Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 24. August 2023, Teil 3
Margarete Ohly-Wüst
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die 13jährige Schülerin Ria Khan (Priya Kansara) besucht eine Schule in London und hat eigentlich daran kein großes Interesse, denn die pakistanische Muslima träumt davon, einmal eine der besten Stuntfrauen Großbritanniens zu werden - wie ihr großes Vorbild Eunice Huthart, der sie auch regelmäßig E-Mails sendet.
Rias ältere Schwester Lena (Ritu Arya) hat ihr Kunststudium aufgegeben, weil sie sich für nicht talentiert genug hält. Sie unterstützt ihre Schwester aber, damit Ria sich ihren Herzenswunsch erfüllen kann. So hilft sie regelmäßig beim Dreh der Videos für Rias YouTube-Kanal ″Khan Fu″. Allerdings hat Ria immer noch Probleme einen Rückwärtsflip zu schaffen und fällt dabei regelmäßig auf die Nase. Gleichzeitig muss sich Ria gegen einige Mitschülerinnen – besonders gegen die Schulsprecherin Kovacs (Shona Babayemi) – behaupten. Auch ihre Eltern Fatima (Shobu Kapoor) und Rafe (Jeff Mirza) können ihren Wunsch nicht verstehen und hoffen eher, dass sie die Schule ordentlich abschließt und später mal Ärztin wird.
Dann wird die Familie Khan zu einer Party der reichen Matriarchin Raheela Shah (Nimra Bucha) eingeladen. Dort hält Salim (Akshay Khanna), der Sohn der Hauses, Hof. Nach dieser Party wirft der von seiner Mutter vergötterte Salim, ein aufstrebender Frauenarzt, ein Auge auf Lena und trifft sich regelmäßig mit ihr. Lena hat daraufhin keine Zeit mehr für ihre Schwester.
Ria ist am Boden zerstört und überlegt sich zusammen mit ihren Schulfreundinnen Clara (Seraphina Beh und Alba (Ella Bruccoleri) die Beiden wieder auseinander bringen kann. Vor allem da Salim Lena nach kurzer Zeit bereits einen Heiratsantrag macht und plant nach der Hochzeit mit ihr nach Singapur zu ziehen.
Ria kann nicht verstehen, wieso ihre Schwester dieser halb-arrangierten Ehe zustimmt und hat immer stärker das Gefühl, dass da etwas nicht stimmt. Deshalb setzt sie alles daran, Lena die Augen zu öffnen und die bevorstehende Hochzeit zu verhindern, wenn es sein muss auch mit nicht ganz legalen Mitteln.
Doch leider hat sie mit allen ihren Versuchen keinen Erfolg, auch wenn sie zu absurden und recht fragwürdigen Mittel greift, die in eine handfeste Auseinandersetzung mit ihrer Schwester mündet, bei der beide sich blutige Nasen und mächtige Beulen holen und auch im Hause Khan einige Möbel und Türen zu Bruch gehen.
Als Ria dann einige Unstimmigkeiten bei der Familie Shah entdeckt, reift bei ihr der Entschluss, dass sie mit Hilfe ihrer Freundinnen einen Überfall auf die Hochzeitsgesellschaft planen muss. Daneben will sie versuchen, ihren Eltern und ihrer Schwester die Augen zu öffnen und ihnen zeigen, was die wahren Intensionen der Familie Shah sind…
Der erste Spielfilm der in Singapur geborenen Wahl-Londonerin Nida Manzoor ist eine britische Coming-of-Age Komödie mit turbulenten Martial-Arts Einlagen, die mit einer innovativen Story sowie einem immensen Unterhaltungswert begeistert. Manzoor hat nicht nur Regie geführt, sondern auch selbst das Drehbuch geschrieben.
Es ist ein ausgesprochen amüsanter Film entstanden, der aber vor allem von der absurden Situation lebt. Denn es ist schon kaum glaubhaft, dass nicht nur Ria, die ja nicht Ärztin, sondern Stuntfrau werden möchte, obwohl ihre Martial-Arts Fähigkeiten doch noch etwas verbesserungswürdig sind, sondern auch ihre Schwester Lena, der Schulbully Kovacs und vor allem ihre Gegenspielerin - die Matriarchin Raheela Shah – sehr gute Martial-Arts Kämpferinnen sind und hervorragend austeilen können.
Deshalb sind neben den üblichen One-Linern vor allem auch die Action-Sequenzen toll gestaltet, auch wenn man als Zuschauer sofort merkt, dass die Schauspieler bei ihren Szenen an Seilen hängen. Das mag aber auch als Gag der Regisseurin bewusst so gefilmt worden sein.
Nida Manzoor geht es aber neben der Story und den Kampfszenen vor allem auch darum aufzuzeigen, dass es in Großbritannien doch nicht nur unterdrückte pakistanische Muslimas gibt, sondern auch eine Gruppe moderner und selbstbewusster junger Frauen mit einem eigenem Kopf, die gegen Traditionen aufbegehren, auch wenn sie dazu hin und wieder ihre Fäuste und ihre Martial-Arts Fähigkeiten nutzen müssen.
Um dies zu zeigen, dient natürlich vor allen die etwas jungenhafte Ria, die von der jungen Hauptdarstellerin Priya Kansara erstaunlich vielschichtig gespielt wird. Ria hält nicht nur die ganze Zeit an ihrem Berufswunsch fest, sondern sie vertritt dies auch in der Schule - wenn sie ihrer Lehrerin (Jenny Funnell) ihren Karrierewunsch zu erklären versucht - und gegenüber ihren Eltern, die sich für ihre Tochter mit einer Ärztin, den traditionellen Berufswunsch der Aufsteiger wünschen. Priya Kansara zeigt die kämpferische und selbstbewusste Attitüde des jungen Mädchens glaubhaft. Denn auch wenn das junge Mädchen immer wieder auf die Nase fällt, von einer Schulkameradin verprügelt wird und dabei in der Trophäen-Vitrine ihrer Schule landet oder eigentlich keine Chance im Kampf gegen Raheela Shah hat, steht sie immer wieder auf und kämpft unbeirrt weiter.
Hauptsächlich geht es ihr aber darum, ihre Schwester von einer – wie sie glaubt – Dummheit zu bewahren, die aber außer ihr niemand so sieht. Lena glaubt, dass diese Heirat ihre Chance ist, den Schmach mit dem abgebrochenen Kunststudium zu überwinden. Ihre Eltern sind einfach nur stolz, dass ihre älteste Tochter in die pakistanische High-Society in London einheiraten kann, womit auch ihr eigener gesellschaftlicher Status steigen wird. In diesen Szenen ist der Film nicht nur lustig, sondern auch sehr berührend.
Die Aktionen, die Ria unternimmt, sind köstlich gestaltet und sprühen vor ausgefallenen Ideen. So gibt es neben den regelmäßigen Kloppereien einen Einbruch in die Männerräume eines Fitness-Studios (mit behämmerten Verkleidungen), einen nächtlichen Einbruch im Hause Shah, eine tolle Hochzeitseinlage im Bollywood-Stil und letztendlich ein versuchtes Kidnapping.
Bei allen humorvollen Szenen und recht brutalen Schlägereien, beweist Regisseurin Nida Manzoor einen feinen Instinkt für absurde Szenen, aber auch für die gesellschaftlichen Erwartungen, die an die beiden Schwestern gestellt werden.
Insgesamt ist ″Polite Society″ ein herrlich kurzweiliger, kreativer und wilder Mix aus einer spannenden Coming-of-Age Story, manchmal recht unkorrektem aber meist gelungenem Humor und bizarren Actionsequenzen. Das alles macht den Film unbedingt sehenswert.
Foto 1: Ria Khan (Priya Kansara) © Universal Pictures International Germany / Focus Features LLC.
Foto 2: Ria Khan (Priya Kansara) und Lena Khan (Ritu Arya) © Universal Pictures International Germany / Focus Features LLC.
Foto 3: Raheela Shah (Nimra Bucha) und Ria Khan (Priya Kansara) © Universal Pictures International Germany / Focus Features LLC.
Foto 4: v.l.n.r.: Clara (Seraphina Beh), Ria (Priya Kansara), Kovacs (Shona Babayemi) und Alba (Ella Bruccoleri) © Universal Pictures International Germany / Focus Features LLC.
Info:
Polite Society (Großbritannien 2023)
Originaltitel: Polite Society
Genre: Komödie, Freundschaft, Action, Coming-of-Age
Filmlänge: ca. 105 Min.
Regie: Nida Manzoor
Drehbuch: Nida Manzoor
Darsteller: Priya Kansara, Ritu Arya, Nimra Bucha, Akshay Khanna, Seraphina Beh, Ella Bruccoleri, Shona Babayemi, Shobu Kapoor, Jeff Mirza u.a.
Verleih: Universal Pictures International Germany
FSK: ab 16 Jahren
Kinostart: 24.08.2023