Eine Vorschau auf das Programm DER VIENNALE vom 19.– 31. OKTOBER 2023 in Wien, Teil 2/3
Viennale
Wien (Weltexpresso) - Fünfzig Jahre Chilenischer Film! 2023 jährt sich der Putsch, mit dem General Pinochets Diktatur in Chile begann, zum 50. Mal – ein schwerwiegendes Ereignis, das den kreativen Impuls ganzer Generationen in unterschiedlicher Weise prägte. Allerdings war dieser Jahrestag, so denkwürdig er auch ist, nicht der Hauptgrund für diesen Programmschwerpunkt. Vielmehr wollen wir den Reichtum und die Vielfalt des chilenischen Filmschafens der vergangenen Jahrzehnte bezeugen; eines Filmschafens, das durchdrungen ist von ideologischen Motivationen, gesellschaftlichen Erfahrungen sowie dem Geist der gemeinsamen Erinnerung.
Wir präsentieren Filme international anerkannter Persönlichkeiten des lateinamerikanischen und/oder chilenischen Kinos wie Patrizio Guzmán und Valeria Sarmiento. Wir zeigen weniger bekannte Arbeiten bekannter Filmemacher wie etwa Sebastián Lelio und Miguel Littín. Und nicht zuletzt viele weitere Werke, die es endlich zu entdecken gilt. 25 Filme in 15 Programmen, die in Verbindung mit der diesjährigen
Retrospektive des Werkes von Raúl Ruiz eine Referenz nicht nur für das lateinamerikanische, sondern auch für das formal avantgardistische Kino darstellen. In seiner Gesamtheit ein beeindruckendes Programm, geboren aus dem Dialog der beiden Verantwortlichen – der chilenischen Regisseurin Dominga Sotomayor und Haden Guest, dem Direktor des Harvard Film Archive –, und im Austausch miteinander Übereinstimmungen, Parallelen, Korrespondenzen entdeckend.
Kuratiert von Dominga Sotomayor und Haden Guest
KINEMATOGRAFIE. KEINE ANGST
Österreichisches Kino der 80er Jahre
Ganz generell gehen die 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wohl nicht als beste Zeit für die Menschen in die Geschichte ein: Der Konflikt zwischen West und Ost bäumt sich noch einmal heftig auf,
Umweltkatastrophen, AIDS und die Angst vor dem nuklearen Super-GAU sind allgegenwärtig, neoliberale und konservative Politiker an den Schalthebeln der Macht. Österreich, die kleine Insel der Seligen, bildet da keine Ausnahme: Ein Jahrzehnt, geschüttelt von Skandalen und Afären, Nährboden für vieles, was da noch kommen wird. Das heimische Kino befindet sich gerade in einer Umbruchsphase: Im neu gegründeten FilmförderungsÖsterreich (ab 1981) werden auch die Karten neu gemischt. An die Stelle der meist autodidaktischen „Austrian Auteurs“ der 1970er Jahre, denen wir 2020 unseren Schwerpunkt widmeten, tritt nun eine Generation „professioneller“ Filmemacher:innen, die ihr Handwerk an der Akademie erlernt haben, darüber hinaus etabliert sich in urbanen Räumen eine die Filmkultur im Lande generell bereichernde Programmkino-Szene.
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Ausgehend von der Neu-Restaurierung des seit seiner Urauführung 1983 in Österreich nicht mehr gezeigten Kultfilms ANGST von Gerald Kargl, die im Rahmen dieses Schwerpunkts erstmals zu sehen sein wird, beleuchtet das Filmarchiv Austria in 15 Programmen (fünf davon auf der Viennale) die Ängste einer Gesellschaft, aufgerieben zwischen „No Future“ und leeren Durchhalteparolen: Darin sind uns die 80er Jahre heute vermutlich näher als uns lieb ist.
KEINE ANGST lautet dabei im Umkehrschluss unser Motto, Hansi Langs gleichnamiger Hymne auf ein Lebensgefühl entnommen, und Einladung ans Publikum, sich mit uns auf diese Zeitreise zurück zu den Wurzeln des Neuen Österreichischen Films zu begeben.
EIN PROGRAMM DES FILMARCHIV AUSTRIA
MONOGRAFIE
NICOLAS KLOTZ UND ELISABETH PERCEVAL
Radikaler Mut
Die Filme von Nicolas Klotz und Elisabeth Perceval sind Weltwerke. Zum einen, weil sie konkrete Streifzüge durch die Welt in all ihrer Vielfalt darstellen. Zum anderen, weil sie die Erfahrungen und den kulturellen Hintergrund der Menschen, denen sie begegnen und von denen sie erzählen, gleichsam in sich aufsaugen und dokumentieren. Klotz und Perceval beschreiben unsere Welt über das Unrecht,
das den Schwächsten und Ausgegrenzten in ihr widerfährt. Sie fordern Gerechtigkeit und versuchen, ihre eigene eurozentrische Sicht in einen großzügigen, universellen Humanismus umzukehren.
Im Lauf der Zeit haben sie daher sowohl für das Verfassen der Drehbücher wie auch für die Dreharbeiten selbst eine Methode entwickelt, die es ermöglicht, die Filmform ebenso wie die Umwälzungen unserer heutigen Welt zu hinterfragen. Ihre Filme stellen den Menschen dar, der durch die soziale Organisation – von der Gesellschaft bis zu den staatlichen Institutionen, die ihn oft nicht unterstützen, sondern zu brechen versuchen – verletzbar gemacht und gefährdet wird. Die Revolution, die die beiden beschwören, liegt nicht in den Absichten sondern in den Ausdrucksformen einer Art des Filmemachens, die Motivation und ästhetisches Bewusstsein gleichzeitig vorantreibt. Damit stehen Klotz und Perceval in einer zutiefst pragmatischen philosophischen Tradition, der etwa auch Simon Weil, Robert Bresson und Jean-Luc Godard angehören. Ein politisches wie ethisches Kino unserer Zeit, dessen Bühne die ganze Welt ist.
Die Nicolas Klotz und Elisabeth Perceval gewidmete Monografie umfasst neun Programme, gegliedert in drei zeitliche Abschnitte, welche verschiedene Schafensphasen repräsentieren. Am Beginn steht LA NUIT BENGALI, der erste Film in Cinemascope, der in den Studios des indischen Meisters Satyajit Ray gedreht wurde. Es folgen die „Les temps modernes“ sowie die in Flüchtlingslagern gedrehten Filme, darunter L’HEROIQUE LANDE, LA FRONTIERE BRULE, und endet mit NOUS DISONS REVOLUTION.
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