAX-Format gedreht hat, mit dem Nolan auch bei seinen letzten drei Filmen ″Interstellar″ (2014), ″Dunkirk″ (2017) und ″Tenet″ (2020) zusammen gearbeitet hat. Für die Musik war der schwedische Filmkomponist verantwortlich, mit dem Nolan auch bereits bei Tenet zusammen gearbeitet hat.

Nolan konnte wieder eine große Anzahl bekannter Schauspieler für kleine und kleinste Rollen gewinnen, wie z.B. Kenneth Branagh als Niels Bohr, Tom Conti als Albert Einstein, Casey Affleck als Boris Pash, Rami Malek als David Hill, Gustaf Skarsgård als Hans Bethe oder David Krumholtz als Isidor Rabi. In einer etwas größeren Rolle waren Josh Hartnett als Ernest Lawrence, Florence Pugh als Jean Tatlock oder Jason Clarke als Roger Robb, den Ankläger gegen Oppenheimer zu sehen.

Doch es sind wenige Schauspieler, die dem Zuschauer längerfristig im Gedächtnis bleiben. Das ist zum ersten natürlich Cillian Murphy als Robert Oppenheimer, Emily Blunt als seine Frau Kitty, Matt Damon in der
undankbaren Rolle des General Groves sowie auch Robert Downey Jr. als Lewis Strauss.

Cillian Murphy zeigt ein vielschichtiges, schonungsloses, aber auch verletzliches Bild Oppenheimers, dabei werden private Verfehlungen und seine Arroganz nicht ausgelassen. Für den Zuschauer ist es manchmal unverständlich, wieso der bekannte Physiker sich so behandeln lässt, aber vermutlich meint er nur so seine wissenschaftlichen und politischen Ideen weiter verfolgen zu können. Besonders spannend sind dann die Sequenzen, wenn sowohl das politische Konstrukt rund um das Manhattan-Projekt als auch Oppenheimers Verwicklung mit kommunistischen Bekannten behandelt werden. Diese Szenen machen den Film zu einem spannenden Gerichtsdrama.

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Matt Damons General Groves muss zwischen den brillanten Wissenschaftlern und dem Militär jonglieren, obwohl er selbst Ingenieur ist, versteht er vieles von dem nicht, was dort geforscht wird. Er weiß aber, dass die Wissenschaftler ihre Aufgaben erfüllen müssen, bevor die Politiker sie dann entmachten und die Ergebnisse für ihre Vorteile nutzen werden. Allerdings liefert sich Matt Damon viele mitunter recht amüsante Scharmützel mit Oppenheimer, die im Film zu den lustigsten Szenen gehören.

Robert Downey Jr. zeigt als Lewis Strauss eine hervorragende Performance. Man spürt als Zuschauer deutlich die Überheblichkeit aber auch die Minderwertigkeitsgefühle des Selfmade-Mannes, der nicht studiert hat. Bei seiner Anhörung wird deutlich, dass es zwei Erlebnisse gibt, die ihn insgeheim zum Feind von Oppenheimer gemacht haben, da gab es eine Situation bei einer Sitzung der Atomenergie-Behörde, bei der der Physiker ihn deutlich mit einer anderen Meinung vorgeführt hat und dann war da ein Gespräch zwischen Oppenheimer und Einstein, von dem Strass glaubt, dass über ihn hergezogen wurde. Er merkt auch viel zu spät, dass sich während seiner Anhörung schon viele vor allem jüngere Leute von ihm abgewendet haben.

Als vierte wichtige Darstellerin muss noch Emily Blunt als Kitty Oppenheimer hervorgehoben werden, auch wenn deren reale Alkoholsucht im Film etwas heruntergespielt wird. Doch Blunt hat gegen Ende des Films während der Anhörung ihres Mannes eine ausgesprochen emotionale Szene, die zeigt, was für eine lebenskluge Frau sie trotz ihrer Alkoholsucht und ihrer anderen Probleme doch war. Allein für diese Szenen hat es sich für Emily Blunt gelohnt, in dem Drama mitzuspielen.

Neben den Leistungen der Schauspieler muss man aber auch hervorheben, dass Christopher Nolan mit ″Oppenheimer″ wieder einen audiovisuell beeindruckenden Film abgeliefert hat. Dabei muss immer wieder betont werden, dass der Regisseur so viele Szenen wie möglich auf die altmodische Art gedreht hat und es nur ganz wenige Computereffekte gegeben hat.

Oppenheimer4Insgesamt mag ″Oppenheimer″ nicht Christopher Nolans bester Film sein, aber er gibt einen hervorragenden Einblick in die Ereignisse rund um die Entwicklung, den Bau und den Abwurf der ersten Atombomben, bei dem aber vor allem auf die politische Dimension und die Kommunisten-Angst der 1940er und 1950er Jahre eingegangen wird und dadurch dem Zuschauer klar wird, wie schnell man allein durch die aufgeheizte Stimmung vom Liebling des Volkes zum angeblichen Verräter werden kann. Auch wenn dem Film möglicherweise durch die Zeitsprünge zuweilen nicht leicht zu folgen war, ist ein absolut sehenswerter Historienfilm entstanden, den man sich unbedingt im Kino ansehen sollte.

Zusatz: Robert Oppenheimers Arbeit wurde erst neun Jahre nach der Anhörung von 1954 gewürdigt und er erhielt erst 1964 den Enrico Fermi Award, der von der Atomenergiekommission (AEC) der USA an eine Person verliehen wird, die sich besonders um die Entwicklung, Nutzung oder Kontrolle der Kernenergie verdient gemacht hat.
Dagegen wurde erst im
Dezember 2022 die Entscheidung, ihm die Sicherheitsfreigabe für den Zugriff auf sensible Informationen der Vereinigten Staaten zu entziehen, aufgehoben – 55 Jahre nach Robert Oppenheimers Tod.

Foto 1: Matt Damon als Leslie Groves und Cillian Murphy als J. Robert Oppenheimer © Universal Pictures
Foto 2: Cillian Murphy als J. Robert Oppenheimer und Emily Blunt als Kitty Oppenheimer © Universal Pictures
Foto 3: Cillian Murphy als J. Robert Oppenheimer und Robert Downey Jr als Lewis Strauss © Universal Pictures
Foto 4: Benny Safdie als Edward Teller und Cillian Murphy als J. Robert Oppenheimer © Universal Pictures

Info:
Oppenheimer (USA 2023)
Originaltitel: Oppenheimer
Genre: Drama, Historienfilm, Biopic, Atombombe
Filmlänge: 180 Minuten
Regie: Christopher Nolan
Drehbuch: Christopher Nolan, nach dem Sachbuch
American Prometheus: The Triumph and Tragedy of J. Robert Oppenheimer (2005) von Kai Bird und Martin J. Sherwin
Darsteller: Cillian Murphy, Emily Blunt, Matt Damon, Robert Downey Jr., Florence Pugh, Josh Hartnett, Kenneth Branagh, Benny Safdie, Dylan Arnold, Gustaf Skarsgård, David Krumholtz, Matthew Modine David Dastmalchian, Tom Conti, Casey Affleck, Rami Malek, Jason Clarke, David Krumholtz, Jack Quaid, Gary Oldman, Dane DeHaan, James D’Arcy, Matthias Schweighöfer u.a.
Verleih: Universal Pictures Germany
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 20.07.2023