Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom Donnerstag, 17. August 2023, Teil 9
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das ist ein Film, der in die Zeit paßt, weil er die Folgen von Migration sehr genau herausarbeitet: einerseits die Vorteile, die es bedeutet, wenn man von Korea nach Amerika (hier geht es um Kanada und die USA) auswandert, weil – beispielsweise – noch nie ein Koreaner den Nobelpreis erhalten hat, aber schon sehr viele Amerikaner!, andererseits von den Nachteilen nicht schweigt, wenn man aus seinem Kreis, in dem man groß wurde, herausgerissen wird und die Heimwehgefühle verdrängen muß, weil man sich sonst auf das Neue, die Ein- und Anpassung, nicht erfolgreich einlassen kann.
Das ist auch ein Film, wo man die Länder und die Personen austauschen könnte, weil es um Grundfragen des Menschen geht, nämlich, wie man leben soll und mit wem. Doch ist dieser Film gleichzeitig unmittelbar und exklusiv koreanisch, so wird ständig gegessen, koreanisch zumeist.
Das Grundproblem hatte schon Heinrich Heine vor 200 Jahren in Gedichtform formuliert:
Ein Jüngling liebt ein Mädchen,
Die hat einen andern erwählt...
…..
Es ist eine alte Geschichte,
Doch bleibt sie immer neu;
Und wem sie just passieret,
Dem bricht das Herz entzwei.
Schon von Kindheit an sind die beiden, Nora, die damals noch Na Yang heißt (Greta Lee) und Hae Sung (Teo Yoo) gefühlsmäßig verbunden, er nimmt sie mit ihrem Ehrgeiz in der Schule ein wenig auf den Arm, tröstet sie, wenn sie darüber weint, daß er besser ist. Doch ihre Familie emigriert nach Kanada, nach Toronto – schließlich kann man in Amerika leichter den Nobelpreis erhalten als in Südkorea - und wir sehen beim Abschied den Jungen mit seinen Abschiedsgefühlen dort stehen und sie die Treppe hochsteigen in das neue Leben, ohne zurückzublicken. Diese Szene wird kurz vor Schluß noch einmal eingeblendet. Aus gutem Grund, denn die beiden befinden sich in der nämlichen Situation. Dazwischen wird die Geschichte der zwei erzählt.
Nora wird Autorin und bekommt eine Stelle in New York, als sie im Internet mitbekommt, daß ihr Schulfreund Hae Sung sie auf der Internetseite ihres Vaters sucht. Nun sucht sie ihn zurück und nach 12 Jahren sprechen sie zum ersten Mal über Skype miteinander. Beide sind sowohl aneinander interessiert, wie auch irritiert, was das eigentlich soll und wohin das führt. Und wie immer im Film ist es Nora, die handelt und ihm vorschlägt, erst einmal nicht mehr miteinander zu telefonieren. Sie denkt an drei Monate, es werden 12 Jahre daraus.
Inzwischen ist sie verheiratet mit einem amerikanischen jüdischen Schriftsteller, den sie gleich bei der ersten Einladung für junge Schriftsteller nach Montauk kennengelernt hatte. Er wird am Schluß räsonieren, aber durchaus liebevoll sagen, Du hättest auch jeden anderen amerikanischen Schriftsteller geheiratet, mit der Heirat war nämlich die Green Card verbunden, was sie nicht verneint.
Hae Sung dagegen hatte zwar eine Freundin, aber er weiß, daß sein Herz an seiner Schulfreundin hängt, entfreundet sich über viele Jahre und entschließt sich überraschend zu einer Touristenreise nach New York, wo er sich mit seiner Kinder- und Jugendliebe trifft. Der Film wird eingeleitet von dem Abend, als sie zu dritt in New York am Tresen sitzen, zwei Koreaner, Nora in der Mitte, rechts von ihr Hae Sung, mit dem sie ununterbrochen redet, während sich Gäste fragen, was es mit den dreien auf sich habe, von denen nur zwei miteinander redeten – und das sehr intensiv -, während der Dritte im Bunde etwas hilflos daneben sitze.
Und mit dieser Szene hört der Film gewissermaßen auf, denn es werden der stumme Ehemann und Nora miteinander nach Hause gehen und Hae Sung verabschieden, der mit dem Köfferchen in der Hand auf das nächste Taxi wartet, einsteigt und abfährt. Nora geht die paar Schritte nach Hause und erst jetzt kommt das große Weinen, wohl nicht nur über den Verlust, sondern auch darüber, daß sie niemals probiert hatte, wie es mit Hae Sung gewesen wäre, mit dem sie so viele unausgesprochenen Gefühle verbinden. Auch die der ehemaligen Heimat Südkorea.
Der Film ist einnehmend und wia im richtigen Leben. Denn die Regisseurin hat erklärt, sie habe ihr eigenes Leben verfilmt, auch sie sei aus Korea mit Familie eingewandert und habe eine Schulliebe gehabt, die sie dann besucht habe und sie habe sich genauso zwischen zwei Männern befunden, aber sei bei dem amerikanischen Ehemann geblieben. Der Film soll also auch eine filmische Heilung ihres eigenen Lebens sein. Da lügt sich die Regisseurin etwas in die Tasche, denn sie müßte erst einmal ihre eigenen Prioritäten analysieren und bewerten. Ihr Desaster am Schluß, als sie sich weinend ihrer Gefühle und auch der verpaßten Lebenschancen bewußt wird, schließt ein, daß sie sich, angeblich emanzipiert nur ihre eigene Karriere im Blick hatte. Zur Emanzipation gehört aber auch, sich als fühlendes Wesen ernst zu nehmen. Weil dies nicht weiter thematisiert wird, bleibt im Betrachter eine Fragestellung zurück, die der Film eigentlich mit zum Thema hätte machen sollen. Das macht den Film, den man gerne angeschaut hatte, kleiner.
Foto:
©Verleih
Info:
Stab
Regie Celine Song
Buch Celine Song
Kamera Shabier Kirchner
Darsteller
Greta Lee (Nora)
Teo Yoo (Hae Sung)
John Magaro (Arthur)